Jesus Wurst Superstar

conchita! Felix Austria gewinnt den Eurovision Song Contest 2014. Und noch viel mehr.

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48 Jahre nach dem Schmachtfetzen „Merci Cherie“ ist die Alpenrepublik nun auch populär-musikalisch endlich wieder ganz weit oben. Mit einer Kunstfigur, die „Rise like a Phoenix“ vom Selbst-Motivations-Song zur Hymne erhoben hat.

Durch das perfekt ausgesuchte und vor 180.000.000 Menschen gekonnt vorgetragene Lied bringt Conchita Wurst, alias Thomas Neuwirth, Vieles in Bewegung. Und das weit über ihre Plattenfirma hinaus. Zum einen werden die Themen Travestie und Transsexualität nun an zahllosen Stammtischen nicht mehr nur beschimpft oder belacht. Wer gewinnt, wird akzeptabel, wird bewundert und geliebt; Conchita muss etwas richtig gemacht haben.

Zum anderen wird kräftig an unserer aller Sehgewohnheiten gerüttelt. Ein sexy Bond-Girl mit Bart springt ins Auge und wirft Fragen auf. Warum schrammt Conchita Wurst nicht penetrant an großer Peinlichkeit entlang, wie viele andere Darsteller des Grenzganges zwischen den Geschlechtern. Selbst die respektable „Tante Charly“ des hoch professionellen Entertainers Peter Alexander erzeugte ja eher ein müdes Lächeln.

Conchita ist das alles wohl eher Wurst, sie prescht nach vorne, sie gibt sich verstörend und betörend authentisch. Sie steigt, programmgemäß, wie ein Phönix aus der Asche auf! Ganz nebenbei füttert Conchita die uralte Sehnsucht jedes Menschen, die weiblichen und männlichen Anteile endlich zu versöhnen und in einem harmonischen Ganzen ausleben zu können. So gesehen ist Conchita Wurst ein vollendetes Wesen, weit jenseits des bloßen Jahrmarkttrubels. Sie ist in der Selbstinszenierung wie im kollektiven Bewusstsein über Nacht zu einer echten „Lichtgestalt“ aufgestiegen.

Mit langen Haaren, Bart und einem ab und an ätherisch verklärten Blick erinnert Conchita, trotz des hüftbetont geschnittenen Gewandes, frappierend an manche überzogenen Jesus-Darstellungen. Damit – und mit ihrem einzigartigen Erfolg - katapultiert sie sich in höchste Höhen, jenseits der allgemein menschlichen, irdischen Begrenzungen. Sie ist in Rekordzeit aus den Niederungen der steierischen Provinz in dem ebenso eigentümlichen wie fragilen Schonraum der „Stars“ angekommen.

Zu wünschen ist ihr, dass auf ihren Phönix-Überflug kein Ikarus-Absturz folgt. Denn Conchita lebt uns allen ja eindrucksvoll vor, dass wahrlich nichts unmöglich ist.

Eines darf mit besonderer Spannung erwartet werden. Wird Udo sein Schweigen brechen? Und, wenn ja, was wird er sagen?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

cu, t.

tobias sckaer

cu, t.

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