Russland auf Abwegen

Rückentwicklung Seit 1991 gibt es die UdSSR nicht mehr. Doch seit Perestroika und Glasnost hat sich in Russland wieder viel verändert, und das nicht nur zum Guten.

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Vladimir Putin zeigt sich in der Öffentlichkeit gerne als Vorzeige-Russe. Er raucht nicht, er trinkt nicht, und des Öfteren tauchen Pressefotos auf, die ihn meist mit nacktem Oberkörper und bei einer sehr männlichen Tätigkeit, bspw. der Jagd, zeigen. Ich bin sicher, wenn er gerade mal kein Gewehr zur Hand hat, erlegt er Bären auch mit bloßen Händen.

Mehr Schein als Sein

Besonders gelobt wurde er in letzter Zeit dafür, dass er Edward Snowden Asyl gewährt hat. Diese Aktion rückte ihn, und damit Russland selbst, im öffentlichen Weltbild in ein positiveres Licht. Denn allein anhand dieser Informationen könnte man die Regierung Russlands durchaus als positiv empfinden, besonders da sie als Gegenpart zu den momentan eher unbeliebten USA auftreten. Wenn man das kreierte Öffentlichkeitsbild von Putin dazu noch als leicht übertriebene Propaganda abtut, ist das Bild perfekt.

Doch hinter den Kulissen sieht es in Russland momentan alles andere als rosig aus. Leider scheint dies nur in kleinere Dosen zu uns durchzudringen. Denn Fakt ist: Durch mehr und mehr Verbote und Einschränkungen entwickelt sich Russland momentan zu einem totalitären Staat zurück, ohne, dass es die meisten zu merken scheinen.

Auf den ersten Blick wirkt alles gut

Beispiele dafür finden sich in der aktuellen Gesetzgebung der russischen Regierung. Viele davon scheinen dabei vernünftig und hilfreich zu sein. Doch auch wenn der Staat mit besten Absichten handeln sollte, muss man diese Handlungen doch hinterfragen.

Als erstes Beispiel sollen hier die verschärften Alkoholgesetze dienen. Solche Gesetze wären in Deutschland (noch) undenkbar, bspw. ein Verkaufsverbot von Alkohol (inklusive Bier) zwischen 23 und 8 Uhr. Wenn die Deutschen bei einem potentiellen "Veggie-Day" bereits so einen Aufschrei veranstalten, käme es beim Verbot von Bier nachts und morgens sicherlich zu Massedemonstrationen. Fleisch essen und Bier saufen sind uns anscheinend deutlich wichtiger als Privatsphäre und Freiheit. Aber ich schweife ab.

Dieses Gesetz scheint streng, aber notwendig, da das Land mit 16 Litern reinen Alkohol pro Kopf an der Spitze des weltweiten Verbrauchs steht. Doch hier fangen die Fragen an: Bis wann ist eine Beschneidung der Freiheit gerechtfertigt? Wie viel darf man dem Bürger wirklich verbieten? Macht es überhaupt Sinn, einfach zu verbieten, anstatt bspw. aufzuklären? Hört ein Alkoholiker auf zu trinken, weil er nicht mehr von 23 bis 8 Uhr saufen darf? Oder werden Methoden gefunden, dass Gesetz zu umgehen, bspw. indem man Wodka vermietet? Im Fall Alkohol scheiden sich dort natürlich die Geister, und das zu Recht.

Genauso ist es mit dem nächsten Beispiel: den neuen Rauchergesetzen. Auch hier ein heikles Thema, besonders "neutral" darüber zu schreiben fällt schwer, da ich selbst Raucher bin (und mir gerade auffällt, dass ich lange keine Raucherpause mehr gemacht habe. Bin gleich zurück!).

Aber ernsthaft: selbst unter objektiver Betrachtung, sind bestimmte Aspekte dieser Gesetzgebung sehr positiv. Ich persönlich unterstütze das Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern und Schulen, am Arbeitsplatz und in Restaurants, und viele Raucher teilen diese Meinung. Aber andere Aspekte sollte schon zu denken geben: Rauchverbot auch im Umkreis von 15 Metern zum Eingang von öffentlichen Gebäuden? Verkaufsverbot von Tabakwaren im Umkreis von 100 Metern von Bildungseinrichtungen? Auch hier wieder ein schwieriges Thema, natürlich kann man da gespaltener Meinung sein.

Mit Vollgas in den Abgrund

Bei den o.g. Beispielen darf zu recht diskutiert werden, besonders unter dem Gesichtspunkt, dass eine Unterstützung bei der Aufklärung nachgewiesen mehr Vorteile bring als schlichte Verbote. Doch dann kam ein Gesetz, dass den Bogen definitiv überspannt: Homosexuelle dürfen müssen nun öffentlich diskriminiert werden. Die Regenbogenflagge als Zeichen der Homosexuellen wurde verboten, es darf in den Medien nicht mehr positiv über sie berichtet werden, ja selbst eine neutrale Berichterstattung ist verboten.

Mein Kiefer hat sich mit Lichtgeschwindigkeit Richtung Boden bewegt, als ich das gelesen habe. Wie können solche Gesetze in einer Demokratie möglich sein? Das Bild der Demokratie wurde in den letzten Wochen und Monaten immer und immer wieder getreten, geschlagen und teilweise eingerissen. Doch diese Neuigkeit hat mir (erneut) einen heftigen Schlag versetzt. Wir wissen, dass Diskriminierung dieser Art (und noch schärfer) in vielen Ländern zum Alltag gehört. In den USA ist Homosexuellen der Zugang zur Ehe untersagt, in Deutschland ist die "eingetragene Lebenspartnerschaft" der Ehe gesetzlich nicht gleichgestellt. Dies Ungerechtigkeiten sind bereits schlimm genug, und man stellt sich die Frage: Wann werden bei uns die ersten Gesetze zur Diskriminierung von Minderheiten nach Russlands Vorbild durchgesetzt?

Diese Rückentwicklung von demokratischen, freiheitlichen Staaten ist sehr beängstigend, sei es nun die Aushöhlung der Grundrechte durch Totalüberwachung oder das öffentliche Diskriminieren von Minderheiten. Fakt ist: Die Zeichen häufen sich und wir sollten sie ernst nehmen. Wir müssen es schaffen, unsere leidenschaftslose und gleichgültige Haltung abzuschütteln, damit wir etwas ändern können, bevor es zu spät ist. In Russland etwas zu bewirken ist sicherlich sehr schwierig für uns, aber es wäre ein guter Anfang, wenn wir den Dreck vor unserer eigenen Haustür wegkehren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Steve König

Männlich, 24 sucht Demokratie zum zusammen alt werden. Ernsthafte Absichten sind ein Muss.

Steve König

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