Nina Hoss wie Eis

Theater Thomas Ostermeier inszeniert den alten Broadwayklassiker "Die kleinen Füchse" von Lillian Hellman an der Berliner Schaubühne.

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Die Überraschung war groß, als im Mai letzten Jahres bekannt wurde, dass Film- und Theaterstar Nina Hoss mit der Spielzeit 2013/14 an die Berliner Schaubühne wechseln würde. Vor ihr hatte das bereits Ex-DT-Schauspieler Ingo Hülsmann getan, der sich bisher auch wunderbar ins Ostermeier-Ensemble einfügte, u.a. als Orgon in Molières Tartuffe, der Einstand Michael Thalheimers als neuer Schaubühnen-Hausregisseur. Ob das bei Nina Hoss ebenfalls ohne Probleme klappen würde, war nun die große Frage. Und Schaubühnenchef Thomas Ostermeier bereitete der Diva mit seiner neuesten Inszenierung dann auch wahrlich einen würdigen Einstand.

Seit nunmehr gut zehn Jahren bringt der Regisseur immer wieder große Frauenfiguren der Theatergeschichte auf die Bühne. Nora, Hedda oder Lulu sind allesamt starke, hochdramatische und psychologisch vielschichtige Charaktere. Ostermeiers bisherige Schauspiel-Musen hießen Anne Tismer, Katharina Schüttler oder Brigitte Hobmeier. Für die Rolle der Regina Giddens in dem in Deutschland eher weniger bekannten Broadway Klassiker Die kleinen Füchse (The Little Foxes) von der amerikanischen Dramatikerin Lillian Hellmann hat er nun also Nina Hoss besetzt. Ganz angemessen für die Kino- und TV-erprobte Actrice Hoss wurde das 1939 uraufgeführte Drama 1941 mit Bette Davis in der Hauptrolle auch sehr erfolgreich verfilmt. Der Titel geht auf eine Zeile des Hohelied Salomos 2,15 zurück.

http://blog.theater-nachtgedanken.de/wp-content/uploads/2014/01/Schaubühne_Die-kleinen-Füchse.jpgDie Schaubühne am Lehniner Platz - Foto: St. Bock

Die Handlung des Stücks dreht sich um die beiden Südstaaten-Brüder Ben und Oscar Hubbard, die, um mit ihrem Landwirtschaftsbetrieb expandieren zu können, einen Investor benötigen. Doch ihr Eigenkapital reicht nicht aus, um die Verträge mit dem Geschäftsmann William Marshall erfüllen zu können. Ihre ehrgeizige Schwester Regina will ihren ungeliebten Mann und Banker Horace Giddens dazu bringen, die noch benötigten 75.000 Dollar einzubringen. Doch der herzkranke Horace denkt nicht daran, mit seinem Geld einzusteigen, da er den Hubbards nicht traut und seiner Frau die Erträge aus dem Geschäft nicht gönnt. Damit der Deal nicht platzt, schlägt Bens Sohn Leo, der in der Bank von Horace arbeitet, den Brüdern vor, dessen in einer Kassette versteckten Aktien vorübergehend zu stehlen. Die so ausgebootete Regina beginnt nun ein folgenreiches Intrigenspiel, bei der sie ihre Tochter und sogar das Leben ihres Mannes ins Spiel wirft.

Selbst wenn Ostermeier den Einsatz verdoppelt, geht es angesichts der Summen, die die Großen der Finanzwelt verzocken, doch eher um Peanuts. Das scheint in den Augen des Regisseurs auch keinerlei Bedeutung zu haben. Und wenn es auch vorrangig ums Geld geht, interessiert ihn hier scheinbar allein der Antrieb, dieses zu erlangen. Die Gier als der entscheidende menschliche Instinkt, der die Welt am Laufen hält. Und so kreist an der Schaubühne auch fast unaufhörlich die Drehbühne als Welt im Kleinformat. Jan Pappelbaum hat dafür eines seiner gewohnt stylischen Wohnambiente mit lederner Sitzgarnitur, großer Treppenanlage und Esszimmer im Hintergrund auf die Bühne gestellt.

Ostermeier verlegt das Drama in ein nicht näher bestimmtes Heute. Es geht um ein geplantes Auslandsgeschäft, für das die Brüder (David Ruland als Ben und der an die Schaubühne zurückgekehrte Mark Waschke als Oscar) den New Yorker Investor Marshall (Andreas Schröder) gewinnen wollen. Bei einem gemeinsamen Essen umschmeicheln sie den weltmännisch auftretenden Geldgeber. Die beiden Aufsteiger protzen dabei mit scheinbaren Tugenden und reden Marshall nach dem Mund. Regina ist fasziniert von der Glamourwelt New Yorks und setzt nun alles daran, ebenfalls an diesem Geschäft zu profitieren. Nina Hoss gibt ihrer Regina von Beginn an etwas Kaltes, Berechnendes. Sie macht hier keinerlei Entwicklung durch. Auch die anderen Hubbards lassen keinen Zweifel daran, was sie sind. Eine schrecklich nette Familie mit fast schon evolutionär eingeprägten Verhaltensmustern.

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Die kleinen Füchse - Thomas Bading, Nina Hoss, Jenny König, Moritz Gottwald, Mark Waschke, David Ruland

Foto: Arno Declair



Oscar ist der klügere der beiden Brüder, und lässt das den anderen auch spüren. Mark Waschke spielt seine Rolle gelassen, routiniert und ist in diesem kleinen Fernsehspiel durchaus die richtige Besetzung. David Rulands Ben ist tumb, unsensibel, schlägt seine Frau und drängt seinen Sohn zu dem gleichen egoistischen Verhalten. Moritz Gottwald, als dessen Sohn Leo, ist dann auch ein ziemlich arroganter, von sich selbst überzeugter Karrierist, der es in der Bank aber noch nicht allzu weit gebracht hat. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Gottwald ergeht sich hier aber mindestens einmal zu viel in seiner aufgeregten Hibbeligkeit. Er muss ständig überdreht kreischen und mit dem Smartphone rumspielen. Sein Mutter Birdie hat die lieblose Beziehung zu ihrem Mann psychisch zerstört. Sie sucht Trost im Alkohol und der Kunst. Eine Blanche DuBois oder Vee Talbot im Geiste. Einzig das Klavierspiel und ihre Liebe zu Reginas Tochter Alexandra (Iris Becher) vermag sie noch am Leben zu halten. In einem wunderbaren Abrechnungsmonolog lässt Ursina Lardi hier den ganzen Frust der Gepeinigten raus.

Ansonsten herrscht Eiseskälte. Die „kleinen Füchse“ umlauern sich und warten auf einen Fehler des anderen, der die eigenen Chancen wieder steigen lässt. Wer zu schnell aus der Deckung kommt, riskiert den Kürzeren zu ziehen. Auch wenn Thomas Badings Banker Horace Giddence mit etwas mehr Moral ausgestattet zu sein scheint - mit dieser Ruhe, die er hier ausstrahlt, wird man selbst mit Herzfehler heute in keiner Bank mehr nach oben kommen. Da hat es Nina Hoss nicht besonders schwer zu brillieren. Der Plot erscheint wie auf sie zugeschnitten. Zu den Motivationen ihrer Regina, außer dem unbedingten Willen zum gesellschaftlichen Aufstieg, hätte man gern mehr erfahren. Eine Frau ohne besondere Eigenschaften, ohne Liebe, völlig von Eigeninteressen getrieben. Den Sieg, den Regina schließlich durch Erpressung ihrer Brüder erringt, scheint viel zu leicht, ist er doch umso schwerer erkauft.

Eine tief resignative Sicht, die Ostermeier hier kommentarlos offenlegt. Nach gesellschaftlichen Bezügen und Hintergründen sucht man vergeblich. Gestrichen. Seine Figurenzeichnung ist auch viel zu holzschnittartig. Er zeigt nur Typen, keine echten Charaktere. Das böse, psychologische Spiel, die Lust am Verletzen, was Ostermeier schon wesentlich besser in Szene setzen konnte, es fehlt hier völlig. Allein in den düster kammerspielartigen Szenen zwischen Regina und Horace blitzt dieses Können kurz mal auf. Die gegenseitigen Verletzungen scheinen wesentlich tiefer zu liegen als erahnt. Alles in allem ist das sauber inszeniert, aber ohne wirkliche Aha-Effekte. Es fehlt dem Stück die Radikalität, die frühere Ostermeier-Inszenierungen ausmachte. Zu glatt, zu folgenlos und musikalisch aufgepeppt auf Mainstream getrimmt. Man kann das goutieren, was die meisten wohl auch tun werden. Sicher ist der Inszenierung wohl auch der Erfolg auf Gastspielen außerhalb Deutschlands. Etwas mehr kann man von dem vorab vielgerühmten neuen Dream Team Ostermeier-Hoss dann aber schon erwarten.

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Zuerst erschienen am 25. Januar 2014 auf Kultura-Extra.

Die kleinen Füchse - The Little Foxes (20.01.2014, Schaubühne am Lehniner Platz)

von Lillian Hellman

Deutsch von Bernd Samland
Fassung für die Schaubühne von Thomas Ostermeier und Florian Borchmeyer

Regie Thomas Ostermeier
Bühne Jan Pappelbaum
Kostüme Dagmar Fabisch
Musik Malte Beckenbach
Dramaturgie Florian Borchmeyer
Licht Urs Schönebaum

Mit: Ursina Lardi, David Ruland, Moritz Gottwald, Nina Hoss, Andreas Schröders, Mark Waschke, Iris Becher, Thomas Bading, Jenny König
Dauer: 2 Stunden 10 Minuten, keine Pause

Premiere war am 18.01.2014

Weitere Termine: 16.02. / 18.02. / 19.02. / 20.02.2014

Weitere Infos: http://www.schaubuehne.de/de/produktionen/die-kleinen-fuechse-the-little-foxes.html/m=221

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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