Mafiöse Zustände bei IHK Stuttgart usw. ...?

S21 Die Katastrophenmeldungen zu S21 nehmen zu. Das Trommelfeuer der Befürworter auch. Und der Filz blüht.

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Seit die Medien - mit Verspätung, aber immerhin - nun deutschlandweit über die nunmehr offenbar gewordene Finanzkatastrophe 21 berichten, tut sich merkwürdiges. Friede Springer reißt sich z.B. ihre Edelfedern vom Busen. Genährt wird dort erst wieder nach gehöriger S21-Propaganda in der Welt.

Und so zog sich denn ein Wolfgang Büscher flugs die Wanderstiefel aus und versuchte sich, durch den aufsteigenden Duft benebelt, unter dem Titel Wenn der Pensionär zur Landplage wird an einer polemischen Fehlinterpretation einer Proteststudie des Göttinger Instituts für Demokratieforschung. Bevor diese in Buchform veröffentlicht wurde und damit zur Überprüfung zur Verfügung stand. *)

Es folgte, wohl in der Annahme, dass hinter der Welt eher kein kluger Kopf steckt, ein „Leitartikel“ von Thomas Schmid, der die Steinzeit im eigenen Kopf projektiv in eine Steinzeit in Stuttgart verwandelte und jede Menge Unsinn zugunsten des „Jahrhundertprojektes“ von sich gab.

Die Krönung stellte aber zweifellos eine nicht näher beschriebene „Umfrage“ des Emnid Institutes dar, in der sich 62 Prozent der Baden-Württemberger für einen „Weiterbau“ von S21 ausgesprochen haben sollen. Dass diese Aussage vor Dämlichkeit nur so strotzt, weil mit dem Bau noch gar nicht begonnen wurde, also auch gar nicht weiter gebaut werden kann, scheint niemand weiters aufgefallen zu sein.

Dieses Trommelfeuer zugunsten des Irrsinns 21 komplettiert nun einstweilen der frisch gekührte Chef der Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart, der Rechtsanwalt Georg Fichtner. In der Stuttgarter Zeitung warnt er vor einem Scheitern des Projekts. „Ein Aus wäre ein großer Schaden für Land und Region“, lässt er dpa dort verkünden „Die Wirtschaft ist auf einen leistungsfähigen Bahnknoten, gute Erreichbarkeit und moderne Logistik angewiesen. Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand des Wirtschaftsstandorts Baden-Württemberg sind eng mit diesem Projekt verknüpft.“

Nun könnte eine kritische Redaktion dies zum Anlass nehmen, daran zu erinnern, dass der bestehende Kopfbahnhof - trotz aller Zerstörungen durch inkompetentes Bahnpersonal - genau dies hervorragend leistet, während S21 voraussichtlich das Ende des (noch) funktionierenden Bahnknotens Stuttgart mit sich bringen würde. Dies läge umso näher, als die Stuttgarter Zeitung genau so bereits berichtet hatte. Aber: kein Wort dazu.

….Und in den Stuttgarter Nachrichten entblödet sich ein Alexander Ikrat nicht, genau das Gegenteil zu prophezeien: S21 könne ausgerechnet bei der S-Bahn "Entspannung" bringen . Da bleibt selbst dem hart gesottenen Zyniker das Lachen im Halse stecken....

Aber auch die IHK Stuttgart und ihr Präsident wären – unter Zuhilfenahme früherer Berichte – kritisch zu beleuchten. Fichtner nämlich ist Chef und Hauptgesellschafter eines Planungs- und Beratungsunternehmens, und als IHK-Präsident Nachfolger eines Herbert Müller, der nach vier Jahren an der Spitze der IHK hauptsächlich wegen seiner einseitigen Parteinahme für S21 nicht mehr in die Vollversammlung gewählt und damit als Präsident gestürzt worden war.

Zuvor waren die IHK Stuttgart und die IHK Ulm bereits per Gerichtsbeschluss gezwungen worden, Werbeplakate für S21 abzuhängen, da „die Kammern laut Bundesverwaltungsgericht rechtlich dazu verpflichtet sind, zurückhaltend und mit einem „Höchstmaß an Objektivität“ zu Themen Stellung zu beziehen“.

... Und nur mal so nebenbei: IHK-Hauptgeschäftsführer Andreas Richter war vormals Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung und Mitarbeiter bei auto motor und sport. Stichwort: „Filz“ [Autoindustrie – Medien – IHK]. ….

Nun sollte man meinen, die IHK hätte aus all dem eigentlich Konsequenzen ziehen müssen. Hat sie auch: der Filz wurde geradezu mafiös verfestigt. Wenn sich Fichtner nämlich so vehement für S21 einsetzt, so setzt er sich in Wahrheit mitnichten für die Zwangsmitlieder der IHK und deren Interessen ein, sondern vermutlich ausschließlich für die Profite seiner eigenen, ererbten Firma, die am Projekt S21 beteiligt ist.

Genau das hatte die StZ auch berichtet. Vor Fichtners Wahl :

Der Schwerpunkt von Fichtner liegt in der Energietechnik (Stromerzeugung und -übertragung) sowie in der Umwelttechnik (Wasserwirtschaft und Abfallbehandlung). Das Unternehmen kombiniert technische Planung und Beratung mit klassischer Unternehmensberatung.Fichtner ist auch beim Projekt Stuttgart 21 engagiert. Die Gruppe hat im Jahr 2010 (aktuellere Zahlen sind nicht veröffentlicht) einen Umsatz von 192,0 Millionen Euro verbucht; unter dem Strich stand ein Konzernjahresüberschuss von 26,3 Millionen Euro.“ [Hervorhebung von mir]

Nach der Wahl fehlte erstaunlicherweise genau diese kleine Anmerkung – obwohl kritischer Journalismus jetzt erst recht hätte aufhorchen müssen. Zum Vergleich die neue Passage:

Der Schwerpunkt des Ingenieurbüros liegt in der Energietechnik (Stromerzeugung und Stromübertragung) sowie in der Umwelttechnik (Wasserwirtschaft und Abfallbehandlung). Das Unternehmen kombiniert technische Planung und Beratung mit klassischer Unternehmensberatung. Die Gruppe hat 2011 einen Umsatz von 216,0 Millionen Euro verbucht; der Jahresüberschuss erreichte 32,0 Millionen Euro.“

Immerhin wurde dafür eine zusätzliche Schweinerei berichtet:

Gebilligt von der Vollversammlung wurde auch die Zuwahl von weiteren 13 Kandidaten, so dass die Vollversammlung nunmehr 113 Mitglieder hat. Diese sogenannte Kooptation hatte das Kaktus-Bündnis scharf als undemokratisch kritisiert. Unter den 13 zugewählten Mitgliedern sind auch fünf Kandidaten, die im September bei den Urwahlen zur Vollversammlung durchgefallen waren.“

Eine Kooptation ist laut Wikipedia eine „Ergänzungswahl, Zuwahl, Aufnahme oder Wahl von Mitgliedern durch die übrigen Mitglieder einer Gemeinschaft [ z.B. einer IHK]….Sie ist zum Beispiel sinnvoll, wenn es darum geht, Personen mit besonderer Sachkenntnis oder Vertreter befreundeter Organisationen in die laufende Vorstandsarbeit zu integrieren. Kooptation kann geschlossene und kohäsive Gruppen schaffen, da die meistens ihresgleichen rekrutieren und Andersdenkende durch die eigene Einigkeit ausschließen können. ….Für die Wahl von Regierungen, Parlamenten oder anderen Repräsentativorganen wäre das Verfahren der Kooptation [dagegen] nicht mit einem demokratischen und rechtsstaatlichen Verständnis vereinbar. Hier hätte sie einen gänzlich undemokratischen, oligarchischen Charakter, da Entscheidungsträger nicht stimmberechtigte Personen vertreten würden.“ [Hervorhebung von mir]

Das Verfahren der Kooptation, mit dem der starke demokratische Widerstand durch S21-Gegner in der Vollversammlung der IHK ausgehebelt werden sollte, stellt allerdings nur ein unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten hoch problematisches Verfahren bei den IHKs dar, umso mehr als man dort nicht freiwillig und aus eigener Entscheidung, sondern zwangsweise Mitglied wird. Wikipedia weiß noch von weiteren Merkwürdigkeiten. **)

Ist es, um zum Schluiss zu kommen, nicht schön, wie schwarzer Filz und Maultaschen-, Pizza- und Spätzle- Connections immer noch so wundervoll funktionieren. Landtagswahl hin. OB-Wahl her. Wie sagte doch der Karle Marx selig:......

*) Zum Vergleich:

http://www.zeit.de/politik/2013-01/wutbuerger-studie-protest/komplettansicht

http://www.taz.de/Industrie-an-der-Hochschule/!110437/

**) Siehe hierzu auch:

http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2012/10/rebellen-im-weinberghaeusle/

http://kammerspartakus.wordpress.com/2012/10/08/ihk-stuttgart-wie-geht-es-weiter-mit-dem-millionarsclub/

und hier:

http://p185231.mittwaldserver.info/

***) Siehe auch:

http://www.stern.de/politik/deutschland/rezension-musterlaendle-mit-schattenseiten-616730.html

http://www.heise.de/tp/artikel/33/33536/1.html

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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