Auf dem Weg zu neuen Ufern

Neonazis Die rechtsradikale Partei „Goldene Morgenröte“ (Chrysi Avgi) hat starke Ambitionen, sich weltweit der griechischen Diaspora zu bemächtigen
Ausgabe 18/2013
Auf dem Weg zu neuen Ufern

Foto: Sakis Mitrolidis/ AFP/ Getty Images

Diese Partei fühlt sich durch ihren rasanten Aufstieg mehr als nur ermutigt. Also streckt sie ihre Fühler auch ins Ausland aus, so dass die Befürchtung nicht übertrieben klingt, die Partei der Goldenen Morgenröte (Chrysi Avgi) könnte eines Tages ihr Versprechen wahrmachen, „Zellen in jedem Winkel der Erde“ zu haben. Mittlerweile gibt es Büros in Deutschland, Australien, Kanada und den USA. Von den vorzüglichen Kontakten zu britischen Neonazis ganz zu schweigen. Letzten Umfragen zufolge bleibt Chrysi Avgi die drittstärkste politische Kraft in Griechenland. Bei den beiden Parlamentswahlen im Vorjahr wurden zunächst 21 und dann 18 Mandate errungen – derzeit gehen die Demoskopen des Athener Instituts Public Issue von einem Zwölf-Prozent-Stimmenanteil aus.

Die Partei, deren Logo einem Hakenkreuz ähnelt, wirbt für sich mit dem Versprechen, es einem „verrotteten Establishment“ zeigen zu wollen und dabei von reichen Reedern unterstützt zu werden. Bald sollte es im Ausland – so Parteisprecher Ilias Kasidiaris – überall dort Niederlassungen geben, wo Griechen leben. „Die Leute haben verstanden, dass Chrysi Avgi die Wahrheit sagt. Demnächst eröffnen Abgeordnete unserer Parlamentsfraktion eine lokale Sektion in Melbourne.“

Prominente Mitglieder aus der griechischen Diaspora entrüsten sich über diese Expansion. „Wir können nichts Goldenes in dieser Morgenröte erkennen“, sagt in New York Alex Karloutsos, einer der Frontmänner der Griechen-Community in den USA. „Nationalismus, Faschismus und Fremdenfeindlichkeit gehören nicht zu unserem geistig-kulturellen Erbe.“

Paneuropäische Allianz

Chrysi Avgi hofft, aus der tiefen Wut, die auch viele Auslandsgriechen nach drei Krisen-Jahren in ihrem Heimatland empfinden, Kapital zu schlagen. „Diese Partei hat schon immer ein Auge auf das Ausland geworfen“, sagt Dimitris Psarras, dessen Schwarzbuch Chrysi Avgi die Geschichte der Partei seit deren Gründung durch Nikos Michaloliakos nachzeichnet – einem Parteigänger der antikommunistischen Militärdiktatur von 1967 bis 1974. „Gleichgesinnte in Westeuropa haben Chrysi Avgi ideologisch und manchmal auch finanziell alimentiert. Nachdem die Partei den Nazismus jahrelang importiert hat, will sie ihn nun exportieren.“ Es gehe auch darum, so Psarras, Wähler zu gewinnen, sollten die Auslandsgriechen jemals in ihrem Herkunftsland wählen dürfen. Man solle das nicht unterschätzen, gäbe es doch gut sieben Millionen Diaspora-Griechen. „Chrysi Avgi will nicht nur zum zentralen Pol einer paneuropäischen Neonazi-Allianz werden, sie will weltweiten Einfluss gewinnen. Mitglieder der Partei treffen sich regelmäßig mit Neonazis aus Deutschland, Italien und Rumänien.“

Bei der erstrebten Internationalisierung von Chrysi Avgi bleiben auch die Einwanderungsländer USA und Kanada nicht verschont, die nach dem Bürgerkrieg (1946 – 1949) Zehntausende Griechen aufgenommen haben. Als im Oktober 2012 eine Art kanadischer Landesverband entstand, wurde der öffentlich als „Schandfleck“ geächtet. Und das, obwohl der Vater des Profi-Wettläufers Nicolas Macrozonaris zum Vorsitzenden auserkoren war. Intoleranz, die in Griechenland zu rassistischer Gewalt führe, verdiene keinen Platz in einem Land, das stolz auf liberale Werte sei, hieß es. „Diese Ideologie spricht die hiesige Diaspora nicht an“, meint der griechisch-orthodoxe Priester Lambros Kamperidis in Montreal. „Wir bekamen es alle mit der Angst zu tun, als wir sahen, dass Chrysi Avgi eine Pressekonferenz abhalten wollte. Aber dieser Auftritt war einfach nur erbärmlich und wurde von den Vorsitzenden der griechischen Gemeinden verurteilt. In Kanada sind wir alle Einwanderer. Wenn Chrysi Avgi glaubt, ausgerechnet hier Sympathisanten zu finden, zeigt das nur, wie wenig diese Partei Kanada kennt.“

Brisante Lage

Unbeirrt von diesem Widerstand versuchen die Extremisten zu expandieren, und erklären, als Nächstes sei Toronto an der Reihe. Zudem werde man in den USA Fuß fassen. Dort haben drei Millionen Menschen griechische Wurzeln, eine größere Diaspora als irgendwo sonst. Erst agierten Chrysi-Avgi-Kader undercover und versuchten sich mit Wohltätigkeitsbasaren, ohne ihre Gesinnung preiszugeben. Dann tauchten im New Yorker Vorort Astoria Plakate auf, und es gab plötzlich ein Chrysi-Avgi-Büro. Obwohl griechisch-stämmige Amerikaner oft auf Tuchfühlung mit der alten Heimat bedacht sind, wehrte sich diese Community sofort dagegen, von einer solchen Expansion vereinnahmt zu werden. Was bleibe da vom Vermächtnis eines Volkes, das während des Zweiten Weltkriegs eines der brutalsten Besatzungsregime in Europa ertragen musste? „Wir werden diese Leute nie in unserer Community akzeptieren. Ihre Ansichten sind uns fremd und haben mit der Art, wie wir leben, nichts gemein“, sagt Nikos Mouyiaris, Mitbegründer des in Chicago ansässigen Hellenic American Leadership Council (HALC).

Die Opfer häufiger Verfolgung durch den Ku-Klux-Klan wie auch einer allgemeinen Diskriminierung – in den zwanziger Jahren konnte man in Florida an Restaurants Schilder mit der Aufschrift „Für Hunde und Griechen verboten“ lesen – erinnern sich mit Stolz daran, dass sie zu den ethnischen Minderheiten in den USA zählen, die von sich aus zur Bürgerrechtsbewegung stießen. Ihr geistlicher Führer Erzbischof Iakovos hatte einst den Mut, direkt neben Martin Luther King zu demonstrieren.

Viele in der griechischen Community teilen die Ansicht des HALC-Vorsitzenden Endy Zemenides, die Partei Chrysi Avgi täusche sich, wenn sie glaube, dauerhaft eine Rolle zu spielen, weil sie im Schatten der Wirtschaftskrise an Popularität gewonnen habe. „In Wirklichkeit ist sie ein Produkt der gescheiterten Sparmaßnahmen und sozialen Verwerfungen, die diese verursacht haben.“ Doch sollte man sich vor Selbstgefälligkeit hüten. Der britische Historiker Mark Mazower befand jüngst, es sei gefährlich, eine Partei zu unterschätzen, die in solch bestürzender Weise Gewalt anwende. „Leider scheint der griechische Staat absolut nicht zu begreifen, wie brisant die Lage ist“, sagte er bei einem Vortrag in Athen.

Dimitris Psarras, der Chrysi Avgi seit 30 Jahren beobachtet, stimmt dem zu. Seit der Lebensstandard beständig sinke, eröffneten die Faschisten ihre Büros in traditionell gutbürgerlichen Gegenden. Man könne die Tatsache nicht ignorieren, dass die Partei, die 2009 noch ein Nichts gewesen sei und bei Wahlen weniger als einen Prozent erhielt, heute globale Ambitionen hege. „Wenn Sie 2009 gesagt hätten, dass die Goldene Morgenröte einmal zur drittstärksten Kraft in Griechenland wird, hätte man Sie für verrückt erklärt. Und nun sehen Sie sich an, wo diese Leute heute stehen.“

Helena Smith ist Griechenland-Korrespondentin des Guardian

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Helena Smith | The Guardian

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