„Verschwinden eines Milieus“: das Ende der Frankfurter Rundschau

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Frankfurter Rundschau ist seit Jahren in der Krise, politisch aber auch wirtschaftlich. Doch was Alfred Neven DuMont nun als neuen Rettungsversuch ankündigt, ist in Wahrheit nichts anderes als das Ende eines traditionsreichen Blattes: Die überregionalen Teile der FR kommen künftig aus der Hauptstadt, wo bereits eine Redaktionsgemeinschaft mit der Berliner Zeitung besteht. Fast die Hälfte der Redaktion in Frankfurt wird vorsorglich gekündigt, es sollen zwar auch neuen Jobs geschaffen werden, aber unter dem Strich fallen 44 der noch 190 Stellen weg. In der gemeinsamen Chefredaktion von Berliner Zeitung und FR, wird die bisherige Doppelspitze der Rundschau eher unter ferner liefen laufen: Rouven Schellenberger wird die digitalen Veröffentlichungen leiten, Joachim Frank Chefkorrespondent.

Das, was die Frankfurter Rundschau in Ton und Meinung auszeichnet“, hat Neven DuMont, der 2006 die Mehrheit an der FR und 2009 die Berliner Zeitung übernommen hatte, nun erklärt, bleibe „auch unter diesen Bedingungen erhalten“. So recht wird das niemand mehr glauben, schließlich waren Ton und Meinung der FR ja bereits in den wandelvollen letzten Jahren deutlichen Veränderungen unterworfen. Das hat einerseits mit der schon länger beschrieenen Krise des Printjournalismus zu tun, auf welche die Verlage mal so, mal so zu reagieren suchten. Das hat andererseits aber auch, wie es Michael Hanfeld in der Frankfurter Allgemeinen formuliert, mit dem „Verschwinden eines Milieus“ zu tun.

Deshalb geht hier nicht bloß „eine Stück Zeitungsgeschichte“ zu Ende (dpa), in der Krise der FR dokumentiert sich vielmehr noch ein gesellschaftliches Ausglühen, der Abschied von Restbeständen einer Epoche. Man neigt sogar dazu, einmal dem Medienwissenschaftler Norbert Bolz recht zu geben, der sagt, die Rundschau sei ein Spiegel des Zeitgeistes der sechziger und siebziger Jahre gewesen. Nicht zu links, aber eben keineswegs rechts. Gewerkschaftlich. Die FR verkörperte wenn nicht die Sozialdemokratie in Gänze so doch einen Teil von ihr. Durch sie sprach die SPD, die an ihr lange Zeit die Mehrheit besaß. In ihr konnte man die Basis erkennen, nicht bloß auf den Leserbriefspalten. Und weil beides, die alte SPD und das Milieu, in dem sie verankert war, schon lange nicht mehr sind, wurde aus der Frankfurter Rundschau erst ein ganz normales Blatt und nun eine Regionalzeitung in einem bundesweit agierenden Verlagshaus, das zwischen Kölner Stadtanzeiger, Mitteldeutscher, Zeitung, Berliner Kurier und Hamburger Morgenpost alles mögliche hat nur kein Gesicht.

Wie andere Zeitungshäuser, schreibt Neven DuMont „in eigener Sache“ den Lesern der nun zur Hülle herabgesunkenen Frankfurter Rundschau, sei man „nicht mehr in der Lage, kostspielige andere Objekte mitzutragen, die nachhaltig verlustträchtig sind“. Bei der FR waren es 2009 trotz aller Einsparungen 24,5 Millionen Euro, im vergangenen Jahr sollen es knapp 20 Millionen gewesen sein. Die Auflage sank kontinuierlich. Die Titelseite der Ausgabe von heute erzählt die ganze bittere Wahrheit, dort steht: „Die Zeit ist abgelaufen.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden