Judith Butler und die Kunst zu Googlen

Butler-Debatte Während Manfred Spitzer gerade öffentlich über digitale Demenz sinniert und darüber, ob Googlen verblödet, zeigt die Butler-Debatte, dass Googlen (machmal) hilft.

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Am 31. August 2012 verwahrte sich die Anwärterin auf den diesjährigen Adorno-Preis, Judith Butler in der FR gegen die öffentliche „Denunziation“ durch den Generalsekretär des Zentralrats der Juden anlässlich der Entscheidung des Preiskomitees:

Ich bin nicht vollkommen überrascht, dass Generalsekretär Kramer Einspruch gegen meinen Standpunkt erhoben hat. Allerdings kann ich auf der Basis dessen, was er vorgetragen hat, nicht erkennen, ob es überhaupt seine Absicht war, meine Sicht der Dinge zu verstehen, ganz zu schweigen von dem Umfang und der Tragweite meiner Ansichten. Seine Bemerkungen sind Denunziationen, sie sollen als grundsätzliche Zurückweisung meiner Position verstanden werden. Unterstellen wir Kramer eine gewisse Autorität innerhalb der deutsch-jüdischen Gemeinde, dann soll seine Denunziation, so vermute ich, auch diese Autorität unterstreichen und gleichzeitig mich im Namen der ganzen Gemeinde ausgrenzen.“

http://www.fr-online.de/kultur/judith-butler-fangen-wir-an--miteinander-zu-sprechen,1472786,17019694.html

In der FC empörte sich Blogger Georg von Grote über Kramer, worüber sich dann wiederum andere empörten und am Schluss (aktueller Stand) meinten, eine Antisemitismus-Debatte erkennen zu müssen..... So endet es ja meist, wenn einem eine exponierte Meinung gegen den links-liberalen Schmuse-Mainstream nicht passt.... Und was da möglicherweise nicht passt, interpretiere ich jetzt mal in den Schlussteil des ersten Antisemitismusbeitrags hinein: Die Argumente der Gegner der Zwangsbeschneidung wehrloser Kleinkinder, die ja nun reichlich und an der Gürtellinie immer tiefer sinkend als Antisemiten denunziert wurden, haben mitnichten mit der Unversehrtheit der Kinder, deren Menschenrechten und der Verfassung zu tun. Nein, sie tun hinter neuer Maske nur das, was Ihresgleichen schon immer getan hat:

„...Endner ...sei aus aktuellem Anlass leider etwas länger zitiert:

Das, was den Juden dem Deutschen fremdartig macht, ist nicht bloß die Race, die sich in seiner äußeren Erscheinung offenbart, - seine Gebräuche, Ceremonien, Anschauungen, die sich auf die jüdischen Gesetze stützen, hindern ihn gewiss ebenfalls in hohem Grade, sich dem Deutschen in seiner Art und Weise zu assimilieren (Zur Judenfrage, 1880)“

http://www.freitag.de/autoren/wwalkie/argumente-die-nicht-vergehen-wollen

http://www.freitag.de/autoren/xxm/nur-diese-beiden-fragen

http://www.freitag.de/autoren/georg-von-grote/ist-ein-umdenken-erforderlich

Beiträge davor:

http://www.freitag.de/autoren/georg-von-grote/der-zentralrat-und-die-sprache-des-hasses

http://www.freitag.de/autoren/ed2murrow/broder-augstein-grote-die-unterscheider

So haben Beschneidungsdebatte und Butlerdebatte am Ende zusammengefunden und der Verdacht drängt sich mir auf, es gehe insgesamt nicht mehr um irgendeine Debatte, um einen Austausch von Argumenten also, sondern nur noch um Diffamierung unwillkommener Meinungen als antisemitisch, was für eine so deklarierte Meinung einem intellektuellen Todesurteil gleichkommt. Womit ich wieder bei dem Wort wäre, das Judith Butler meinte, als sie von Denunziation sprach.

Und ich bin auch wieder bei den denunziatorischen/ diffamierenden Methoden, mit denen hier mal wieder – wissenschaftlich und moralisch verbrämt - gearbeitet wird. Im Falle von Butler z.B. aus Richtung von Stephan J.Kramer, der ihr am 6. September 2012 in der FR antwortete:

Meine Stellungnahme gegen die Preisverleihung an Professorin Butler wurde von mir mit offenem Visier in den Medien veröffentlicht. Mit einer Denunziation, dem hinterhältigen Vermelden einer missliebigen Meinung an die Behörden eines finsteren Regimes, hat das daher nichts zu tun.

...

Indem Frau Butler mir solche Vorwürfe macht, ist SIE diejenige, die sich der Debatte durch die Flucht in eine auf falschen Prämissen aufgebaute Opferrolle zu entziehen sucht. ...Demaskierend ist auch die von ihr verwandte Wortwahl, mit der sie die vermeintlichen Mittel ihrer Kritiker beschreibt: Denunziation, Dämonisierung und Delegitimierung .

...

Auch hierin erkennt man den allzu durchsichtigen Versuch, sich in Umkehrung der tatsächlichen Sachlage in eine Opferrolle zu flüchten.“

http://www.fr-online.de/kultur/adorno-preis-fuer-judith-butler-so-werden-israels-todfeinde-legitimiert,1472786,17188958.html

Auch Henryk M. Broder stößt am 7.9.2012 in der Welt noch rechtzeitig vor der Preisverleihung in dieses Horn:

Auf Kritik reagierte die erzliberale Professorin aus Berkeley wie die Funktionärin einer kommunistischen Splittergruppe. Sie sprach von einer "Denunziation", die das Ziel verfolge, jede Kritik an Israel "im Keim zu ersticken". Denunziation bedeutet im Allgemeinen das Anschwärzen einer Person hinter ihrem Rücken und zu ihrem Schaden bei staatlichen Instanzen. Eine offen vorgetragene Kritik an politischen Positionen als "Denunziation" zu bezeichnen zeugt von einem radikal-autoritären Verständnis vom Meinungskampf.“

http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article109065935/Er-passt-zu-ihr.html

So wird die öffentlich diffamierte flugs zur öffentlichen Diffamiererin umdefiniert. Googlen hätte geholfen. Butler ist bekanntlich Amerikanerin. Wir sind Deutsche. Und einige von uns hatten auch schon mal Englisch-Unterricht. Und da hätte es auch mal passieren können, dass einem aufgefallen wäre, dass Wörter, die im Deutschen und im Englischen irgendwie ähnlich aussehen nicht unbedingt immer auch dasselbe meinen müssen. Wenn da also eine Amerikanerin und ein Deutscher stur auf ihrem Wortgebrauch beharren und diesen beim jeweils anderen empört zurückweisen, dann könnte man, sine ira et studio, vielleicht auf die Idee kommen, mal nach dem Wörterbuch zu schauen. Und, siehe da, bei merriam-webster.com findet man zu „denunciation“ folgende Definitionen:

an act of denouncing; especially: a public condemnation“

The attack drew strong denunciations from leaders around the world.“

<the official denunciation of the congresswoman's actions before the full house>

http://www.merriam-webster.com/dictionary/denunciation

Und:

a public statement that strongly criticizes someone or something as being bad or wrong : a statement that denounces something or someone“!

http://www.learnersdictionary.com/search/denunciation

Um öffentliche Diffamierung geht es bei dem Wort also. Und davon hat Butler gesprochen. Aber auch in deutschen Medien kann man fündig werden, z.B. bei FAZ.Net, angesichts der Debatte um das Israel-Gedicht von Grass:

Für die Zeitschrift „The Atlantic“ hat Heather Horn versucht, die „unnötig teutonischen Konstruktionen zu entwirren“, und kommt zum Ergebnis, dass „nicht eben die hübscheste Prosa im deutschen Original“ zu finden sei und es sich auf Englisch auch nicht viel besser lese. Das Gedicht hält sie für „offen und verwegen politisch“ und bezeichnet es als „eine ineffiziente Denunziation - als wolle jemand einen Absatz mit soliden Begründungen schreiben, schneide ihn dann aber in Stücke und stecke die Schnipsel in Glückskekse.“

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/das-israel-gedicht-von-grass/amerikanische-reaktionen-auf-grass-gedicht-eine-ineffiziente-denunziation-11712035.html

Dass Herr Kramer ausgerechnet dies nicht gelesen haben sollte, fällt mir zu glauben ziemlich schwer. Dass müsste ihn doch geradezu angezogen haben, wie Honig den Bären.

Wie dem auch sei, das Phänomen, dass allein unterschiedliche sprachliche und andere kommunikative Gewohnheiten zu massiven Missverständnissen führen können, sollte spätestens seit Watzlawick & Co bildungsbürgerliches Allgemeinwissen sein. Legendär ist eine Untersuchung, die herausfinden sollte, weshalb es im Umfeld des Zweiten Weltkrieges in England immer wieder zu Konflikten zwischen englischen Frauen und amerikanischen Soldaten kam. Man stellte fest: es waren die unterschiedlichen Balzrituale. Platt erinnert scheint es mir so gewesen zu sein, dass englische Girls spät küssten, dann aber auch zu allem weiteren bereit waren. US-Girls küssten früh, dann aber war auch erst mal Schluss. So ähnlich jedenfalls. Man kann sich vorstellen, was da zwischen diesen beiden Kulturen abgegangen sein mag: US-Boys hielten englische Girls schon mal für irgendwie prüde Nutten. Diese hielten US-Boys schon mal für rücksichtslose Vergewaltiger. Und beide verstanden das jeweils gar nicht: es war einfach die unterschiedliche Funktion des Kusses in beiden Kulturen.

Freundlicherweise verschenkt Google (sic!) dazu einen aktuellen Link, der mir half, meine fehlerhafte Erinnerung zu korrigieren:

http://aktuell.evangelisch.de/artikel/723/kuesse-werden-sehr-unterschiedlich-interpretiert?destination=node/723

Bei allem Verständnis dafür aber, dass Menschen halt mal in solche Fallen tappen, ist es doch einigermaßen bezeichnend, dass – nach meiner Kenntnis – bislang niemand auf die Idee kam, in der Butler-Debatte da mal nachzuhaken und „Stop!“ zu rufen. Ich vermute: das ist gar nicht erwünscht. Erwünscht ist der Konflikt und der soll bitte nicht und von niemand gestört werden. Und geschützt werden soll auch die Methode der Diffamierung. Sie erspart schließlich das Argument. Da gebe ich Butler gegen Kramer vollkommen recht, dessen Art mir auch in der Beschneidungsdebatte sehr unangenehm aufgestoßen ist.

Sehr bedauerlich finde ich wiederum, dass auch Richard A. Landis bei seiner Butler-Kritik bei The Times of Israel vom 6.9.2012 sauberes Googlen nicht für nötig hält, denn sein Beitrag hat mich insgesamt beeindruckt:

You think your critics accuse you of anti-Semitism, and that they’ll do that to anyone who criticizes Israel. Instead, the criticism is that you, and some others, go so far overboard in your hyper-criticism of Israel, that you empower the real anti-Semites… that you’re the dupe of enemies of your people, diasporic as well as Zionist.“

http://blogs.timesofisrael.com/judith-butler-renounce-the-adorno-prize/

Leider auch nicht gegoogled. Folgendes nämlich hat – einigermaßen zeitgleich - Kramer geschrieben:

gibt es Anlass zu der Vermutung, dass die Argumentation von Professorin Butler ein Beispiel für jüdischen Selbsthass sein könnte – die Übernahme antijüdischer Stereotype durch Juden bis hin zur Identifikation mit Antisemiten. Wie der Historiker und Anthropologe Raphael Patai in seinem monumentalen Werk „The Jewish Mind“ schrieb, gehört der Hass auf Israel, wie er neben anderen Symptomen bei der extremen jüdischen Linken zu finden ist, dazu. Es spricht viel dafür, dass die Legitimierung von Israels Todfeinden Teil dieses Phänomens ist.“

http://www.fr-online.de/kultur/adorno-preis-fuer-judith-butler-so-werden-israels-todfeinde-legitimiert,1472786,17188958.html

Damit es da keine Missverständnisse gibt: Ich selbst halte Hamas und Hisbollah aus historischen und inhaltlichen Gründen für lupenreine Nazi-Organisationen. Butlers Position kann ich in dieser Sache überhaupt nicht teilen und man könnte sie rein sachlich leicht widerlegen. Dass dies nicht getan wird, sondern mit der Antisemitismus-Keule diffamiert wird ist doppelt verheerend, weil in doppelter Weise anti-aufklärerisch. Mein Verdacht ist denn auch, hier wird ein Vorwand dafür gesucht, die Antisemitismus-Keule einzusetzen, um auch oder hauptsächlich anderes zu diffamieren, was man direkt nicht erfolgreich diffamieren könnte.

Auch da hätte Googlen geholfen.

Ungeprüfte Links dazu:

http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-27460396.html

http://www.e-politik.de/lesen/artikel/2011/die-deutschen-wurzeln-des-politischen-islam/

http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/der-islamismus-der-muslimbruderschaft-und-der-antisemitismus-ein-historischer-ueberblick-2917

http://de.wikipedia.org/wiki/Islamismus

http://de.wikipedia.org/wiki/Islamfaschismus

Schließlich: man könnte sogar versuchen, zu erklären, wie Butler zu den umstrittenen Formulierungen kam. Nahost ist ein Minenfeld, für dessen Entschärfung NIEMAND eine Lösung hat und wo niemand von Macht/ Bedeutung zu einem offenen Dialog bereit ist. Es herrscht ein gemeinsames politisches Wahnsystem, das auf gegenseitige Vernichtung zielt. (Wobei ich meine, dass Israel von den radikalen Islamisten zu so einer Haltung gezwungen wird.) Wer vermitteln will kann also gar nicht anders als „Fehler“ zu machen. Und Judith Butler scheint mir ohnehin ein schwieriges Wesen zu sein....:)

http://de.wikipedia.org/wiki/Judith_Butler

Weiterführende Links habe ich in einem zweiten Beitrag zusammengestellt:

https://www.freitag.de/autoren/seriousguy47/judith-butler-ein-nachtrag-in-links

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

seriousguy47

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