In der Hocke zwischen Grashalmen registriert die Kamera etwas. Da regt sich jemand, weiter hinten im Feld. Erst kaum wahrnehmbar, dann Gewissheit: Da läuft eine Frau, und krautig-angekiffter, aber schon noch krachig-straighter 70er-Jahre-Rock röhrt plötzlich auf. Ist sie etwa nackt? Nein, sie trägt nur einen gelb-orangefarbenen Overall. Sieht aber selbst heute, auf DVD und großem Bildschirm, anfangs gar nicht danach aus; man fragt sich, wie das damals, 1971, gewirkt haben mag, bei der Erstausstrahlung dieses Fernsehfilms auf kleineren Apparaten, mit krisseligem Empfang und womöglich noch in Schwarz-Weiß.
Die Frau jedenfalls, die junge Iris Berben, läuft lässig an der Kamera vorbei, kommt an eine Straße, hält einen coolen Schlitten samt Playboy an, steigt ein, und als Erstes fragt der Typ: „Haben Sie drunter nichts an?“ Hat sie tatsächlich nicht: Wenig später zieht sie sich bei ihm wortlos aus, legt sich ins Bett, auch das wieder sehr lässig, sehr nebenbei. Über den Typen kommt die Frau an einen Bestsellerautor, gespielt vom wie stets grandios bocklosen Marquard Bohm, der gerade die Rechte an seinem Wälzer an einen Amiproduzenten namens Polonsky verkaufen will. Und über diese Verbindung wiederum, als herumgereichtes Starlet, landet sie beim Film, wobei sie nach Amerika will – Sehnsuchtsort insbesondere auch der Pop-affinen Cine-Intelligenzija jener Tage rund um Klaus Lemke (Nebenauftritt), Max Zihlmann (Drehbuch) und Rudolf Thome (Regie). Doch eigentlich ist das Mädchen eine Außerirdische, sagt sie nach einer ganzen Weile, vom dritten Planeten aus Alpha Centauri. Der Film, der so wunderlich geht, heißt Supergirl, genau wie der Comic.
Ein Oberflächenfilm im besten Sinn: Dinge, Leute, Bewegungen sind sichtbar oder werden es, als solche sind sie für sich schon und für dieses Werk interessant. Tiefe hat keine Figur, Abziehbilder, Figuren aus Comics – lange bevor diese als Graphic Novels und Kunst geadelt wurden – sind sie alle. Der Playboy, der Autor, der Regisseur, der Produzent, das geheimnisvolle Mädchen vom anderen Stern, auch die Gangster, die in heißen Karren den Film durchgondeln: Übernommen aus den Abfallprodukten und Vorstellungswelten der Populärkultur, in einem Werk, das sich dafür vor allem filmisch-visuell interessiert und nicht als Gegenstand emphatischer Überhöhung. Die Dialoge: knapp, lakonisch, Floskeln einer matten Pop-Boheme.
Schön spröde ist das in seinem Leerlauf, gerade dort, wo sich der Film einem Spezifikum des (westlichen) Comics, dem statischen Panel, das zugleich ausführlichste Wortwechsel dokumentiert, annähert und damit an die Ästhetik moderner Konzeptionen der 60er Jahre anschließt. Um Medientransfers geht es ohnehin: Der Produzent träumt davon, dass eines Tages jedes geschriebene Wort verfilmt sei.
Literarisch wiederum erzählt Supergirl nun gar nichts. Vielmehr traumwandelt dieser Pop-Film ohne ekstatischen Pop-Überschuss zweck- und interesselos durch eine gerade erst von Kultur- und Politkämpfen erschütterte 70er-Jahre-BRD, die hier – auch das im Grunde eine politische Aussage – dankenswerterweise im Hintergrund bleibt und später ohnehin von Jetset-Kulissen abgelöst wird.
Rudolf Thomes Supergirl tut so, als reichte es schon völlig, Leute dabei zu zeigen, wie sie sich bewegen, Dinge tun und miteinander reden. Stimmt ja auch, solange es Iris Berben und Marquard Bohm sind, zum Beispiel am Starnberger See oder am Stadtstrand von Madrid.
Supergirl Rudolf Thome Deutschland 1970, 97 Minuten, Zweitausendeins/Edition Deutscher Film, 14,99 €
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