Gauck zeigt Charakter – Kretschmann nicht

SS-Kriegsverbrechen Joachim Gauck besucht Sant'Anna di Stazzema und setzt damit ein Zeichen gegen das arrogante Stuttgarter Herrenmenschentum gegenüber den dortigen SS-Opfern.

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Was Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) nicht wollten, macht jetzt Joachim Gauck. Der Bundespräsident wird mit Enrico Pieri sprechen, einem der Überlebenden eines SS-Massakers von 1944 in der Toskana. Dazu reist Gauck am kommenden Sonntag nach Sant'Anna di Stazzema. Als Pieri Ende Januar in Stuttgart weilte, standen Kretschmann und Stickelberger nicht zur Verfügung.“

So beginnt einer von mehreren lesenswerten Beiträgen der aktuellen Ausgabe der kontext:wochenzeitung, der noch einmal an das SS-Kriegsverbrechen in Sant'Anna di Stazzema erinnert und die skandalöse Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die offensichtlich äußerst rechtslastige politische Stuttgarter Staatsanwaltschaft unter dem einschlägig verrufenen Bernhard Häußler, der offenbar wichtige Gründe dafür hat, absolut nichts über sich und seinen Hintergrund zu verraten.

… Und wer würde so etwas in solch einer Position tun, wenn es da nichts hoch Peinliches zu verstecken gäbe? Welcher Jurist in so gehobener Position würde nicht zumindest mit Stolz auf seine Lehrer und/ oder Vorbilder verweisen? Oder auf Dinge, die ihn geprägt haben? Aber Häußlers penetrantes Schweigen ist wohl auch eine Antwort.....

Aber verlassen wir die Stuttgarter Jauchegrube und kehren zu Pieri zurück. Der wurde nicht nur von seinen Präsidenten empfangen, der offenbar mehr Charakter hat als Kretschmann und Stickelberger zusammen, sondern konnte über Napolitano auch einen Brief an Joachim Gauck weiterleiten. Und der bewies ebenfalls Charakter und reagierte auf einem Staatsbankett für den italienischen Präsidenten prompt:

...Ein guter Freund ist ja manchmal auch ein kritischer Freund. Ich weiß, dass Ihnen die Arbeit der Deutsch-Italienischen Historikerkommission sehr am Herzen gelegen hat. Zu Recht. Mir auch. Denn die – allzu oft verleugneten oder verdrängten – Verbrechen an Ihren Landsleuten unter der deutschen Besatzung beschämen uns bis heute. Ein solches Verbrechen wurde auch in Sant'Anna di Stazzema begangen. Sie haben mir heute Morgen den anrührenden Brief eines Überlebenden dieses Massakers überreicht, Enrico Pieri, der nach dem Krieg in Deutschland heimisch wurde. Wenn wir, wie ich hoffe, gemeinsam Sant'Anna di Stazzema besuchen könnten, dann würde mich das freuen und ich wünsche mir, dass die Übergabe des Abschlussberichts der Historikerkommission an unsere Außenminister vor wenigen Wochen nicht etwa ein Schlussstrich werden soll einer für beide Seiten schmerzhaften Aufarbeitung, sondern dass im Gegenteil die weitere aufrichtige gemeinsame Aufarbeitung der Vergangenheit gefördert wird. Wir Deutsche haben schlechte Erfahrungen mit dem Verdrängen von Fakten und der Leugnung von Schuld gemacht. Aber das war eine andere Epoche. Wir haben gute andere Erfahrungen gemacht seither. Wir wissen, dass wir unserer geschichtlichen Verantwortung gerecht werden, wenn wir sie nicht verdrängen, sondern die Vergangenheit ehrlich aufarbeiten....“

Und er belässt es nicht dabei. Anstatt die Opfer, wie in Stuttgart geschehen, arrogant ein zweites Mal zu demütigen, in dem man Pieri vor verschlossenen Türen vergeblich warten lässt oder mit mit nachrangigen Vertretern des Staates abspeist, beabsichtigt Gauck, am 24.03.2013 selbst nach Sant' Anna zu kommen – ein versöhnlicher Canossa-Gang angesichts der Stuttgarter Schweinereien. Und ein Zeichen dafür, dass Gauck – bei aller Kritik – zumindest ein Gespür dafür hat, wann es angebracht ist, Charakter zu zeigen. Etwas, das Kretschmann und Stickelberger offenbar abgeht – von Rückgrat mal ganz zu schweigen. .... Oder sollte Kretschmann seinen aktuellen Papstbesuch zu einem kostengünstigen Abstecher nach Sant'Anna genutzt haben, anstatt in Stuttgart die neuen Tagesbefehle von Herrenknecht, Ramsauer und Grube entgegen zu nehmen....?

Update 24.03.2013:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.ns-massaker-von-sant-anna-gauck-reist-zu-gedenkfeier-nach-sant-anna.95676bb0-02d7-4c6d-87f9-95621739dfa7.html

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.sant-anna-di-stazzema-bundespraesident-gauck-gedenkt-der-opfer-deutscher-kriegsverbrechen.7781c004-04b8-4dc1-a911-e770098502eb.html

Ein Teil der Links und Informationen in diesem Beitrag stammt von den AnStiftern, die engagiert als „Volk“ daran arbeiten, die Stuttgarter Schande wieder gut zu machen, die die „Eliten“ verbrochen haben.

Weitere Informationen zum Verfahren zu Sant'Anna di Stazzema bei kontext:wochenzeitung und hier:

http://www.fluegel.tv/beitrag/5316

http://www.fluegel.tv/beitrag/5319

http://www.fluegel.tv/beitrag/5321

http://www.cams21.de/stream.php?b-vid=3402639

Einen Video-Clip zur aktuellen kontext-Ausgabe gibt es bei fluegel.tv.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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