Laxe Vorschriften

Genmais-Debatte Der Molekularbiologe Gilles-Eric Séralini antwortet seinen Kritikern
Wie viele Vorkoster braucht es, um die Unschädlichkeit von Genmais zu beweisen?
Wie viele Vorkoster braucht es, um die Unschädlichkeit von Genmais zu beweisen?

Fotos: Pakhnyushchyy + Totophotos / Fotolia

Vor Kurzem hat der französische Genforscher Gilles-Eric Séralini eine Studie zu gesundheitlichen Auswirkungen von genetisch verändertem Mais veröffentlicht, die weltweit für Aufregung sorgte: zunächst, weil die Ergebnisse nahelegten, dass der Verzehr von Genmais das Krebsrisiko deutlich erhöht. Dann, weil sich herausstellte, dass die Untersuchung vermeintlich wichtige wissenschaftliche Standards nicht beachtet hatte. (Auch Freitag online hat darüber in der vergangenen Woche berichtet, Anm. d. Red.). Nun bricht eine neue Diskussion auf: Die Kritik an der Studie macht deutlich, dass die Test-Standards für Gen-Lebensmittel den eigentlich notwendigen Sicherheitsvorkehrungen kaum Genüge tun.

Séralini, Professor für Molekularbiologie an der Universität Caen in Frankreich, versteht sich darauf, die Gentechnologie-Industrie und ihre Anhänger in Aufruhr zu versetzen. Seit sieben Jahren stellen er und sein Team die Sicherheitsstandards für verschiedene gentechnisch veränderte Maissorten infrage und versuchen, die Experimente, die von der Industrie gefördert und den Regierungen vorgelegt wurden, nachzuvollziehen. Die Gentechnik-Industrie reagiert darauf üblicherweise sehr heftig und persönlich angreifend – Séralini wurde weithin beleidigt. In seiner Verzweiflung verklagte er letztes Jahr Marc Fellous, Präsident der Association Française des Biotechnologies Végétales, wegen übler Nachrede. Er gewann den Prozess (auch wenn ihm nur ein Schadensersatz von einem Euro zugesprochen wurde).

Roundup-Studie

Ende September veröffentliche Séralini in der Fachzeitschrift Food and Chemical Toxicology die Ergebnisse einer 3,2-Millionen-Euro-Studie. Ratten, die entweder zwei Jahre lang mit dem Roundup-resistenten Genmais NK603 der Firma Monsanto gefüttert worden waren oder die dem Pflanzenschutzmittel Roundup ausgesetzt waren, starben früher als Ratten aus einer Kontrollgruppe. Séralini führt die Ergebnisse auf Störungen im Hormonsystem zurück, die durch Roundup verursacht wurden, sowie auf die übermäßige Vermehrung der gentechnisch veränderten Zellen in der Maispflanze.

Kaum war der Artikel erschienen, meldeten sich Kritiker zu Wort. Sie erklärten die Studie für „parteiisch“, „schlecht durchgeführt“, „verfälscht“, „betrügerisch“, „minderwertig“, „unangemessen“ und „unbefriedigend“. Gentechnik-Gegner wurden als die „Klimaskeptiker der Linken“ verunglimpft, Séralini und seine Wissenschaftler wurden als „ausgekochte Aktivisten“ und „Anti-Wissenschaftler“ tituliert.

Dies sind die wichtigsten inhaltlichen Vorwürfe, die Séralini entgegengehalten wurden – und die Antworten, die aus dem Umfeld des Wissenschaftlers auf dem Blog GMWatch.org veröffentlicht wurden.

Vorwurf: Für die Untersuchung wurden Sprague-Dawley-Ratten ver-wendet, die eine hohe Anfälligkeit für Krebs haben.

Dieser Zuchtstamm wurde auch von der Firma Monsanto in dem 90-Tage-Experiment verwendet, das als Grundlage für die behördliche Genehmigung ihrer Maissorte dient. Dieser Zuchtstamm von Ratten ist in der Vergangenheit in den meisten Tierfütterungsversuchen zum Einsatz gekommen, wenn es darum ging, die Sicherheit von transgenen Nahrungsmitteln zu evaluieren.

Vorwurf: Das Versuchssample der Ratten war zu klein.

Séralinis Studie basiert auf dem OECD-Protokoll Nr. 453 über toxikologische Studien. Dieses Protokoll fordert für einen Krebs-Versuch ein Minimum von 50 Tieren jeden Geschlechts pro Versuchsgruppe; für ein toxikologisches Experiment hingegen wird nur ein Minimum von 10 Tieren pro Geschlecht verlangt. Die Firma Monsanto hat in ihren Fütterungsversuchen 20 Ratten pro Geschlecht pro Versuchsgruppe verwendet, aber nur 10 Ratten ausgewertet – dieselbe Anzahl wie Séralini.

Vorwurf: Séralinis Studie wurde durch eine Anti-Biotechnologie-Organisation gefördert, deren wissenschaftlichem Komitee Séralini vorsteht.

Die gesamte Biotechnologie-Forschung wird von Unternehmen oder Institutionen gefördert, die die Biotechnologie unterstützen.

Fazit: Trotz aller Bedenken bezüglich der methodischen Schwachstellen kann man Séralinis Studie nicht einfach unter den Teppich kehren. Es ist die bisher längste Studie zu dieser Maissorte. Viele Experten sprechen sich dafür aus, dass die Ergebnisse von Aufsichtsbehörden und Regierungen ernst genommen werden müssen.

John Vidal ist Umweltredakteur des Guardian

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Übersetzung: Katharina Weikl
Geschrieben von

John Vidal | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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