Recht, Moral, Kinder

Affäre „Edathy“ Bis in seriöse Medien hinein wird der Fall E. dazu benutzt, um mit Hilfe von „Moral“ und „Kinderschutz“ den Rechtsstaat zu untergraben. Gefährdet werden damit alle drei.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Recht, Moral, Kinder

Sean Gallup / Getty Images

Das übergeordnete, eher vage „Recht“ und die konkret ausformulierten Gesetze, die idealerweise mit dem Recht kompatibel sind, ihm jedenfalls nicht widersprechen, sollen im säkularen Staat ein gedeihliches Zusammenleben miteinander und, darüber hinaus, zwischen den Staaten gewährleisten, und damit das ersetzen, was vormals eine vermutete übergeordnete, göttliche Instanz über ihre irdischen Repräsentanten leisten sollte. So würde ich das mal spontan und quellenmäßig unabgesichert formulieren.

In einem aufgeklärten, freiheitlichen und modernen „westlichen“ System haben Recht & Gesetz sich auf das absolut Notwendige zu beschränken, was dem Einzelnen persönliche Entscheidungsräume offen lässt und darüber das Gesamtsystem änderungs- und anpassungsfähig erhält. Jemand hat einmal in Hinblick auf die Steuergesetze gesagt, diese seien umso komplizierter, je mehr Sonderinteressen bedient werden sollen. Das gilt vielleicht für die Gesetzgebung insgesamt.

Als zusätzlichen Kitt kann ein Staat sich eine Art „Nationalreligion“ schaffen, deren Mythen & Rituale den Menschen immer aufs Neue das Gefühl von Zusammengehörigkeit vermitteln. Und die Unübersichtlichkeit bei den persönlichen Entscheidungsräumen kann individuell durch die Übernahme bereitstehender moralischer und religiöser Ordnungssysteme reduziert werden, die sich aber im Rahmen von Recht & Gesetz zu bewegen haben.

So stellt sich mir jedenfalls der gegenwärtige Zustand des bundesrepublikanischen Systems dar. Wenn diese Sicht zutreffend ist, dann müsste klar sein, dass dieses System ziemlich komplex und störanfällig ist, einen ständigen Lernbedarf hat und einer ständig neuen Ausbalancierung bedarf. Gefährlich wird es, wenn schwer oder gar nicht zu beeinflussende „äußere Umstände“ oder Einzelne und Gruppen, entweder über Macht oder über Mehrheit versuchen, die Gewichte zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Lebensgrundlagen oder die Rechte und Freiheitsräume anderer einzuschränken oder ganz abzuschaffen.

Macht- und einflußlose Minderheiten sind hier per se benachteiligt und genießen deshalb in ordentlichen Rechtsstaaten einen besonderen Schutz – der aber selbst in ganz unerwarteten Bereichen schon mal mit anderen Interessen kollidieren kann, die ebenfalls Schutz beanspruchen.

Wie die Pädophilenhatz in diesem (Fall E.) und im vergangenen Jahr (Grüne) zeigt, neigen Medien und Mehrheiten allerdings gerne dazu, nicht nur diesen besonderen Schutz zu ignorieren oder abzuerkennen. Sie sind auch allzu schnell bereit, solchen Minderheiten selbst fundamentalste Rechte zugunsten "höherer Zwecke" abzusprechen und ihre eigenen "Supergrundrechte" dagegen zu setzen. Da unterscheidet sich die BRD dann prinzipiell gar nicht mehr so sehr von Putins homophobem Russland.

Was soll dieser abgehobene, improvisierte Versuch in sozialkundlichen Basics? Er soll gerade jetzt an eben solche Basics erinnern, wo diese unter dem Verbal-Getrampel angemaßter „alternativloser“ „Meinungsführer“ drohen, unter die Räder, respektive Springerstiefel zu geraten.

Die Balance innerhalb unserer Systeme ist derzeit massiv und unübersehbar an vielen Punkten national wie global gestört, am Nachhaltigsten durch Macht-, Kapital- und Finanzkapital-Interessen bzw. durch diejenigen, die darüber ihren teilweise mörderischen Egoismus befriedigen wollen.

Die Edathy-Affäre ist bzw. war (?), so gesehen, kaum der Rede wert. Umso überraschender war ihre Heftigkeit und die Erschütterungen, die sie in unserer Gesellschaft ausgerechnet in dem Moment auslöste, wo nicht nur in Syrien und der Ukraine Menschen zum Zwecke des Machterhalts abgeschlachtet werden. Und wo diese Affäre überdies drohte, die deutsche und europäische Außenpolitik zu lähmen, die dem ein Ende zu machen versucht.

Unabhängig davon kann diese (nicht bestellte?) Affäre natürlich eine Chance für die betroffenen Minderheiten sein, endlich die nötige Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu bekommen. Es kann aber auch das genaue Gegenteil sein: der Missbrauch von berechtigten Minderheiten-Interessen zu Zwecken der Aufmerksamkeits- Umlenkung, der Schädigung von politischen Gegnern, der Rache, des Rufmords oder der Befriedigung von eigenem Unausgelebtem – was immer das im Einzelfall sein mag. Und die Aufzählung beansprucht auch nicht, vollständig zu sein.

In dieser Debatte werden nun zum wiederholten Male die Rechte der Kinder denen der Pädophilen gegenübergestellt, und es wäre Aufgabe der Gesellschaft, diese Situation sine ira et studio zu betrachten, zu prüfen, ob da tatsächlich ein Ungleichgewicht besteht oder ob ein solches aus idelogischen oder anderen, nicht zwingenden Gründen einfach postuliert wird, um die Rechte einer Gruppe auszuhebeln, z.B. weil man ihr die vollen Grund- und Menschenrechte schlicht und einfach nicht zugestehen oder wieder aberkennen will.

Ein erster Schritt dazu kann sein, zunächst einmal die Argumente zu prüfen und auch die Art, wie sie vorgetragen werden. In einer ersten, pauschalen Polemik habe ich das hier versucht. Andere Zugänge werden u.v.a. hier und hier debattiert und über Links ausgeweitet.

Ich möchte dies an dieser Stelle noch einmal entlang des aktuellen SPIEGEL (Nr. 8, vom 17.02.204) fortführen , der den Fall Edathy als Aufmacher hat.

Vorneweg aber stellen sich die rechtlichen Fragen. Und da stehen zwei Aspekte im Fokus:

die Informationsweitergabe des ehemligen Innenministers und das Vorgehen der Hannoveraner Staatsanwaltschaft. Der aktuelle mediale Informationsstand dazu lässt sich mit zwei einschlägigen Zitaten zumindest vorläufig abhaken:

1.1 Oppermann, Ziercke

Die vielfach kritisierte Anfrage von Oppermann beim BKA-Präsidenten zum Fall Edathy ist juristisch nicht zu kritisieren. Oppermann kann nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei jeder Behörde des Bundes einen Antrag auf Auskunft, Akteneinsicht oder Informationsübermittlung stellen.

Entscheidend ist allein, wie die Behörde reagiert, insbesondere ob sie die geltenden Geheimhaltungsvorschriften beachtet; geschützt sind etwa strafrechtliche Ermittlungsverfahren. Sollte der BKA-Präsident Ziercke in dem Gespräch mit Oppermann keine Informationen zum Fall Edathy preisgegeben haben, hätte auch er sich rechtlich korrekt verhalten.“

1.2 Friedrich

Am Ende bleibt die Frage, welche Alternative Friedrich als damaliger Bundesinnenminister hatte. Die Rechtsordnung zeichnet den Weg vor: Information der Bundeskanzlerin. Deren Aufgabe wäre es dann gewesen, bei der Regierungsbildung „falsche Personalentscheidungen“ des Koalitionspartners SPD zu verhindern.“

Professor Dr. Friedrich Schoch (Öffentliches Recht), Universität Freiburg,Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg.

2. Staatsanwaltschaft (oder: "Sebastian Edathy gibt sich unschuldig")

Aus guten Gründen ist das Ermittlungsverfahren, anders als die Hauptverhandlung, als nicht-öffentliches Verfahren ausgestaltet. Durch die Nichtöffentlichkeit des Ermittlungsverfahrens wird der von Ermittlungsmaßnahmen (Durchsuchung, Beschlagnahme, vorläufige Festnahme) ohnehin beschwerte Verdächtige vor weiteren Belastungen geschützt. …..Die meisten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren führen nicht zur Hauptverhandlung und Verurteilung, sondern werden eingestellt......

Da in der Öffentlichkeit die Beschädigung des persönlichen Ansehens durch Bekanntgabe eines Ermittlungsverfahrens kaum wieder zu reparieren ist, gebietet schon der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz neben der Unschuldsvermutung äußerste Zurückhaltung bei der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft. Ein zeitlich in der Nähe zur Tat bzw. deren Entdeckung öffentlich gemachter Verdacht wirkt oft wesentlich stärker auf das Publikum als die spätere Verfahrenseinstellung oder der spätere Freispruch.

Es stellt einen staatlichen Eingriff in die Rechte des Verdächtigen dar, wenn sein angebliches bzw. tatsächliches Verhalten oder Details aus dem Ermittlungsverfahren von der zuständigen Behörde öffentlichkeitswirksam verbreitet werden. –---

..

Keinesfalls dürfen Behördenvertreter sich in der Öffentlichkeit dazu äußern, welche belastenden Indizien sie ermittelt haben und wie sie die Beweise würdigen. Neben der geschilderten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts und dem Verstoß gegen die Unschuldsvermutung sind solche öffentlichen Äußerungen auch aus einem anderen Grund kaum zu legitimieren. Der ermittelnde Staatsanwalt legt sich selbst fest und schadet deshalb der Unabhängigkeit der eigenen späteren Entscheidungsfindung. ….moralische Ansprüche ….[sind-sg]....keine Legitimation für die Staatsanwaltschaft, schon lange vor einer öffentlichen Hauptverhandlung, zu der es womöglich gar nicht kommt, eine öffentliche "Presseverhandlung" durchzuführen. “

Prof. Dr. Henning Ernst Müller (Strafrecht, Kriminologie), Universität Regensburg, beck-blog.

(Siehe dazu auch dies, dies und dies ).

Was Müller an Gefahren aufzeigt, hat sich in der öffentlichen Debatte bereits an vielen Stellen materialisiert. Und die Art, wie Recht & Gesetz vermeintlich zugunsten von Moral & Kind gezielt ignoriert und quasi als Gedöns abgetan werden, verweist auf den prekären Zustand, in dem unser Rechtsstaat sich fast 70 Jahre nach dem Willkürsystem des Faschismus schon wieder befindet. *)

Zwar ist es nicht nur legitim, sondern nahezu zwingend, in einem lernenden System Alarm zu schlagen, wenn das „Gesetz“ sich von der „Moral“ abzulösen scheint. Aber solange dieses Gesetz nicht geändert worden ist, gilt es und nicht irgendeine „Moral“. Letztere muss darüber hinaus erst einmal darauf abgeklopft werden, ob sie tatsächlich Moral ist oder nur interessengeleiteter Vorwand für anderes. Und schließlich können in einer gewollt pluralistischen Gesellschaft unterschiedliche Moral-Ansprüche bestehen, was dann wiederum Abwägungen, Modifizierungen und Kompromisse erfordern kann (siehe Link "Homophobie").

Was die Beurteilung der Strafbarkeit im Fall E. Betrifft, so muss immerhin klar sein, dass es egal sein muss, „was der pädophile Beobachter ..[beim Betrachten von einschlägigen Nacktphotos-sg]... empfindet“, wie der SPIEGEL den Strafrechtsexperten Joachim Renzikowski zitiert (S. 26). Dass mancherort bereits dies im Namen der „Moral“ offen infrage gestellt wird, sollte denn auch eher alarmieren, als manch anderes, das hysterisch hochgebrüllt wird.

Klar scheint, dass ein neues Nachdenken darüber angesagt ist, ob die derzeitigen Regelungen eher den Interessen der Kinder gerecht werden oder denen einer mit Bildern Märkte & Profite generierenden Industrie im allgemeinen, Pornoproduzenten im besonderen und – am Ende der „Nahrungskette“ - pädophilen und anderen Nutzern solchen Bildmaterials.

Dass die Blickrichtung dabei bislang fast ausschließlich aus Richtung erwachsener Interessen, Einstellungen und Voreingenommenheiten kommt, und nicht einmal ansatzweise versucht, die Sache mit den Augen der Kinder selbst zu betrachten, lässt eher nicht vermuten, dass es dabei vordringlich um deren Interessen geht. Diese scheinen insbesondere hinter den Interessen der Nicht-Porno-Industrie zurückstehen zu müssen. Da geht es schließlich um Profit ...äh...“Arbeitsplätze“.

Insofern scheinen zumindest Pädophile nicht ein Versiegen von Bildmaterial befürchten zu müssen. Von schärferen Bestimmungen sind eher die bedroht, die Härteres benötigen, weil sie eben nicht „bloß“ pädophil sind (siehe dazu u.a. hier ).

Von Kinderseite her betrachtet würde sich spätestens seit den Kolateralschäden des Internet zunächst eine ganz andere, grundsätzliche Frage stellen, nämlich die danach, wer eigentlich irgendjemandem überhaupt das Recht gibt, Bildmaterial von Kindern in die weltweite Öffentlichkeit zu pusten. Erst auf Basis dieser Frage wären u.U. ein Totalverbot und begründete Ausnahmen zu definieren. Ich spreche übrigens von weltweiter Öffentlichkeit & Vermarktung, nicht von Familie, Freundeskreis (im vor-facebookschern Sinne!) usw.

Stattdessen wird alles nicht nur aus Erwachsenenperspektive betrachtet, wobei dann sämltliche Verklemmtheiten, Verdrängungserfodernisse, Voreingenommenheiten und Ängste gleich mittransportiert werden. Anstatt Schutz für die Zukunft und Wiedergutmachung für die Vergangenheit anzubieten, macht man die mentalen Relikte letzterer dabei unbedacht oder auch egoistisch eher noch schlimmer.

Da werden dann im o.g. SPIEGEL (S.23 f.) ganz unverblümt nicht nur Ortsnamen von Nacktfilmerei genannt, sondern auch noch die Klarnamen (?) Betroffener genannt, die üblicherweise der Redaktion vorbehalten bleiben. Von SPIEGEL- über Slomka- bis Seehofer-TV (Report München)wird dazu auch noch das Bildmaterial geliefert, bei dem die Gesichter offenbar nur auf ausdrückliche Bitten hin unkenntlich gemacht werden. Und während man dann Betroffene klagen lässt: „Dieser Mann [der deutsche Filmer-sg] hat Schande über meine Familie und unser Dorf gebracht“, verewigt man gleichzeitig die Schande mit global speicherbarem Bildmaterial.

Und während die ehemaligen Kinder sich selbst als Jugendliche noch unwohl fühlen bei dem Gedanken, weltweit könnten sich Erwachsene an den Bildern ihrer längst weiter entwickelten kindlichen Körper aufgeilen, macht das Fernsehen die Verknüpfung der jetzt Heranwachsenden mit den Kinderbildern erst möglich.

Und der SPIEGEL (diesmal in Nr. 9, 2014, S. 28) schafft es gar, zu berichten, dass eine 60jährige, die gerne anonym bleiben möchte, sich auch heute noch schämt und damit hadert, dass sie mit 14 Nacktphotos machen ließ., und darüber ein ungepixeltes Farbphoto eines Vaters und seiner Tochter zu setzen , der auf einen "Model"- Photographen hereinfiel und gegen Geld (Nackt-)Photos von eben dieser Tochter machen ließ. Namen und Ort werden selbstverständlich mitgeliefert. Es besteht in diesem Fall ja eine umfassende Informationspflicht - die z.B. beim Skandal S21 nicht besteht. Da toben ja nur die "Wutbürger" -, und in einem so wichtigen Fall müssen natürlich alle Schutzrechte für Kinder hintan stehen. Es geht schließlich um "Höheres", um das Schmutzrecht Auflage bzw. Quote.

Geht's noch?

Und hier wie dort wird das Geschehene nicht in Ruhe angeschaut und bewertet, sondern wird vorschnell von „verführt“ und „traumatisiert“ (SPIEGEL) gesprochen. Und ungeklärt bleibt, ob „Traumatisierung“ überhaupt passiert ist, und falls ja, ob sie durch das Filmen oder erst durch die „Aufdeckung“ und lautstarke Öffentlichmachung eingetreten ist.

Als einer, dessen sexuelle Entwicklung gegen frömmelnd brutale Gewalt überleben musste, stelle ich mir schon lange die Frage, ob es nicht auch solche moralinsaure Gewalt ist, die bei solchen und anderen Übergriffen unterhalb der Vergewaltigungsschwelle etwas für die Kinder höchst Unangenehmes, Beschämendes, Schmerzliches usw. erst zum Trauma aufbläst, das schwankende kindliche Integritäts- und Selbstwertgefühlgefühl erst endgültig zum Einsturz bringt – anstatt alles dafür zu tun, das Kind ggf. in einer geschützten, emotional nährenden Atmosphäre von Zuhören & Geborgenheit erfahren zu lassen, dass in dieser Hinsicht nichts wirklich beschädigt ist und Täter und Tat keine Definitionsmacht über sein Leben haben. Womit nicht Verdrängung gemeint ist, sondern die Bereitschaft, auf die Kinder zu hören, sie selbst zeigen lassen, was wo verletzt wurde und was wie zu reparieren sei. Und – soweit möglich - auf ihre eigene Resilienz zu vertrauen.

Was immer hier notwendig sein mag, rücksichtsloses öffentliches Fingerzeigen und rücksichtslose öffentliche Hysterie sind mit Sicherheit kontraindiziert. Und die hysterische Öffentlichkeit muss sich schon fragen lassen, was sie gegen die Zustände zu tun gedenkt, die in hoffnungslos armen Ländern oder Regionen Menschen vor die Alternative stellt, entweder ihr Geschlecht oder andere Organe zu verkaufen. „Kinder gegen Inder“?Wer betrügt, der fliegt“?

Und wieso lese & höre ich eigentlich nirgendwo von einer psychologischen Betreuung der betroffenen Kinder in Rumänien, die sich ausgezogen haben, um auch einmal die Mittel zu bekommen, um die banalen Extras genießen zu können, deren wir hier bereits überdrüssig sind? Und wer macht eigentlich die Diagnosen und Festlegungen, die da hinausposaunt werden und aus welchen Interessen?

Wie wäre es denn, wenn SPIEGEL-, Slomka- und Seehofer-TV einmal auch solche Fragen stellen – womöglich sogar mal in die Schatulle greifen würden, um für die betroffenen Kinder und Jugendlichen die paar „Brosamen“ fallen zu lassen, die sie bislang nur über „Nacktfilmen“ bekamen?

Nein, es geht in der Edathy-Hysterie erkennbar weder um Moral noch um Kinder. Zu der Frage, um was es tatsächlich geht kann man trefflich spekulieren. Und man darf sich dabei auch gerne an die politisch motivierte „Pädophilie“-Kampagne gegen die Grünen im vergangenen Wahlkampf erinnern, die in einer Beschuldigungskampagne gegen eine ganze Generation mündete und – oh Wunder – plötzlich verstummt ist, obwohl doch angeblich alle dringendst auf das Ergebis einer Forschungsgruppe warten. Und das jetzt soll nicht wieder Teil eines (rechts-)konservativen Backlash sein?

Sicher ist zumindest eines: der Rechtsstaat und das Rechtsbewußtsein nehmen unter Hysterie-Journalismus und Springerstiefel-Bloggerei erkennbar Schaden. (Siehe dazu auch hier)

*) Update 23.02.2014, 11:00

Laut SPON hat Edathy mittlerweile „etliche Morddrohungen“ erhalten, und „nach der Umfrage des Instituts Emnid für die "Bild am Sonntag" sind 60 Prozent der Bundesbürger und 65 Prozent der SPD-Anhänger dafür, den Politiker [(vorerst nur?) aus der SPD-sg] auszuschließen. 20 Prozent der Wähler und 22 Prozent der SPD-Wähler äußern sich dagegen.“

Dies dürfte weniger ein Erfolg der Springerstiefel-Bloggerei als der eines teilweise „subtilen“ Vergiftungsjournalismus sein, wie er auch auf SPON immer wieder eingesetzt wird. Hier z.B. durch eine erkennbar meinungslenkende Wortwahl am Ende eines einigermaßen „neutralen“ Berichtes:

"Die Behauptung, ich hätte Kenntnis gehabt von dem Schreiben der Staatsanwaltschaft zur Aufhebung meiner Immunität und wäre deshalb schnell zum Notar gelaufen, ist evidenter Unfug", sagte Edathy nun dem SPIEGEL. Er verwies darauf, dass sein Notartermin schon anberaumt war, bevor die Staatsanwaltschaft den Brief verschickte. "Die zeitliche Nähe zum Brief der Staatsanwaltschaft", so behauptete er, wäre "reiner Zufall". (SPON) [Hervorhebung von mir]

Diese Art von suggestiver Meinungsbeeinflussung wird bei SPON nicht zum ersten Mal in dieser Sache eingesetzt, man begann schon relativ relativ früh damit: Sebastian Edathy gibt sich unschuldig: Im SPIEGEL-Interview bestreitet der Ex-SPD-Abgeordnete, von Tippgebern einen Hinweis auf die Ermittlungen gegen ihn bekommen zu haben.“ [Hervorhebung von mir]

Bezeichnend auch, wie systematisch alternative Denkmöglichkeiten/ Fakten gerade bei diesem Aspekt der „Information“ unterschlagen, im Hintergrund gehalten oder erst mit Verspätung berichtet werden, z.B. solches:

Die Kundschaft des kanadischen Online-Anbieters Azov-Films war alarmiert, viele Monate bevor die Nachricht von der Hausdurchsuchung bei dem SPD-Politiker Sebastian Edathy das politische Berlin erschütterte.....

In einschlägigen Pädophilen-Foren hatten sich Betroffene via Internet schon seit Mitte 2011 über diese Frage ausgetauscht – im englischsprachigen Raum, aber auch in Deutschland.“

Bis zur Sippenhaft versteigt sich gar die WELT:

Die Eltern leben nicht mehr, zu seinem Bruder, der in Celle die Stadtwerke leitet, hat er offenbar nur sporadisch Kontakt.“ [Hervorhebung von mir]

Und abschließend dies: Thema hier ist nicht die Pädophilie. Dazu besteht hier weder ein Anlass, noch ist hier genügend Raum dafür.

Update 2, 23.02.2014, 12:00 h

Links zum Thema Pädophilie z.B.:

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/paedophilie-die-wichtigsten-fragen-und-antworten-a

http://www.zeit.de/2012/44/Sexualitaet-Paedophilie-Therapie/komplettansicht -954632-druck.html

http://www.zeit.de/wissen/2014-02/paedophilie-kinderpornografie-interview-ahlers/komplettansicht

http://www.sueddeutsche.de/panorama/debatte-um-kinderpornographie-paedophilie-hat-sich-niemand-ausgesucht-1.1894404

http://www.zeit.de/2012/44/Sexualitaet-Paedophilie-Therapie/komplettansicht

http://www.theatlantic.com/health/archive/2013/08/i-pedophile/278921/

http://www.welt.de/politik/deutschland/article124971465/Die-umstrittenen-Bekenntnisse-eines-Paedophilen.html

Ergänzt und leicht überarbeitet am 25.02.2014, 14:17 Uhr

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

seriousguy47

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden