Die fetten Jahre sind vorbei

Frankreich François Hollandes Reichensteuer erfreut sich in der Bevölkerung großer Beliebtheit. Auch Britanniens Premier Cameron findet Gefallen daran, jedoch aus anderen Gründen
David Cameron (l.) würde Präsident Hollande einige der französischen Reichen gern abnehmen
David Cameron (l.) würde Präsident Hollande einige der französischen Reichen gern abnehmen

Foto: Christoph ENA / AFP / Getty Images

Die Franzosen sprechen nicht von Sparmaßnahmen oder von Härte. Stattdessen werden die Steuererhöhungspläne für Superreiche und Unternehmen, mit denen 7,2 Milliarden Euro eingenommen werden sollen, als faire Bemühung um die Konsolidierung des Staatshaushaltes verbucht. Man muss François Hollande und seinem Premier Jean-Marc Ayrault zugestehen, dass sie genau das tun, was sie den Franzosen vor der Wahl versprochen haben.

Und was sie vorhaben, findet große Zustimmung. Maßnahmen wie die Erhöhung der Einkommensteuer auf 75 Prozent für Leute, die mehr als eine Million Euro im Jahr verdienen, erhalten Zustimmungsraten von 76 Prozent und selbst von denen, die bei den jüngsten Wahlen für Nicolas Sarkozys UMP gestimmt haben, sind noch 49 Prozent dafür. Ähnlich beliebt sind auch die anderen Maßnahmen, die Hollande angekündigt hat – wie die Kürzung seines eigenen Gehalts, die Einführung einer Obergrenze für Chefs von Staatsunternehmen oder die Schaffung von 60.000 neuen Arbeitsplätzen im Bildungsbereich.

David Cameron hat Großbritannien bereits als Oase für französische Steuerflüchtlinge in Position gebracht, denen er den roten Teppich ausrollen werde.

Als Hollande erstmals von der 75 Prozent-Steuer sprach, brachte die Tageszeitung Les Echos eine Reportage darüber, ob es zu einem Exodus der Reichen kommen würde, dazu gab es Bilder von South Kensington und eines startbereiten Learjets. In Großbritannien weicht die öffentliche Meinung in Bezug auf dieses Thema nur geringfügig von der in Frankreich ab. In einer Zeit, in der reich zu werden wenig bis gar nichts mit der Schaffung von gesellschaftlichem Wohlstand und Arbeitsplätzen zu tun hat, gelten die Reichen auch auf den Inseln als die ultimativen Selbstversorger. Ein Erfolg Hollandes würde die wahren Loyalitäten und das Versagen gleich mehrerer britischer Premierminister offenlegen.

Durchsuchung bei Sarkozy

Bei dem in dieser Woche in Frankreich beschlossenen Nachtrag ging es lediglich um Zusätze und Korrekturen eines von Nicolas Sarkozy bereits weitgehend festgelegten Haushalts. Die größeren Veränderungen bei der Steuer kommen im nächsten Jahr.

Gleiches gilt auch für die Ausgabenkürzungen. Hollande hat versprochen, mehr Lehrer einzustellen und gleichzeitig die öffentlichen Ausgaben insgesamt einzufrieren. In Anbetracht eines Schuldenlochs von 40 Milliarden Euro, das in den kommenden zwei Jahren geschlossen werden muss, werden drastische Kürzungen nicht zu vermeiden sein. Welche Ministerien davon betroffen sein werden, will die Regierung nicht sagen.

Aber in dieser Woche ging es in Paris auch um Symbole. Ein anderes Zeichen dafür, dass und wie die Zeiten sich geändert haben, war die Durchsuchung von Sarkozys Wohnung und Büro im Rahmen einer Untersuchung wegen einer illegalen Wahlkampffinanzierung durch Frankreichs reichste Grand Dame, die L'Oréal-Erbin Liliane Bettencourt. Die Zeiten, in denen die Gesellschaften ein extrem entspanntes Verhältnis zu ihren Stinkreichen pflegte, sind vorbei – selbst wenn diese ihre Steuern zahlen.

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Editorial | The Guardian

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