Mir san di lustigen Lügenpack-Buam....

S21:142. Montagsdemo Volksfest verkehrt: „Leistungsversprechen gebrochen“ war das offizielle Motto der 142. Montagsdemo am 1.Oktober 2012 vor "vollem Haus".

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1. Soo dommm (So dumm)

Hauptredner der 142. Montagsdemo gegen S21, die nach einem Wochenend-Protest-Marathon mit jeweils 5- 10 000 Teilnehmern vor ungebrochen engagiertem, mengenmäßig mittlerweile üblichem – jaaaa! - Protest-Publikum stattfand, war Christoph Engelhardt, der seine Rede unter die Überschrift „Stuttgart 21 ist schon lange tot – und keiner hat's gemerkt“ gestellt hatte. Dazu wiederum passte hervorragend der zweite Song des schwäbischen Liedermacher-Urgesteins Thomas Felder „Soodomm“.

Das schwäbische „So domm“ hat den linguistischen Charme, fast genauso ausgesprochen zu werden wie „Sodom“, das mit Gomorra also, und da beides so exzellent zur Stuttgarter Volksabstimmungs-Mehrheit passt, hat Thomas Felder daraus einen Song gemacht, den er zum Abschluss der Kundgebung vortrug:

Soodomm, so domm, so domm,
En Sodom ond en Gomorra, do send se fromm.

Ja do wad bäddat, do isch ma fleißig,
Oefach aschdendig rondrom,
Ond a jedes über dreißig
Hot da Buggl scho a weng kromm.
..

http://www.thomas-felder.de/

http://www.youtube.com/watch?v=P43F4D4SJps&feature=youtu.be

Eröffnet hatte Felder die Kundgebung mit einem Song über die Kretschmann-Generation der Zu-Spät-68er, der er wohl selbst angehört. Den Inhalt habe ich – naturgemäß – wieder vergessen, aber Felder beging, festlich gewandet, mit diesem Song auch ein persönliches Jubiläum: vor 40 Jahren war er fast genau an dieser Stelle als Straßenmusiker von der Polizei abgeführt worden. Die Zeiten haben sich also nicht wirklich geändert, Kretschmann ist wieder katholisch.....und „die Welt ist wieder eine Scheibe“...Haben die Stuttgarter mehrheitlich volksbeschlossen.

http://www.youtube.com/watch?v=4-olJDXOw-I&feature=youtu.be

2. Soo kromm!

Stuttgart 21 ist ein Rückbau der Leistungsfähigkeit und damit nicht genehmigungsfähig, die Planrechtfertigung ist entfallen, eigentlich hat sie nie vorgelegen.“

Was ist denn überhaupt verbindlich an diesem Projekt, vor dem sich so hohe Güter wie Denkmalschutz, Mineralwasserschutz, Naturschutz, und Brandschutz in einem warmen Regen von Ausnahmegenehmigungen auflösen?“ …..

Der Hauptredner war ebenfalls ein Großkaliber. Christoph Engelhardt erinnerte noch einmal an all die Schönrechnereien, Manipulationen, Betrügereien, Ausnahmegenehmigungen, Regelwidrigkeiten und Pannen, die für S21 mittlerweile das einzige geworden sind, was wächst – während der Baufortschritt auf sich warten lässt. Damit auch Waldorf-Hardliner und Fernseh-Veganer etwas für zuhause hatte, konnte man den Text auch gedruckt mitnehmen.

http://parkschuetzer.org/presse/Rede_142.MoDemo_Engelhardt_2012-10-01.pdf

http://www.parkschuetzer.org/presse/

Welch ein Service! Die anderen können hier info-“glotzen“:

http://www.youtube.com/watch?v=t_Y5UbqytEU&feature=channel&list=UL

Alsweiterer Redner ging Jürgen Hugger, die rhetorische, Mikrophone verschlingende Schnellfeuerwaffe des Stuttgarter Widerstandes, noch einmal auf die ausbleibende Aufarbeitung des Schwarzen Donnerstag, auf die manipulative Berichterstattung, auf die seltsamen Rechenkünste der „sogenannten verantwortlichen Politiker“ wie Nils Schmid oder des Ramsauer-Buam und den schwarz-roten Filz überhaupt ein:

http://www.youtube.com/watch?v=8Q-4VGMUvUs&feature=bf_prev&list=ULtsfbIIdQm0U

3. Sodom. Oder: Zur kriminellen Puff-Vereinigung „Schienenfreunde“:

Bereits auf der "Empört Euch!"- Demo am 29.09.2012 hatte Dr. Winfried Wolf die neo-krimi-liberalen Zusammenhänge im Allgemeinen und Besonderen erläutert:

http://www.fluegel.tv/beitrag/4930

Einen Redetext kann ich dazu nicht anbieten, aber ein kleines Zitate-Schätzlein aus dem Leben der lustig-korrupt-versifften Schienenleut:

3.1 „Zwei Tage lang durchsuchten 47 Ermittler die Büros von zehn Stahlfirmen, darunter Dependancen von Thyssen- Krupp, der österreichischen Voestalpine sowie des britisch-luxemburgischen Marktführers Arcelor Mittal. …Drahtzieher war demnach Voestalpine, aber auch Thyssen-Krupp spielte eine Schlüsselrolle. ….. Im Verbund mit anderen Firmen sollen die beiden Konzerne über Jahre hinweg – mindestens seit 1998 – ein Kartell für Schienen gebildet haben, mit über Jahre abgesprochenen Preisen und Mengen.... Die Deutsche Bahn musste ein Drittel mehr beim Einkauf von Schienen bezahlen als üblich. Bei einem Schienenumsatz von durchschnittlich knapp 300 Millionen Euro summiert sich der Schaden auf 100 Millionen im Jahr.“

http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schienen-kartell-schaedigt-die-bahn/4344296.html

3.2 Also, zum Mitschreiben: seit mindestens 1998 betrog Thyssen-Krupp durch Kartell-Absprachen die Deutsche Bahn. Und was tut die Deutsche Bahn 1999? Richtig:

Der ehemalige Thyssen-Manager [Dieter Vogel, SG] tankt Ruhe. Trubel hat er demnächst genug. Der 57jährige soll den angeschlagenen Bahn-Konzern (260 000 Beschäftigte) [als Aufsichtsratsvorsitzender, SG] wieder aufs richtige Gleis schieben.“

http://www.focus.de/auto/ratgeber/unterwegs/deutsche-bahn-aufraeumer-am-zug_aid_177367.html

3.3 „Mindestens zwei Personen sagten im Zuge der Ermittlungen unabhängig voneinander aus, dass die Bahn über Unregelmäßigkeiten auf dem Schienenmarkt informiert war, wie das Handelsblatt aus dem Umfeld der Ermittlungen erfuhr. Einer der Zeugen behauptet, mehrere Bahn-Mitarbeiter über das Kartell aufgeklärt zu haben. ...Einer der Zeugen... war seinerzeit selbst für die Bahn tätig - als Einkäufer ebenjener Schienen. Er wiederum hat ausgesagt, von dem Kartell gewusst zu haben. Auch habe er diese Information innerhalb des Konzerns weitergegeben.“

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/schienenfreunde-zeugen-untergraben-ersatzansprueche-der-bahn/6948474.html

3.4 „Mitarbeiter der Stahlhersteller und Angestellte der Deutschen Bahn [haben sich]mehrfach zu Bordellbesuchen getroffen und vorher beim Abendessen die Preise abgesprochen, berichtet das Handelsblatt ….unter Berufung auf einen Teilnehmer dieser Treffen. Ein früherer Geschäftsführer der deutschen Voestalpine-Tochter von Voestalpine Kloeckner Bahntechnik hat in den Jahren von 2005 bis 2009 insgesamt 35 Abrechnungen über 71.276,24 Euro eingereicht. Das geht aus Urteilen des Landgerichts Duisburg hervor, die dem Handelsblatt vorliegen. Die Mitglieder des Kartell nannten sich „Schienenfreunde“.

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/unerlaubte-preisabsprache-schienenfreunde-trafen-sich-auch-im-bordell/7117492.html

3.5 „Die Deutsche Bahn hat einen Großauftrag an zwei Kartellsünder vergeben. Ihren Schienenbedarf für das kommende Jahr werde das Unternehmen durch Lieferung von Tata Steel, Moravia Steel und Voestalpine abdecken..... Mit Moravia und Voestalpine gehören zwei der Stahlproduzenten zum sogenannten Schienenkartell. Diese hatten seit mindestens Mitte der 90er-Jahre Preise und Mengen auf dem deutschen Schienenmarkt abgesprochen; das Kartell wurde erst durch Ermittlungen des Bundeskartellamts im Mai dieses Jahres zerschlagen....Der Auftrag für das kommende Jahr hat ein Volumen von rund 300 Millionen Euro.“

http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/deutsche-bahn-bahn-vergibt-grossauftrag-an-kartellsuender/5960880.html

3.6 Ein bundesweit agierendes Schienenkartell soll einem Medienbericht zufolge seit 1986 systematisch kommunale Verkehrsbetriebe ausgenommen haben. Betroffen sind demnach unter anderem die Essener Verkehrsbetriebe und die Düsseldorfer Rheinbahn, wie die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe vorab berichteten. Das neu aufgedeckte Kartell sei von Managern des Stahlkonzerns ThyssenKrupp und des österreichischen Unternehmens Voestalpine betrieben worden.“

http://www.derwesten.de/wirtschaft/schwere-vorwuerfe-gegen-thyssenkrupp-id7084247.html

Uuupps...Lust auf die volle Dröhnung? Schlag nach beim Handelsblatt:

http://www.handelsblatt.com/suche/?sw=Schienenkartell

http://www.handelsblatt.com/suche/?p3616352=2&sw=Schienenkartell

Und zum Schluss noch eine kleine, unverKohlte geistig-moralische Wende:

Die Rede von Winfried Wolf war, wie schon gesagt Teil eines Stuttgarter Protest-Marathons aus gegebenem Anlass:

In Stuttgart fielen der 2. Jahrestag des Schwarzen Donnerstag und die bundesweite Initiative UmFAIRteilen zusammen. Das Motto der Stuttgarter Demonstration/Kundgebung lautete, in Anlehnung an S. Hessel, "Empört Euch!" und integrierte beide Veranstaltungen.“ Mcmac hat den Samstag, 29.09.2012 kommentiert und dokumentiert:

http://www.freitag.de/autoren/mcmac/umfairteilen-stuttgart

Filmdokus sind auch hier aufgelistet:

http://www.bei-abriss-aufstand.de/2012/10/01/update-prominente-gastredner-auf-der-grossdemo-zum-2-jahrestag-des-schwarzen-donnerstags-30-9-10/

Filme zum Sonntag, den 30.09.2012 finden sich (einstweilen nur) hier:

http://cams21.de/

Soviel zwischendurch mal wieder von da, wo Schtuagerd 21 isch.

Am 1.Oktober 2012 fand nach einem Stuttgarter Protest-Marathon die 142. Montagsdemo gegen S21 statt. Ich war - nach langer Pause - wieder mal dabei und habe ein bisschen Rhetorik, ein bisschen Aufklärung und ein paar "Schienenfreunde" aus dem Edel-Puff mitgebracht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

seriousguy47

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