Das Recht stärkt nun auch die Männer

In ihrem Sinne? Die Öffentlichkeit diskutiert ein vermeintliches Kavaliersdelikt. Was passiert im Windschatten der Sexismusdebatte?
Das Recht stärkt nun auch die Männer

Illustration: Otto

Wer hätte sich einmal vorstellen können, dass ein vergleichsweise harmloser Fall von sexueller Belästigung derartige Aufregung auslösen würde? Dass ein sogenanntes Kavaliersdelikt, einmal in die Medienmaschinerie eingespeist, gar über Wahlchancen und Politikerkarrieren entscheidet? Das politisch Korrekte ist zum modernen Verhaltensbrevier avanciert: Es leitet die öffentliche (männliche) Persona durch das Geschlechterwatt mit seinen gefährlichen Prielen und kultiviert Distanzzonen, die, wie wir wissen, Teil der zivilisatorischen Befriedung sind.

Doch während die Öffentlichkeit über einen eher durchschnittlichen Abstandsverletzer diskutiert, sich der weibliche „Aufschrei“ in die Talkrunden fortpflanzt und dem genderpolitischen Fortschrittskanon eine weitere Strophe hinzufügt, verlieren wir aus dem Blick, was sich im Windschatten solcher Debatten tut. Spätestens seit dem Quotenstreit der achtziger und neunziger Jahre entwickelt sich eine männerrechtlerische Sturmabteilung wider den feministischen Durchmarsch der Frauen. Sie agiert auf seriös-juristischer Ebene, indem sie vor Gerichten die angebliche Diskriminierung von Männern skandalisiert; und sie fightet insbesondere in maskulistischen Onlineforen, wo der Verhaltenskodex ganz bewusst missachtet wird.

Besonders erfolgreich sind die Männerrechtler im Bündnis mit der vielgestaltigen Väterrechtsbewegung, die sich unter anderem für die Rechte lediger Väter stark macht. Sie erstritten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte erste Erfolge, das Bundesverfassungsgericht urteilte in ihrem Sinne. Vergangene Woche hat endlich auch der Bundestag über das Gesetz der elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern entschieden.

Es steht, und das ist begrüßenswert, in einer längeren Reihe von Rechtsreformen, die ledige Kinder den in einer Ehe Geborenen nach und nach gleichstellen. Bislang ging das Sorgerecht nicht-ehelicher Kinder automatisch an die Mutter. Der Gesetzgeber stand nun vor der Entscheidung, dem Vater ein gleichberechtigtes Sorgerecht einzuräumen oder dies erst auf Antrag des Mannes und nach gerichtlicher Prüfung des Kindeswohls zu tun.

Doch der Bundestag entschied sich für eine dritte, wenig konsistente Variante: Das Sorgerecht soll zunächst an die Mutter gehen, aber der Vater kann verfahrenstechnisch sein Recht reklamieren. Widerspricht die Frau nicht binnen einer kurzen Frist, ist das gemeinsame Sorgerecht, ohne gerichtliche Überprüfung der Umstände, rechtskräftig. Die Entscheidung über das Sorgerecht wird für eine Frau künftig also zum Wettlauf mit der Zeit.

Wirklich zufrieden ist nun niemand. Der Interessensverband Väteraufbruch fühlt sich noch immer diskriminiert und kündigt einen weiteren Gang nach Karlsruhe an. Der Verband Alleinerziehender moniert, dass schon die Vermutung, das gemeinsame Sorgerecht entspräche in jedem Fall dem Kindeswohl, zutiefst ideologischer Natur sei. Das ist nicht ganz weltfern angesichts der vielen Unterhaltsflüchtlinge und, im schlimmsten Falle, der Väter, die ihren Kindern Gewalt antun oder sie missbrauchen.

Die genderpolitischen Dreitageaufreger legen sich über Entwicklungen, die das Rechtsverhältnis der Geschlechter neu justieren. Und die Zeiten sind vorbei, da das Recht sich durchweg zugunsten der Frauen neigte.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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