Es handelt sich um die Sorte von Geheimnissen, die man sonst nur seinen allerbesten Freunden anvertraut. „Gestern Nacht war ich mit meiner Cousine und ihrer Freundin im Bett.“ „Mein Onkel hat mir erzählt, er sei einmal mit meiner Mutter zusammen gewesen. Nun frage ich mich, ob er mein Vater ist.“ Der Unterschied bei diesen Geheimnissen besteht darin, dass dank des neuesten Internet-Hype-im-Hype Secret Tweet tausende von ihnen online gelesen werden können.
Es handelt sich um eine Art Online-Beichte, bei der man anonym mit weniger als 134 Zeichen (sogar noch weniger als normale Tweets) die bizarrsten, abgründigsten Geheimnisse über sich, sein Sexualleben, seine Drogenabhängigkeit, sein Verlangen nach Big Macs preisgeben kann. Die Palette der Offenbarungen reicht von bitter und tieftraurig bis hin zu saukomisch.
„Meine Frau möchte wissen, warum ich so launisch bin. Meine geheime Geliebte ist an Krebs gestorben. Wir waren zwanzig Jahre zusammen. Ich fühle mich so allein.“
„Ich habe meinem Vater, der mir in Wahrheit völlig fremd ist, gesagt, dass ich ihn liebe, damit er mir ein Auto kauft.“ „Ich arbeite als Illustrator, kann aber überhaupt nicht zeichnen. Ich muss ständig alles nachzeichnen.“
Ich habe ein paar Geheimnis-Tweets geschrieben und fand es sehr wohltuend. Man offenbart Fremden seine schlimmsten Geheimnisse und fühlt sich danach irgendwie besser – gereinigt und geläutert.
Erfunden wurde Secret Tweet von Kevin Smith, einem 21-jährigen Grafikdesigner aus Virginia. Er fing damit an, um sich und seine Freunde damit zu unterhalten. Nun lesen tausende die anonymen Bekenntnisse und twittern selbst welche. Die Seite bemüht sich sehr darum, dafür zu sorgen, dass die Verfasser anonym bleiben und löscht die wirklich anstößigen und verstörenden Bemerkungen. Smith verdient dabei nicht wirklich etwas, möchte aber weitermachen, „solange es mir Freunde macht“.
Das klingt sehr bescheiden. Dabei könnte Secret Tweet sich zu einer neuen Art von Therapie für das 21. Jahrhundert entwickeln. Der Suchtfaktor ist jedenfalls enorm. Während ich diese Zeilen hier schreibe, twittert jemand: „So sehr ich meinen Vater auch vermisse, frage ich mich doch, ob das Leben ohne ihn nicht schöner ist.“
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