Porträt Wegen seiner Wandlungsfähigkeit ist Michael Fassbender einer der gefragtesten Schauspieler Hollywoods. Jetzt brilliert er als schräger Android in "Prometheus"
Braucht nicht unbedingt einen Bart, um sich zu verwandeln: Michael Fassbender
Foto: Andrew Cowie / Getty
Als Teenager wollte Michael Fassbender nichts anderes, als ein Heavy-Metal-Star zu werden. In dem irischen 13.000-Einwohner Städtchen Killarney ließ er sich die Haare lang wachsen, trug abgeschnittene Militärhosen und Doc-Martens-Stiefel. Und er verbrachte den Großteil seiner Freizeit damit, in ohrenbetäubender Lautstärke Metallica und Slayer zu hören. Selber brachte er es aber nur zu einem einzigen Konzert: Er und sein Freund Mike traten am hellichten Tag in einer Kneipe auf. Während des Gigs forderten die Stammgäste sie immer wieder auf, sie sollten doch die Lautstärke runterdrehen. "Niemand will Metallica zum Mittagessen hören", erinnerte Fassbender sich vor Kurzem in einem Interview.
Dass aus der Musikkarriere nichts wurde, mag scha
, mag schade für den Metal sein, ist aber auf jeden Fall gut fürs Kino. Mit 35 Jahren gehört Fassbender heute zur ersten Garde Hollywoods. Er ist ein Schauspieler, der die feinsten Nuancen eines Charakters herauskitzeln kann und es ist beeindruckend, wie viele verschiedene Rollen er schon verkörpert hat: Im vergangenen Jahr hat er sich dem Genre der Gothic Romance gewidmet (Mr Rochester in Jane Eyre), einen Comic-Helden gespielt (Magneto in X-Men: Erste Entscheidung) und sich mit Psychotherapie beschäftigt (Carl Gustav Jung in David Cronenbergs Eine dunkle Begierde).In Prometheus, Ridley Scotts Prequel seines Science-Fiction-Klassikers Alien von 1979, spielt er nun einen Androiden. Und dass so gut, dass seine schauspielerische Leistung in dem auf große Bilder angelegten Film von vielen Kritikern besonders hervorgehoben wird.Man ist Teil von ihmRidley Scott sagte über seinen neuen Star, er sei "einer der drei oder vier besten Schauspieler, die es gibt. Er hat auf der Leinwand eine enorme Präsenz". Und der Regisseur Steve McQueen, der schon mehrfach mit Fassbender zusammengearbeitet hat, sagt: "Im Augenblick gibt es keinen wie Michael, und den hat es für mich auch seit Marlon Brando nicht gegeben. Auf der einen Seite hat er so etwas Zerbrechliches und Weibliches, auf der anderen Seite aber auch eine übertragbare Männlichkeit. Man fürchtet ihn nicht, sondern man ist Teil von ihm. Er zieht einen mit hinein. Man will, dass die Leute auf ihn blicken und sich selbst sehen."Auf der Leinwand kann Fassbender Stärke wie Verletzlichkeit gleichermaßen vermitteln: Sein eindringliches Porträt eines Sex-Süchtigen in Shame brachte ihm die Anerkennung der Kritiker und eine ganze Reihe von Preisen ein, unter anderem eine Auszeichnung für den besten Schaupieler beim Filmfest in Venedig. Viele waren überrascht, dass er nicht für einen Oskar nominiert wurde.Fassbender ist berühmt für seinen Fleiß und sein Engagement. Er liest ein Drehbuch bis zu 300 Mal durch, bevor er vor die Kamera tritt. Diesen Hang zum Perfektionismus führt er auf seine deutschen Wurzeln zurück – sein Vater Josef stammt aus Deutschland. "Wenn ich in der Schule bei einem Test 85 Prozent der Punkte erreicht hatte, fragte er mich jedes Mal, was denn mit den übrigen 15 Prozent geschehen sei."Als er in McQueens Film Hunger von 2008 den im Hungerstreik befindlichen IRAler Bobby Sands spielte, lebte Fassbender von 900 Kalorien am Tag. Er aß in erster Linie Nüsse, Beeren und Sardinen, verlor dabei 20 Kilo und magerte auf 57 Kilo ab. Hunger gewann die Goldene Palme in Cannes.Vincent Cassel, der mit Fassbender zusammen in Eine dunkle Begierde zu sehen ist, hält ihn für einen "ganz erstaunlichen Schauspieler … wir beide kamen wirklich sehr gut miteinander zurecht. Einer der Gründe, warum ich den Film machen wollte war, dass ich mit ihm zusammen arbeiten wollte". Andere Schauspieler reden ähnlich über ihn. Obwohl er jede Rolle mit einer stürmischen und fast obsessiven Leidenschaft angeht, sei er "völlig normal", "umgänglich" und "lustig", wenn die Kamera wieder aus ist; ein Bekannter erinnert sich an den Spaß, den es bereitete, als Fassbender vor ein paar Jahren bei der Hochzeit eines Freundes allein den Kossakentanz tanzte.David Cronenberg sagte, er sei immer "so gut gelaunt, dass es einen in den Wahnsinn treibt". Bei den Dreharbeiten zu Eine dunkle Begierde habe Fassbender einmal in Kostüm und Make-Up draußen gestanden und vor sich hingegrinst. Auf die Frage, warum er denn so grinse, habe er geantwortet: "Ich weiß nicht …. das Leben."Aus all dem kann man schließen, dass ihm der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen ist. Trotz seines Erfolges in Hollywood, lebt Fassbender immer noch in seiner bescheidenen Wohnung in Hackney im Osten Londons, die er mit Ende zwanzig gekauft hat, als er noch Mühe hatte, genügend Engagements zu bekommen, um über die Runden zu kommen Ein Journalist, der ihn vor Kurzem in seiner Wohnung besuchte, berichtete, dort sei alles mit Kisten und Kleidern vollgepackt und an der Decke fänden sich Hinweise auf einen ernsthaften Wasserschaden. "Meiner Mutter würde das nicht gefallen", gab Fassbender zu.Das Erste, was jedem auffällt, ist sein deutscher Nachname. Der Schauspieler wurde 1977 in Heidelberg geboren. Fast wäre er am ersten April geboren worden, aber der Familienlegende nach habe sein Vater seine Mutter gebeten, noch etwas abzuwarten und so sei er dann erst am darauffolgenden Tag, kurz nach Mitternacht, geboren.Sommerferien in DeutschlandSeine Mutter Adele kommt aus County Antrim in Nordirland und als er zwei war, zogen seine Eltern nach Killarney, wo sie ein Restaurant übernahmen. Fassbender und seine ältere Schwester Catherine, die heute als Neuropsychologin arbeitet, verbrachten die Sommerferien immer in Deutschland, so dass er fließend Deutsch spricht.In Irland ging auf eine katholische Schule und war mit 12 Oberministrant – eine ehrenvolle Aufgabe, die seine Anwesenheit bei allen Hochzeiten und Beerdigungen erforderlich machte. Darüber hinaus war er für die Kirchenschlüssel verantwortlich. "Ein paar Mal bin ich in der Kirche eingeschlafen", gab er in einem Interview zu. "Und draußen vor der Kirche wartete die ganze Gemeinde auf mich …. Aber irgendwie war das meine erste Bühnenerfahrung – das erste Mal, dass ich vor Publikum stand."Mit 16 erlaubten ihm seine Eltern, in die Räume über dem Restaurant zu ziehen, das im Zentrum von Killarney lag. Er durfte ein relativ unabhängiges Leben führen. Als Gegenleistung arbeitete er am Wochenende im Restaurant mit. Einer, der ihn aus dieser Zeit kennt, erinnert sich daran, dass er sehr hart gearbeitet habe. "Er war ein großartiger und sehr lustiger Kerl. Er konnte sehr gut mit den Gästen umgehen und machte jede Menge Trinkgeld. Es hat mich nicht überrascht, dass er Schauspieler wurde. Er hatte schon immer diese Begabung, diese Schalkhaftigkeit. Wenn er an Weihnachten nach Hause kommt, haben alle großen Respekt, er will aber nur einfach der alte Michael sein. Und wir respektieren auch das."Nachdem absehbar war, dass es mit der Karriere des Heavy-Metal-Stars nichts werden würde, entschloss Fassbender sich dazu, Schauspieler zu werden. Zunächst versuchte sein Vater, ihn von der Idee abzubringen. "Ich habe versucht, ihm die Sache auszureden, weil der Beruf so unbeständig ist“, sagte Josef Fassbender 2009. „Soviel hängt vom Glück ab, davon, wen man trifft, wie man aufgenommen wird.“Von Spielberg gecastetSein Sohn begann dennoch, Schauspiel zu studieren. Die Ausbildung am Drama Centre in Nord-London brach er allerdings vor dem Abschluss ab, als er für Steven Spielbergs Mini-Fernsehserie über den Zweiten Weltkrieg, Band of Brothers, gecastet wurde. Obwohl das eigentlich sein großer Durchbruch sein sollte, verbrachte er danach mehrere Monate in Los Angeles, ohne neue Rollen angeboten zu bekommen. Schließlich kehrte er nach London zurück und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Arbeiten fürs britische Fernsehen.Der Durchbruch gelang ihm nach seinem 30. Geburtstag im Jahr 2007 . Er traf Steve McQueen, der gerade dabei war, seinen ersten langen Spielfilm zu machen. Obwohl ihr erstes Treffen nicht gerade günstig verlief – McQueen hielt Fassbender für eingebildet –, konnte sie der Casting-Agent überreden, sich noch einmal zu treffen. Dieses Mal lief es glatter. McQueen hat diese Erfahrung danach damit verglichen, wie es ist, wenn man sich verliebt "Man möchte, dass es so bleibt. Ich denke, ich und Michael sind sehr froh, dass wir uns so gefunden haben."Den ganz großen Durchbruch brachte ihm dann seine Darbietung als Bobby Sands. Ein Jahr darauf castete ihn Quentin Tarantino als den englischen Offizier Lt Archie Hicox in Inglourious Basterds neben Brad Pitt. Von da an gab es kein Zurück mehr.Sein Auftritt in Ridley Scotts neuem Science Fiction dürfte ihm noch mehr Ruhm und auch großen Erfolg an den Kinokassen verschaffen. Dass Fassbender, wie David Cronenberg bemerkte, ständig so gute Laune hat, verwundert daher nicht – er hat allen Grund zum Lachen.
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