Der Bob Ross der Worte

Montagsdemos Ken Jebsen ist der Wortverführer bei den Montagsdemos in Berlin.

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Ken Jebsen müsste eigentlich japsen. Er redet minutenlang ohne Punkt und Komma, bei seiner Rede auf der Montagsdemo in Berlin-Mitte. Er wechselt dabei Themen wie andere Unterhosen (nur viel häufiger) und dringt zu den Menschen vor mit einer Tonlage zwischen ankumpelnd eingängig und abstossend lautmalerisch. Vielleicht beschreibt dies den Ex-Moderator des RBB am besten: er ist ein Lautmaler. Seine Worte sollen Bilder erschaffen bei seinen Zuhörern. Es sind Bilder von einer Welt, die nichts mit dem zu tun haben, was sonst so in den bösen Medien auftaucht. Das seine Wort-Gemälde dabei eher einfältiges Bob Ross Niveau erreichen mag für den Erfolg bei einer bestimmten Zielgruppe sogar eher förderlich sein.

Früher nannte man einen Menschen wie Ken Jebsen wohl Demagogen. Nicht umsonst nennt er bei seinen ausschweifenden Tiraden gerne das Buch „Psychologie der Massen“ von Gustave Le Bon. Er scheint es verinnerlicht zu haben, denn er spielt genau auf der Klaviatur, mit der man sogenannte schweigende Mehrheiten zum Aufschrei bringt. Er geriert sich stets als einer der alles, was er macht, nur für die Menschen macht, die ihm zuhören. Die Menge jubelt, dabei ist dies die gleiche platte Parole, mit der auch alle anderen Parteien antreten, die er gerne als Volksverräter beschimpft. Die machen doch auch das gleiche wie er: Politik für den Menschen. Für wen auch sonst? Zwerghamster? Er wickelt die Demonstranten so leicht um den Finger, wie dies wohl einst auch Wortverführern vom Schlage eines Joseph Goebbels gelungen ist.

Er gibt den Menschen das aufputschende, aber billige Crystal Meth fürs Volk: Statt einschläfern, will er die von einer, seiner Meinung nach, gleichgeschalteten Presse für dumm verkauften Bürger aufrütteln: Denkt selbst ist seine Parole, um dann aber selbstverständlich wieder das Denken für seine Zuhörer zu übernehmen. In einer schier endlosen Aneinanderreihung von Allgemeinplätzen wettert er gegen „die USA“ und „die Zionisten“ und verteidigt „die Russen“. Da malt der Bob Ross der geschliffenen Worte eine Welt voller schwarz-weiß Bilder. Zwar betont er immer wieder in seinen Reden eben genau das nicht zu sein: ein Anti-Amerikaner – nur um sich dann genau in jenen Tiraden zu verlieren, die ein klischeehaftes Bild der USA als alleiniger Aggressor im Ukraine-Konflikt zeichnen. Die Welt könnte so einfach sein, wenn sie nicht so verdammt kompliziert wäre. Aber einen Jebsen interessiert eben nur eins: sich selbst.

Ken Jebsen ist der Chef im Ring. Er betont, dass er nicht auf der Bühne stehen wolle, aber die braucht er auch nicht. Jebsen ist seine eigene Bühne. Er ist eine explosive Mischung aus Narziss, Intelligenz und Medienerfahrung, Das macht ihn so gefährlich. Er ist auf eigentümliche Weise eloquent, schnell im Kopf und vor allem: skrupellos. Er kann blitzschnell umschwenken und ohne Lücken zu vielen Themen etwas sagen, das sich für unbedarfte Zuhörer richtig anhört. Natürlich bedient er genau die Vorurteile der Menschen, die meinen stets zu kurz gekommen zu sein: zu wenig Aufmerksamkeit, zu wenig Geld oder zu wenig Liebe. Im Grunde hat Ken Jebsen die gleichen Probleme: er will beachtet werden und schreit seine Weltsicht so laut es geht raus – nur interessiert es nicht so viele Menschen. Er ist einer von diesen „das wird man doch wohl noch mal sagen dürfen“ Vertretern vom Schlage eines Thilo Sarrazin. Nur nicht so technokratisch und unsympathisch. Er gibt sich kumpelhaft, glaubt sich aber allen seinen Sympathisanten und vor allem Gegnern haushoch überlegen.

Für die krude Mischung an Friedensfreunden auf den Montagsdemos reicht es allemal. Die Medien berichten alle das gleiche. Kann schon sein, aber warum? Seine Antwort: die Medien werden gesteuert („von den Zionisten“) – eine der ältesten Propaganda-Lügen der Verschwörungstheoretiker, aber immer noch wirksam. Was er wahrscheinlich nicht wissen will: in den meisten Medien herrscht – wie in unserer Gesellschaft – ein gewisser rechts- bis linksliberaler Geist. Verschiedenen Medien kommen daher zu ähnlichen Betrachtungen und Ergebnissen bei der Bewertung von Ereignissen. Dafür braucht es keine ominösen Zionisten, sondern nur den gesunden Menschenverstand. Auf den beruft sich natürlich auch Jebsen. Für ihn werden wir alle für dumm verkauft, aber wer mal ein „richtiges Interview mit Putin“ lesen will, der kann gerne für seine Medien-Webseite ken.fm spenden – dann könnte man sich das leisten. So hat Auftritt natürlich auf was für ihn, den Bob Ross der schwarz-weßen Wort-Gemälde aus recht einfachen Lebensbildern.

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Geschrieben von

siegstyle

Framstags kommt das Frams.

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