"Es ist Zahltag!"

Euro IWF-Chefin Christine Lagarde wettert in einem Guardian-Interview gegen die Griechen. Und sagt, warum sie eher an die Kinder in Niger denkt als an die in Athen

Der Internationale Währungsfonds erhöht den Druck auf das krisengebeutelte Griechenland. In einem ungewöhnlich drastischen Interview des britischen Guardian äußert IWF-Direktorin Christine Lagarde heftige Kritik und Ermahnungen.

Auf die Frage, ob die Griechen und andere in Europa es sich hätten gut gehen lassen und nun dafür zahlen müssten, sagt Lagarde: „Ganz genau!“ Zudem findet sie: „Ich denke, sie sollten sich auch kollektiv selbst helfen” - nämlich „indem sie alle Steuern zahlen.“

Lagarde zeigt auch keinerlei Bereitschaft, das harte griechische Sparprogramm abzumildern, das Bedingung für die internationale Hilfe unter anderem des IWF ist. Griechenland hatte als Voraussetzung für Milliardenhilfen vom IWF, der EU und der Europäischen Zentralbank Löhne, Renten und öffentliche Ausgaben zusammenstreichen müssen. Die griechische Wirtschaft ist den vergangenen drei Jahren um ein Fünftel geschrumpft.

"Eltern müssen Steuern zahlen"

Auf die Frage des Guardian, ob sie nicht auch an die griechischen Mütter denken müsse, die inzwischen sogar auf die Hilfe von Hebammen verzichten müssen, oder an die Patienten, die lebenswichtige Medikamente nicht mehr bekommen, sagt Lagarde: "Ich denke noch mehr an die kleinen Kinder in einer Schule in einem kleinen Dorf in Niger, die nur zwei Stunden am Tag Unterricht haben, die sich zu dritt einen Stuhl teilen müssen und die trotzdem begierig aufs Lernen sind. Ich muss die ganze Zeit an sie denken. Weil ich glaube, dass sie unsere Hilfe noch dringender brauchen als die Leute in Athen.“

Die Eltern, deren Kinder vom griechischen Sparprogramm betroffen seien, müssten selbst Verantwortung übernehmen: “Eltern müssen ihre Steuern zahlen”, verlangt Lagarde.

Die IWF-Chefin sagt voraus, dass die Krise noch nicht ausgestanden sei. „Wissen Sie was? Mit Blick auf Athen denke ich auch an all die Leute, die ständig Steuern hinterziehen, all jene Griechen, die Steuern hinterziehen.“ Sie fügt an, dass sie aber auch im gleichen Maße an die Griechen denke, die nun keinen Zugang mehr zu staatlichen Dienstleistungen hätten.

Harte Konditionen

Hintergrund für Lagardes Attacke ist ein drastischer Rückgang der griechischen Steuereinnahmen um ein Drittel binnen eines Jahres. Damit muss sich nun die Übergangsregierung beschäftigen, die bis zur Wahl am 17. Juni im Amt ist. Griechenland hatte sich als Bedingung für die internationale Hilfe verpflichtet, strenger darauf zu achten, dass die Steuern auch tatsächlich gezahlt werden. Lagardes Ermahnungen sind nun offensichtlich als Hinweis gedacht, dass die Geldgeber die Geduld verlieren.

Lagarde betont, Griechenland werde nicht nachsichtiger behandelt als ein armes Entwicklungsland. Auch falle es dem IWF bei einem wohlhabenderen Land nicht schwerer, harte Konditionen durchzusetzen. „Nein, das fällt uns nicht schwerer, nein“, sagt die IWF-Chefin. „Es ist die Mission des IWF und es ist mein Job, die Wahrheit zu sagen, egal, wer am Tisch gegenüber sitzt. Und ich kann Ihnen sagen, dass es manchmal schwieriger ist, einem armen Land, wo die Menschen von 3.000, 4.000 oder 5.000 Dollar im Jahr leben, zu sagen, es solle den Haushalt sanieren und das Defizit senken. Weil ich genau weiß, was das für Sozialhilfe und Armutsbekämpfung heißt. Das hat viel größere Auswirkungen.“

Übersetzung: Verena Schmitt-Roschmann

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Übersetzung: Verena Schmitt-Roschmann
Geschrieben von

Larry Elliot, Decca Aitkenhead | The Guardian

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