Pornos Die Regisseurin Erika Lust hat sich auf das Genre feministischer Porno-Filme spezialisiert. Sie will Pornographie nicht allein den Männern überlassen. Ein Set-Gespräch
Es ist Zufall, dass das Interview mit Erika Lust im Bett stattfindet. Wir sitzen in einer lichtdurchfluteten Wohnung in Barcelona. Im Wohnzimmer macht die Film-Crew Mittagspause, deshalb nutzt Lust das Schlafzimmer als ruhigen Ort für ein Gespräch über das weibliche Recht auf visuelle Befriedigung.
Der Freitag: Frau Lust, Sie sagen, Sex-Szenen zu drehen, mache Sie nervös. Aber das ist doch Ihr Job als Porno-Regisseurin.
Erika Lust:
Ja, aber ich bin nervös, weil es immer diesen Moment gibt, an dem du nicht weißt, wie es laufen wird. Wenn ich eine gewöhnliche Picknick-Szene im Park drehe, habe ich die Kontrolle über das, was passiert. Wenn ich Sex filme, nicht. Ich kann alles vorab besprechen, das Licht in Position bringen, die Kamera – aber dann
was passiert. Wenn ich Sex filme, nicht. Ich kann alles vorab besprechen, das Licht in Position bringen, die Kamera – aber dann gibt es diesen Moment, der speziell ist und den ich sich selbst überlassen muss. Was tun Sie, wenn ein Darsteller Schwierigkeiten mit seiner Erektion hat? Das passiert recht häufig. Man macht eine Pause und fragt, ob er allein sein will. Manchmal, wenn die Chemie zwischen dem Paar stimmt, überlässt man sie sich für einige Zeit ohne Crew, damit sie in Stimmung kommen. Es kommt immer auf den einzelnen Darsteller an. Letztlich ist es eine persönliche Sache und er weiß am Besten, wie es geht.Sie sagen, das passiere häufig. Liegt das daran, dass Sie viel mit Laiendarstellern arbeiten?Ja, viele Darsteller haben noch nie explizite Szenen gedreht. Bei einer Szene gestern hatte der Mann aber schon Erfahrung und wusste, was er machen musste. Die Erektion war kein Problem und auch wie sie sich als Paar in unterschiedliche Positionen gebracht haben, funktionierte ohne meine Anweisungen. Aber ich musste mehrmals sagen, dass sie einander näher kommen sollen, dass sie mehr Intimität zeigen sollen. Denn in herkömmlichen Pornos geht es darum, die Körper voneinander zu entfernen, um die Details zu zeigen. Wobei sich die Details vor allem auf die männliche Lust konzentrieren: die Erektion und die Ejakulation, der Cumshot, als Zeichen männlicher Befriedigung.Weibliche Lust zu zeigen, ist auch extrem schwierig. Beim Mann ist die Ejakulation der Orgasmus-Beweis. Frauen reagieren unterschiedlich. Die einen werden rot im Gesicht oder vibrieren am ganzen Körper. Andere sind ganz leise. Manche kommen so still, dass man es kaum bemerkt.Wann haben Sie das erste Mal einen Porno gesehen? Ich war 13 oder 14. Wir waren zu fünft oder sechst und haben bei einer Freundin ein VHS-Video gefunden, das wahrscheinlich ihrem Vater gehörte. Aus Spaß haben wir uns es angeguckt. Damals haben mich die Bilder aber mehr verwundert als erregt. Es war schon irgendwie aufregend, aber auch komisch.Die Erregung kam später?Naja, als ich 18 war, hat mein damaliger Freund vorgeschlagen, dass wir uns mal einen Porno ansehen. Es ist typisch, dass Frauen durch die Initiative ihres Partners auf Sexfilme stoßen. Als wir uns den Film anguckten, hatte ich das Gefühl, nicht wirklich angetan zu sein von dem, was ich da sah. Andererseits reagierte mein Körper trotzdem. Ich erinnere mich an diese Diskrepanz zwischen Denken und Fühlen. Oft reagieren Frauen mit Abwehr. Auch weil es für sie nicht vorgesehen ist, angesichts visueller Reize Lust zu empfinden. Frauen sind zurückhaltend im Umgang mit Pornografie, weil es nicht Teil ihrer Kultur ist. Männer sind wie selbstverständlich mit Pornos verbunden. Frauen sind nicht daran gewöhnt, auf visuelle Reize zu reagieren. Sie vertrauen ihren körperlichen Instinkten zu wenig. Ich sage immer, wenn ich um Ratschläge für Frauen gefragt werde: Geht hin und achtet darauf, was euer Körper euch sagt und nicht, was andere Leute darüber sagen. Trotzdem war es auch für Sie ein Prozess, sich mit Pornografie anzufreunden.Ja, absolut! Zu Beginn war da vor allem das Gefühl, was mir alles nicht gefiel. Durch mein Politik-Studium war ich mit dem Feminismus in Berührung gekommen. Als ich mehr Pornos gesehen habe, fiel mir auf, dass Frauen dort nur dafür da sind, den Mann sexuell zu befriedigen. Dann habe ich überlegt, warum das nicht auch so oder so dargestellt werden könnte, intellektuell, emotional, der Look – all diese Dinge, die ich wichtig finde. Das Pornogeschäft braucht die Perspektive der Frauen? Ja, denn um mit Pornografie besser klar zu kommen, ist es keine Lösung, dass wir all den Mist da draußen loswerden, sondern dass wir eine andere Perspektive entwickeln. Wir Frauen müssen die Pornografie verändern. Wir müssen unsere Stimmen erheben und unsere Geschichten von Sexualität erzählen. 30 Prozent dieses Business brauchen wir, um etwas verändern zu können. Das ist eine politische Gleichung: Wenn du 30 Prozent hast, hast du die Macht, etwas nachhaltig zu bewegen.Feminismus und Pornografie sind also kein Widerspruch?Im Gegenteil, das passt hervorragend zusammen. Ich finde, Pornografie ist eine großartige Gelegenheit, sich und seine Sexualität besser kennen zu lernen, sich zu erregen, ohne diese christlichen Ideen von Scham. Und es ist gut zu sehen, dass Dinge, die dich ansprechen, und die du als ungewöhnlich empfindest, auch von anderen geteilt werden. Es geht mir darum, Sex positiv zu sehen. Ich bin diese negative Sicht auf Porno und Sex leid, die nur das Aggressive und Gewalttätige sieht. Als ob Sex schmutzig sei. Trotzdem werden Sie kritisiert, wenn Sie etwa einen Cumshot zeigen, bei dem der Mann auf das Gesicht der Frau ejakuliert. Ein Cumshot ins Gesicht hat nichts mit Feminismus zu tun. Wenn ich Sex so will, ist es mein Wunsch und kein politisches Statement. Klar, wenn ich einen Film mache, der chauvinistische Strukturen zeigt, können wir über Feminismus reden. Aber wie Sie Sex haben, ist nicht feministisch. Das sind zwei unterschiedliche Dinge. Und es ist auch schade, dass ich erklären muss, warum ich Sex so oder so filme und ich das nicht einfach so machen kann, wie ich will. Das Gespräch führte .
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