Bitte lesen Sie mich nicht!

Satire Exklusiv spricht unser Autor mit „Jenseits des Protokolls“, dem Buch von Bettina Wulff, über Amazon-Rezensionen, Selbsthass und das Buch von Natascha Ochsenknecht.

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Schön, dass Sie sich die Zeit für mich genommen haben. Sie sind ja gerade schwer im Stress.

Jenseits des Protokolls Halten Sie mich gut fest, sonst werde ich Ihnen wieder aus der Hand gerissen.

Die Leute sind ja völlig versessen auf Sie. Das muss Sie freuen.

Warum sollte es?

Wer freut sich denn nicht darüber, beliebt zu sein?

Aber ich bin Schund, ich bin einfach nur Schund. Ich kann nur sagen: Bitte lesen Sie mich nicht. Ich hätte mir gewünscht, der nächste Roman von Jonathan Franzen zu werden oder wenigstens von Tommy Jaud. Aber nun bin ich minderwertiger als ein populäres Sachbuch von einem Deutschen, der nach Australien oder England oder Afrika auswandert. Sie haben die Kommentare bei Amazon ja sicher gelesen.

Nein, habe ich nicht.

Bitte zwingen Sie mich nicht.

Och, bitte...

Grumpf... grummel... „Wer Geld für dieses Buch ausgibt, dem ist wirklich nicht mehr zu helfen“... „Schade um die Bäume, die für das Papier dieses Buches gefällt wurden“. Ich ertrage es nicht. Da hat selbst „Shades Of Grey“ weniger Spott abbekommen.

Papier ist geduldig, dachte ich.

Ha, ha. Der musste ja kommen.

Aber was genau stört Sie denn an sich selbst?

Was bitteschön steht denn in mir drin? Nur, dass Bettina Wulff keine Prostituierte ist. Das hatte ja auch niemand ernsthaft angenommen. Dass das reicht, um aus mir einen Bestseller zu machen, ist unfassbar. Irgendwelche Hanseln setzen ein Gerücht in die Welt, Journalisten verbreiten es weiter, Frau Wulff regt sich medienwirksam darüber auf und am Ende profitieren alle davon. Von einem Gerücht! Also von nichts! Das ist die höchste Stufe des Kapitalismus. Ich könnte glatt ein Sachbuch schreiben „Nichts – Aufstieg eines Phänomens“.

Das war glaube ich schon eine Titelgeschichte des Spiegels. Wie erklären Sie sich denn Ihren Erfolg, obwohl nichts in Ihnen drinsteht?

Das fragen Sie noch? Wäre Bettina Wulff eine hässliche, alte Schachtel gewesen, hätte der Verlag das Manuskript gleich zum Altpapier gegeben. Aber da Frau Wulff eine durchaus attraktive Person ist, wird natürlich bei jedem Mann das Kopfkino angeworfen. Wenn Frau Wulff sagt „Ich bin keine Prostituierte“, stellt sich natürlich trotzdem jeder Mann Frau Wulff als Prostituierte vor.

Sie sind also...

...ja, ich bin, auf gut Deutsch gesagt, eine Wichsvorlage für die intellektuelle Elite dieses Landes, ich bin die Coupe für Zeit-Leser und -redakteure. Die stellen sich doch alle vor, wie die mit ihrem BMW über den Hannoveraner Kiez fahren und dann Frau Wulff zu sich auf den Rücksitz holen.

Aber wie der Berichterstattung zu entnehmen ist, sollen ja in Ihnen auch noch andere Themen behandelt werden.

Das weiß ich nicht.

Das wissen Sie nicht? Sie kennen sich ja nicht sonderlich gut.

Ich habe nur 2-3 Kapitel gelesen. Ich habe einfach ein sehr gestörtes Verhältnis zu meinem Körper. Aber warum bitte sollte ich mir diesen ganzen Schund auch durchlesen? Das machen die Leute, die darüber schreiben, doch auch nicht. Wenn wirklich irgendetwas Dramatisches in mir stehen würde, hätte die Bildzeitung längst damit aufgemacht. Darauf kann ich mich verlassen. Bettina weiß ja selbst, wie langweilig ich bin, sonst hätte Sie ja nicht noch in Interviews was von Eheproblemen gefaselt.

Trotzdem, andere Bücher wären froh, Ihre Luxusprobleme zu haben.

Ich würde jederzeit mit einem Buch zum Thema Intimwarzen tauschen oder sogar mit dem Buch von Natascha Ochsenknecht. Dann würde wenigstens niemand mitbekommen, wie mies ich bin.

Natascha Ochsenknecht hat ein Buch geschrieben?

Sehen Sie. Ja, es heißt „Augen zu und durch: Die Geschichte meiner Familie jenseits des roten Teppichs“.

Sie heißen „Jenseits des Protokolls“.

Schlimm, oder? Nicht mal für einen originellen Titel hat es bei mir gereicht.

Haben Sie denn keine Freunde, die Ihnen in dieser Phase helfen können?

Doch, ich habe mit „Feuchtgebiete“ und „Deutschland schafft sich ab“ gesprochen. Wir gehen in dieselbe Selbsthilfegruppe.

Und was haben die Ihnen gesagt?

Früher oder später wird jeder zum Mängelexemplar. Dann ist endlich Ruhe.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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