Freund hört mit – US-Spionage in Deutschland

Kabel und Knoten Nach dem Skandal um den Kommunikations-Knotenpunkt DE-CiX ist es an der Zeit, dass die Bundesregierung ausnahmsweise Antworten liefert

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Zugegeben: Bis vor Kurzem habe ich die Zusammenhänge der NSA-Affäre auch höchstens grob verstanden. Es wäre vermutlich sogar sehr blauäugig zu behaupten, dass ich die ganzen Ausmaße oder subtileren Details des Affären-Komplexes bis heute nur annähernd begriffen hätte.

Es gibt allerdings einige Dinge, die waren recht schnell klar: Etwa, dass unsere Regierungsvertreter uns anlügen. Nicht alle. Und nach und nach musste man bestimmte Dinge zugeben. Es ist wie mit dem alten Sprichwort: Nicht alle Regierungen lügen immer. Aber jede Regierung lügt irgendwann. Und das ist der nächste Punkt: Man belügt uns derart plump und ungeschickt, dass der Verdacht aufkommt, dass der Vorgang der Lüge selbst eine Nebelkerze sein muss.

Immerhin war bereits Monate vor dem Abhör-Skandal hinreichend bekannt, was die amerikanischen Militär- und Geheimdienste in Deutschland so treiben: Von Betriebsspionage über Folterflüge bis zu Drohnenkrieg war so ziemlich alles dabei, was unser Grundgesetz eigentlich strikt verbietet.

So ruft es doch etwas Verwunderung hervor, dass man in Berlin ausgerechnet dem Kumpel mit den losen Fäusten und der Gaunervergangenheit nur die besten Absichten unterstellt und ohne Nachfrage – geschweige denn ernsthafter Ermittlungen oder gar Zeugenbefragungen – davon ausgeht, dass sich eben dieser schwer verhaltensgestörte Zeitgenosse an alle Regeln hält.

Fakt ist, dass die Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg den Nazi Gehlen einsetzten, um mit dem BND eine autonome Geheimdienst-Zweigstelle im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion zu schaffen. Vor diesem Hintergrund waren die Mittel der Wahl entsprechend dreckig. Heute würde man vermutlich sagen: Die USA gründeten eine Terror-Zelle. Es fällt mir ehrlich gesagt sehr schwer zu glauben, dass sich der BND inzwischen grundlegend gewandelt hätte und heute alle Regeln befolgt, die wir im Zuge der kulturellen und gesellschaftlichen Entwicklung etwa in Form von Bürgerrechten errungen haben. Vor allem aber entsetzt es mich zutiefst, dass ausgerechnet unser Geheimdienst in erster Linie gegen die eigenen Bürger arbeitet, statt für ihren Schutz. Damit hat der BND meiner bescheidenen Meinung nach eindrucksvoll bewiesen, dass Spionage-Einrichtungen als undemokratische Relikte einer vergangenen Zeit obsolet geworden sind.

Eines ist jedenfalls sicher: So blöd oder unfähig, von den Spionage-Aktivitäten der US-amerikanischen Geheimdienste GAR NICHTS mitbekommen zu haben, können die Politiker unserer Bundesregierung und die Mitarbeiter in den Staatsministerien gar nicht sein. Bleibt also nur die Schlussfolgerung, dass viele unserer hochverehrten Volksvertreter das Grundgesetz bewusst mit Füßen treten.

Und noch eines ist sicher: Spätestens jetzt hat die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe die verdammte Pflicht, ernstzunehmende Ermittlungen gegen unsere „Freunde“ jenseits des Atlantiks aufzunehmen. Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir als Land das Duckmäusertum abstreifen und den Rücken wieder gerade machen, wenn es um die Freiheit und die Rechte aller Bürger zu kämpfen gilt!

Video-Tipp:
„Freund hört mit – US-Spionage in Deutschland“ ZDF, 2003

Foto Startseite: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Timo Essner

Flensburger Jung, zweisprachig aufgewachsen, dritter Sohn von Literaten.Karikaturist und freier Redakteur in diversen Publikationen on- und offline.

Timo Essner

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