Biete: Kirche mit Küchenzeile

Heiliges Häuschen In Italien haben Makler das Geschäft mit einer neuartigen Immobilie entdeckt: Kirchen und Kapellen sind zu begehrten Wohnorten geworden. Und der Vatikan? Is not amused

Italiens tausende Kirchen, Kapellen und Klöster gaben über Jahrhunderte hinweg die Kulisse für eine durch und durch katholische Gesellschaft ab. Aber in einer Welt, in der immer weniger beten, dagegen immer mehr Leute ein eigenes Zuhause wollen, tauchen auch heilige Orte in den Schaufenstern der Büros von Immobilienmaklern auf und werden dort als Wohn-, Arbeits- und sogar Verkaufsräume angepriesen.

Der Online-Immobilien-Makler immobiliare.it hatte am Mittwoch vergangener Woche nach eigenen Angaben 50 heilige Schnäppchen im Angebot, von abgelegenen Kapellen im Grünen bis hin zu einem exklusiven barocken Anwesen im Zentrum von Asti, komplett mit neuen Böden.

„Viele Italiener haben noch ein wenig Angst vor dem Leben in einer Kirche, aber immer mehr überwinden diese Skrupel, allen voran Künstler und Architekten“, sagt der Immobilienmakler Maurizio Manuzzi, der in der Nähe von Lucca eine Kapelle verkauft, die im Jahr 1050 erbaut wurde und nun „komplett saniert“ ist. Das Gebäude verfügt über vier Schlafzimmer, bietet Platz für einen Pool und kostet eine knappe Million Euro.

Es wird kaum jemanden überraschen, dass der Vatikan über diese Entwicklung überhaupt nicht glücklich ist. „Eine Kirche zu kaufen und aus ihr ein Wohnhaus, ein Geschäft oder ein Restaurant zu machen, ist unvereinbar mit dem Respekt, der solchen altehrwürdigen Orten entgegengebracht werden sollten, insbesondere in einem Land mit uralten christlichen Wurzeln wie Italien“, sagte Kardinal Giovanni Battista Re, der Vorsitzende der Bischofskongregation gegenüber der Zeitung La Stampa.

Aber diejenigen, deren Interessen mehr kommerzieller als spiritueller Natur sind, sehen in dem Trend eine große Gelegenheit. Immobiliare.it wendet sich an potentielle Kunden, mit den Worten: „Haben Sie jemals daran gedacht, eine Kirche zu kaufen?“ Die Seite, die von 8.000 Immobilienmaklern benutzt wird, führt ein 170 Quadratmeter großes Anwesen in Florenz „bereits mit einer Küchenecke“ für 780.000 Euro auf. Oder wie wäre es mit einer renovierungsbedürftigen Kirche etwas weiter südlich in Salerno für 90.000 Euro? Eine im Jahr 850 erbaute Kirche in der Nähe von Pisa wartet auf die Genehmigung für einen Garagenanbau und wird für 1,65 Millionen Euro gehandelt.

„Das hier ist ein Nischenmarkt, der von der Krise nicht tangiert wird“, sagt Makler Manuzzi. Der Trend ist auf den Rückgang der organisierten Religiosität zurückzuführen, der in ganz Europa schon seit Jahrzehnten zu beobachten ist. Auch in Italien sinkt die Zahl der Kirchenbesucher. Die Zahl der über Sechsjährigen, die einmal die Woche in die Kirche gehen, hat dort zwischen 2001 und 2007 um eine Million abgenommen und liegt jetzt etwa bei einem Drittel der Bevölkerung.

Carlo Giordano, Chef von immobiliare.it sagt, dass die meisten der Immobilien sich ursprünglich in Privatbesitz befunden hätten, typischerweise Familienkapellen mit dazugehörigem Grundstück. Eine Ausnahme stellt hier die Barock-Juwele in Asti dar, die laut Prospekt einen „Hauch von Rokoko“ atmet. Der Verkäufer, der anonym bleiben will, sagt, die Kirche sei aufgrund einer kirchlichen Anweisung im Jahr 1950 entweiht worden. „Meine Familie hat sie vor 18 Jahren gekauft, damals war hier alles voller Tauben und Wasser drang ein, heute gibt es eine Heizung und anständige Fußböden.“

Wer etwas Größeres sucht, kann sich bei italienischen Immobilienmaklern auch nach früheren Kapuzinerklöstern erkundigen. Die Anzahl der Klöster ist von 5.500 in den 1960ern auf unter 2.500 im Jahr 2007 gesunken. Der Orden muss Gebäude aufgeben, die über Jahrhunderte hinweg genutzt wurden. Allein zwischen 2003 und 2007 wurden 33 zum Verkauf angeboten. Heute werden sie als Wohnungen, Büros und Hotels genutzt.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Tom Kington, The Guardian | The Guardian

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