„Die Lautesten sind nicht die Mehrheit“

Interview Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow spricht über seine westdeutsche Vergangenheit, die ostdeutsche Gegenwart und gesamtdeutsche Herausforderungen
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Stefan Krabbes: Herr Ramelow, vor 30 Jahren sind Sie nach Thüringen gekommen. Nehmen Sie sich als ostdeutsch wahr?

Bodo Ramelow: Ich bin Thüringer. Aber ich habe eine Biografie, die eingeostdeutscht ist. Nicht meine persönliche, sondern die meines Vaters. Er wurde in Salzwedel geboren, und dass es Verwandte im Osten gibt, war mein ganzes Leben lang ein Tabu in unserer Familie. Darüber ist nicht geredet worden. Mitte der 1980er Jahre haben wir angefangen, unsere Halbgeschwister zu suchen. Meine Mutter war darüber nicht sehr amüsiert. Als sie aber verstarb, haben wir Geschwister – von uns aus – wieder angefangen zu suchen. Darüber habe ich einen Kontakt in die Altmark bekommen und den einen Bruder kennengelernt. Den anderen nicht. Den habe ich da