PRISM und die Digitale Transparenz

Digitale Observanz Der GCHQ lässt Festplatten zerstören, aber das ändert nichts.

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Obiges Bild habe ich dem britischen Guardian entnommen. Es zeigt die Reste eines Apple MacBooks, welches nach Angaben des Guardian-Chefredakteurs Alan Rusbridger in der Anwesenheit von Agenten des britischen Geheimdienstes GCHQ und auf deren Druck hin von Mitarbeitern der Zeitung zerstört wurde. Der Rechner enthielt geleakte Daten des Whistleblowers Edward Snowden, mit dem der Guardian in enger Verbindung steht.

Natürlich weiß der GCHQ, dass damit sachlich nichts gewonnen ist, da der Guardian Snowdens Daten längst mehrfach anderswo (u. a. in Brasilien) gesichert hat. Es handelte sich also um eine symbolische Maßnahme. Man könnte auch von Einschüchterung sprechen, ganz sicher aber von Behinderung der freien Meinungsäußerung durch eine britische Regierungsbehörde.

Das Bild zeigt aber noch etwas anderes (wenn auch nur implizit): Die Macht- und Hilflosigkeit der Geheimdienste (Alte Welt) angesichts der Digitalen Revolution (Neue Welt). Denn geleakte Daten sind ja per definitionem überall und nirgends: sie sind "in der Cloud", "im Netz", "online" - alles Redewendungen, die noch in den 1980er Jahren die wenigsten Menschen verstanden hätten. Nun ist der Geist aus der Flasche - und die Anhänger der Alten Welt versuchen verzweifelt, ihn mit untauglichen Achtzigerjahremethoden wieder dorthin zurückzustopfen.

Es handelt sich ganz offenbar um ein Rückzugsgefecht, denn Digitale Transparenz ist nicht reversibel. Sie kann nicht mundtot gemacht werden, weil ihr ein solcher fehlt. Der beste, wenn auch indirekte, Beleg dafür ist die panische Angst der chinesischen Machthaber vor ihr (Stichwort Great Firewall of China) - denn Digitale Transparenz würde die Grundlagen ihrer Herrschaft zerstören. Das Problem ist nämlich: Das Internet ist die vermutlich erste Maschine, die sich einfach nicht mehr abschalten lässt (ausgenommen durch kosmische Katastrophen oder Sabotage-Akte von einem Ausmaß, bei dem Mohammed Atta vor Neid noch blasser werden würde).

Aber vielleicht lässt sich Digitale Transparenz ja ganz langsam und qualvoll strangulieren? Nicht durch kindlich-trotzige Hardware-Attacken wie oben natürlich, aber vielleicht durch immer neue, fein aufeinander abgestimmte juristische Restriktionen im Namen des Datenschutzes, des Schutzes vor Kinderpornografie, vor Pornografie überhaupt, vor Spam-Mails, unseriöser Geschäftemacherei, Glücksspiel?

Die Älteren unter uns werden sich erinnern: Auch in den internet-freien 1980er Jahren soll es schon böse Menschen gegeben haben (sogar Kinderschänder, munkelt man), es soll Sex-Kinos gegeben haben, Spielbanken, Pferdewetten! Ja ja, die alten Zeiten waren auch nich so doll... aber sicher viel besser als heute, wo das böse, kalte Internet dem Laster, dem Verbrechen und der gewerblichen Unzucht einen beispiellosen Aufschwung verschafft hat!

Speziell Kinderschänderei muss geradezu zum Volkssport geworden sein, so präsent ist sie plötzlich allenthalben. Schuld daran kann ja wohl nur "das Internet" haben. Hat ja auch Frau zu Guttenberg dereinst im Fernsehen gesagt. Und die ist immerhin mit dem (dereinst) beliebtesten Politiker Deutschlands verheiratet, also muss es stimmen.

Das kann nur heißen: Weg mit dem freien Internet! Es führt uns in die Barbarei, es stiftet uns an zu massenhafter Pädophilie, es untergräbt die dringend notwendige Autorität unserer Geheimdienste (die ihre beispiellosen Fähigkeiten ja gerade erst wieder bei der rücksichtslosen Verfolgung des NS-Untergrundes so brillant unter Beweis gestellt haben)!

Es ist doch einfach kein Zustand, dass jetzt jeder Schwachmat vor sich hinbloggen kann, wie ihm der krumme Schnabel gewachsen ist, ohne passive Filter, ohne zwischengeschaltete Redaktion, einfach so. Wo kommen wir denn da hin? "Ich finde das völlig unerträglich", hätte Helmut Kohl gesagt.

Wenn das so weitergeht, leben wir am Ende in einer Demokratie! Na dann Gute Nacht, armes Deutschland! Wie man der Seuche der Digitalen Transparenz angemessen begegnet, machen Großbritannien (seit Kurzem, noch suboptimal) und China (seit Längerem, vieel besser!) vor, woran sich Deutschland ein Beispiel nehmen sollte!

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Hetzel

Bürger, Publizist, Komponist (autonom, aber vernetzt)

Stefan Hetzel

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