Groß-Israel: Der Schleier lüftet sich

Israels Plan B Was bisher nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wurde, macht langsam auch im offiziellen Israel die Runde: Man will (fast) das ganze Palästina.

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Schlechte Nachrichten sind manchmal gute Nachrichten. Zumindest wenn es darum geht, endlich die Wahrheit ans Licht zu lassen.

Seit langen Jahren ist der “Oslo” genannte “Friedensprozess” im Nahen Osten tot.

Trotzdem wird dieser Begriff “Friedensprozeß” wieder- und wiedergekäut.

Trotzdem bereist ein weiterer amerikanischer Außenminister, der vorgestern Condoleeza Rice, gestern Hillary Clinton und heute John Kerry heisst die Region, um den Schein aufrechtzuerhalten.

Trotzdem hieß es jahrelang, nein jahrzehntelang aus Jerusalem “Natürlich wollen wir einen Palästinenserstaat!” - das war schließlich auch das erklärte Ziel der Osloer Verhandlungen von 1993 ff.

Ein “Die Palästinenser müssen nur zeigen, dass sie bereit sind für den Frieden!” vergaß man dabei nie einschränkend hinterher zu schieben.

Und baute derweil in den besetzten Gebieten Siedlungen so viel wie möglich.

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Ariel Sharon, der 1998 Außenminister unter dem damaligen Ministerpräsidenten Netanjahu war, rief auf Radio Israel dazu auf, in den besetzten Gebieten so viel Land wie möglich an sich zu reißen:

Nehmt Euch mehr Hügel, erweitert das Territorium.

Alles was wir uns genommen haben wird in unseren Händen bleiben.

1998: Da war die Tinte unter den Osloer Dokumenten kaum trocken. Da war Yitzhak Rabin schon drei Jahre lang tot. Erschossen von einem der meinte Rabin wolle Land aufgeben, wo doch selbst ein Rabin den Siedlungsbau weiter beförderte.

Seit jenen Tagen hat sich nichts geändert.

Und nun stellt sich Wirtschaftsminister Naftali Bennett vor ein Siedlerforum und verkündet, dass die Zweistaatenlösung tot sei. Das müsse sich die israelische Politik endlich eingestehen. Das Land Israel – gemeint ist das “ganze Land Israel” – gehöre nun einmal dem israelischen Volk. Man solle nun mit Plan B beginnen.

Plan B: Zunächst soll das sogenannte C-Gebiet vollständig einverleibt werden. Das C-Gebiet wurde gemäß Oslo bisher von Israel verwaltet. Es war aber nicht annektiert. Das scheint Bennett vor Augen zu haben. Damit würde sich Israel den Großteil der palästinensischen Gebiete einverleiben.

Übrig bliebe was man seit langem unter der Bezeichnung “Bantustans” befürchtet. Die Parzellierung von unzusammenhängenden kleinen Palästinensergebieten ganz nach dem Vorbild des früheren Südafrika.

Zum Abschluss seiner Rede vor den Siedlern rief Bennett:

Baut, baut, baut!

Der prominente israelische rechtskonservative Barry Rubin hat vor diesem Hintergrund Recht, wenn er die Friedensbemühungen des John Kerry als “peinliche Obsession” beschreibt.

Die Schleier lüften sich, und das ist gut so.

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Aktualisierung 24.06.:

Es hat etwas unfreiwillig Komisches, wenn angesichts dieser Ereignisse ausgerechnet Abe Foxman das Grausen kommt.

Foxman, seines Zeichens prominenter Direktor der amerikanischen, notorischen Anti-Defamation League (ADL) , ist irritiert wie sich Bennett & Co. äußern.

Denn das ist eine Gefahr. Warum? Weil Israel seinen Expansionismus zwar weiterhin so betreibt wie bisher, also "Ziege um Ziege, Hektar um Hektar", aber das alles in harmlose Rhetorik verpackt, und es deswegen kaum jemanden stört.

Wenn aber diese stillschweigende Vereinbarung durchbrochen wird von Hitzköpfen wie Bennett, wird der schöne Schein zerstört. Das darf nicht sein. Deshalb ist Abe Foxman zurecht nervös:

We say we support Israel, but you have to be credible.

And with Bennett and Danon, you’re not credible.

Also: Unglaubwürdig wird man nicht etwa deswegen, weil die Übernahme der Westbank gnadenlos voranschreitet, sondern weil man mit Bennett "unglaubwürdig" wird.
Propaganda ist alles. Das weiß mr. Foxman nur zu gut.

Grafik: UN

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Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

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