Misstrauen hilft

Backnang Es ist nicht bloß verständlich, dass Türken an die rechten Brandanschläge von Solingen und Mölln erinnern. Es ist notwendig
Ausgabe 11/2013
Misstrauen hilft

Foto: Fabrizio Bensch / AFP / Getty

Verbrennen in Deutschland Menschen, ist das eine Tragödie. Und es ist eine Warnung. Wer auch immer für das Feuer in Backnang verantwortlich ist: Sieben Kinder und ihre türkischstämmige Mutter sind tot. Es ist daher nicht nur verständlich, wenn Türken an die rechten Brandanschläge von Solingen und Mölln erinnern. Es ist notwendig.

Die deutsche Gesellschaft mag in den vergangenen Jahren offener geworden sein. In den deutschen Behörden ist davon bisher nicht viel angekommen: Zuerst verpanzerten Verfassungsschützer und Polizisten ihre Wahrnehmung jahrelang gegen das Treiben von Rechtsterroristen. Dann machten sie mit ihren Akten-Reißwölfen die Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zur Farce und signalisierten, dass ihnen Opfer und Angehörige mit Migrationshintergrund letztlich egal sind. Und nun verweigert der zuständige Richter im NSU-Prozess dem türkischen Botschafter sogar einen reservierten Stuhl in seinem viel zu kleinen Gerichtssaal.

Es waren falsche Schlüsse, und es sind falsche Gesten, die berechtigtes Misstrauen gegenüber der angeblichen Neutralität und Professionalität deutscher Amtsträger schüren.

Bundespräsident Joachim Gauck hat die Mitglieder des NSU-Ausschusses empfangen, ebenso die Angehörigen der Opfer. Doch er war es, der an den Worten seines wenigstens in dieser Hinsicht eindeutigen Vorgängers rüttelte. Der hatte gesagt: Der Islam gehört zu Deutschland. Gauck zweifelte öffentlich, ob das denn wahr sei.

Damit bestärkt und verkörpert er wie kein anderer eine Haltung des Lavierens, die sich in Deutschlands Amtsstuben ausgebreitet hat: Haarspalterei und Hadern mit der Realität verwechseln Ermittler, Richter und andere Beamte inzwischen zu oft mit abwägendem Vorgehen im Sinne der Bürger. Dabei ist jetzt ein Liberalisierungsschub notwendig – nicht nur des Rechts selbst, sondern auch der Praxis deutscher Behörden. Deutsche, Türken und Deutsch-Türken dürfen die Staatsdiener damit nicht allein lassen. Sie müssen misstrauisch bleiben, sich einmischen, warnen, treiben. Alles andere wäre für uns alle viel zu gefährlich.

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