Am Anfang war ein Husten. Mit dem Keuchen des Black-Sabbath-Masterminds Tony Iommi beginnt „Sweet Leaf“, der Opener des Albums Master Of Reality aus dem Jahr 1971. Dieser Song ist die erste und lange Zeit einzige Liebeserklärung einer Metal Band an Marihuana. Iommi hustet natürlich wegen eines Joints.
In seinem Gestus setzte sich der Metal ab den Achtzigern bewusst von den verpönten Hippies und deren Love-and-Peace-Gesäusel ab. Auch deshalb war Gras nie ein großes Thema in Metalsongs, selbst wenn die Künstler ihm durchaus zusprachen.
Es gab ja auch genügend andere Drogen. Motörhead widmeten sich im gleichnamigen Song ihres Debütalbums einem Amphetamintrip, Guns N’ Roses vertonten in Mr. Brownstone fast schon affirmativ ihren Heroinkonsum. Im Bild der Öffentlichkeit ist der Metal seit jeher sowieso mehr mit dem Alkohol verbunden, und sowohl Musiker als auch Fans tun wenig, um diesen Eindruck zu widerlegen.
Seit Metal im medialen Mainstream angekommen ist, werden gerade Festivals mit einem fast ethnologischen Blick untersucht und die seltsamen Bräuche der Besucher den Laien präsentiert. Viel Bier gehört da immer zur Kulisse. Außer den Musterknaben von Iron Maiden hat fast jede größere Band Alkoholexzesse zu verbuchen, Metallica wären daran beinahe zerbrochen.
Die Neunziger waren für den Metal die Zeit des Katers nach dem großen Boom. Statt Mainstream war die Musik nun Nischenprodukt. Aber Krisenzeiten sind auch Zeiten der Innovation. Neue Subgenres erlebten vor allem Europa ihre Blütezeit, und der alte Klang des Doom Metal, den Black Sabbath in den Siebzigern prägten, kam in neuem Gewand zurück. Für diese Neuentdecker wie Sleep oder Electric Wizard war das Gras nicht mehr nur Inspirationsquelle, sondern auch wieder Thema der Songs. Electric Wizards 2000er Album Dopethrone gilt als eines der besten Metalalben der letzten 20 Jahre und versucht sich an dem Spagat zwischen Drogenhymnen und Weltuntergangsvertonung.
Let's end it tonight
Wie der Soundtrack zum Trip im Metal klingt, war am vergangenen Sonntag im gut gefüllten Festsaal Kreuzberg in Berlin zu erleben. Laut, zäh, düster und monoton hallen die schweren Riffs aus den Boxen, Sänger und Gitarrist Jus Osborn kämpft mit Wortfetzen brachial dagegen an. Einem guten Konzert gelingt es, die Zuhörer in einen Zustand zwischen Ekstase und Trance zu versetzen. Bei Electric Wizard liegt der Schwerpunkt auf der Trance, die sich zur Entrückung steigern kann. Ein Zustand, den das Publikum mit den Musikern auf der Bühne teilt.
Doch trotz der drogenschwangeren Atmosphäre ist ein Electric-Wizard-Konzert kein Ort der Harmonie und des gemeinsamen Wohlfühlens. Das Friedlich-Spirituelle einer Reggae-Hymne wie Peter Toshs „Legalize It“ weicht im Doom Metal einem düster-nihilistischen „Legalize Drugs and Murder“. So lautet der Titel der aktuellen Single und auch das Motto der Tour. Dieser Überschuss an Negativität, der die Geburt des Metals ermöglichte, ist hier immer noch spürbar und macht ihn nach wie vor zur Musik der Extreme – und zur akustischen Herausforderung.
Bands wie Electric Wizard haben die Regression zur Kunstform erhoben und kehren zu den basalen Aussagen des Metal zurück. Und sie erbringen mehr als 40 Jahre nach Iommis Huster den Beweis, dass Gras und Hass sich nicht ausschließen. „This world is so fucked, let’s end it tonight“ waren als letzte Worte des Konzertes da nur folgerichtig.
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