Oscar-Nominierungen für 2 israelische Dokus

Lebendige Debatte Der "New Yorker" sieht die beiden israelkritischen Dokus als Beweis für die lebendige Debattenkultur in Israel. Aus der Nähe gleicht es manchmal einer Prügelei.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

The Gatekeepers und 5 Broken cameras sind nun für den Oscar 2013 in der Kategorie "Beste Dokumentation" nomiert.

In The Gatekeepers werden alle sechs noch lebenden ehemaligen Leiter des israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet interviewt.*

http://www.transatlantikblog.de/wp-content/uploads/2013/01/shin_bet_palaestinenser.jpg

Filmemacher Dror Moreh hat einen eindringlichen Film über Israels Sicherheitspolitik seit den frühen Achtziger Jahren gedreht. Die Interviewten sparen darin nicht an Kritik an ihren jeweiligen politischen Führungen.

Sie sehen Israel auf dem falschen Weg, fürchten eine dunkle Zukunft und sehen ihr Land auf dem Weg in ein repressives koloniales System.

Kein Wunder also, dass dieser Film bei vielen in Israel auf vehemente Ablehnung stößt. Aufschlußreich sind zum Beispiel die Kommentare auf der großen rechtskonservativen Zeitung Jerusalem Post.

Dort schreibt der erste Kommentator, er wolle endlich einen Film sehen, der den Zionismus verherrlicht und den gerechten Kampf des jüdischen Volkes gegen seine völkermörderischen arabischen Nachbarn zeigt:

a film glorifying Judaism or Zionism or even the just struggles of the Jewish people against their Arab genocidal neighbors

Der nächste stimmt zu und ergänzt, man solle diesen Filmemachern den Geldhahn zudrehen, man müsse ja nicht das Messer auch noch bezahlen, mit dem einem die Kehle durchgeschnitten werden soll:

Israel needs to cut funding to film makers especially ones that are anti Israel. Why should we pay for the knife that cuts our own throat.

Ein anderer scheint mit Leichtigkeit und vollständig zu ignorieren, dass die Kritik im Film aus dem Mund seiner eigenen Geheimdienstchefs kommt. Für ihn ist klar:

it is all ANTI JEW/ ISRAEL propaganda

Worauf einer hinzufügt, dass die EU dabei ihre Finger im Spiel hat:

Most of the money came from EU funded NGOs

Warum man nicht eine Dokumentation mit dem Titel "20 explodierende Busse" oder "15 explodierende Restaurants" oder "Körperteile in Bäumen" mache, fragt einer. Und denkt nicht darüber nach, dass just diese Ereignisse seinen Shin-Beth-Leuten tagtäglich bewußt waren und sie dennoch oder deswegen zu ihren kritischen Ergebnissen kommen. Für den Schreiber steht nur eines fest: er verachtet die kranken Linken.

horrible - why not make a documentary called "20 exploding buses", or "15 exploding restaurants", or "body parts in trees" -

I despise the insanity of leftists.

Die Rechtsdrift in Israel scheint unaufhaltsam. 66 Prozent der Israelis sind inzwischen gegen jeglichen Palästinenserstaat in der Westbank.

Und der derzeitige Politstar, kurz vor den Wahlen, ist der ultra-Rechte Nationalist Naftali Bennett. Umfragen zufolge könnte der Mann, der als "Moses reloaded" das ganze Israel vom Mittelmeer bis zum Jordan besiedelt sehen möchte - also einschließlich der palästinensischen Westbank - auf Anhieb bis zu 18 Plätze in der 120-köpfigen Knesset erhalten.

Auf diese Stimmen wird Netanjahu als der wahrscheinliche Gewinner der Wahlen nicht verzichten können. Er wird daher noch weiter nach rechts rücken.

Man muss wegen all dem die Linke in Israel nicht verachten, wie es der oben genannte Kommentator tut. Sie ist längst moribund. Mit Kranken geht man nachsichtig um.

Wie sagte Anshel Pfeffer von der Haaretz** mit Blick auf die Wahlen in zwei Wochen:

It’s Jews against Israelis, and the Israelis are losing

Das ist ein wahrer, ein schmerzlicher Befund.

* Yuval Diskin, Avi Dichter, Ami Ayalon, Ya'acov Peri, Carmi Gillon and Avraham Shalom

** Im übrigen, aber das hat mit den Filmen nur am Rande zu tun, dürfe man nach Ansicht eines anderen nicht die (liberale) Haaretz lesen. Die sei dem Untergang geweiht und finanziere sich im übrigen aus dubiosen Quellen, meint ein Kommentator.

Leseempfehlung: Ari Shavit interviewt Bennett. Das Gespräch eines auf dem Rückzug befindlichen Linken mit einem siegessicheren Rechten.

Bild: screen shot Trailer The Gatekeepers

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

schlesinger

"Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt" Jorge Louis Borges

schlesinger

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden