Frau Merkel – allein zu Haus -

Koalitionspoker Wer will mit Bundeskanzlerin Merkel regieren? Im Moment wohl keiner. Welche Konstellationen sind denkbar?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Rückblick

Zwei Koalitionspartner hat Bundeskanzlerin Merkel in den letzen 8 Jahren ihrer Kanzlerschaft verschlissen. Ist sie die Teflon-Kanzlerin, an der alles abprallt und die je nach Gemengelage politisch agiert bzw. nicht agiert? Ja, aber dieser Erklärungsansatz wäre zu einfach.

Merkels unkapriziöser, sachlich geprägter, präsidialer Regierungsstil macht sie scheinbar unangreifbar. Sie agiert überparteilich und könnte problemlos auch bei der SPD das Zepter schwingen.

Der Wahlerfolg ist aber nicht allein der Person Merkel zuzuschreiben. Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist verglichen mit der innerhalb und außerhalb Europas gut bis sehr gut. Eine geringe Arbeitslosigkeit, sprudelnde Steuereinahmen, ein robuster Binnenmarkt und ein Export auf Rekordniveau. Es herrschte also keine Wechselstimmung. Interessant dabei ist nur, dass lediglich die CDU/CSU von dieser Situation profitiert hat, nicht jedoch die FDP, die auch der Regierung beteiligt war. Der Personenfaktor spielt also beim Wähler eine entscheidende Rolle, wenn es um Zuschreibung von Erfolg und Misserfolg der Regierungsarbeit geht. Besonders ruinös wird es für eine Partei, wenn sie zu Beginn ihrer Regierungszeit Versprechungen macht, die sie dann nicht halten kann. Frau Merkel macht keine Versprechungen. Ihre einfache Botschaft lautet „Sie kennen mich und mit mir gibt es keine Experimente“. Dass es vielen in Deutschland nicht so gut oder gar schlecht geht, spielt keine entscheidende Rolle. Diese Zielgruppe hat längst resigniert und sich überwiegend der Gruppe der Nichtwähler zugeordnet.

Im Sport gilt der Wahlspruch, jede Mannschaft spielt nur so stark, wie es der Gegner zulässt. Überträgt man dieses Motto auf die Opposition, dann hatte Frau Merkel leichtes Spiel. Die SPD hat in einem Hauruckverfahren Steinbrück als Kanzlerkandidat nominiert. Abgesehen davon, dass Steinbrück allzu oft seine Zunge und seine Hände nicht im Zaum halten konnte, spiegelt der Kanzlerkandidat die innere Zerrissenheit der SPD nahezu idealtypisch wider. Die SPD hat die Auswirkungen der Agenda 2010 Politik noch nicht überwunden. Dieser Riss geht heute noch durch die Parteibasis und die Wählerschaft. Die Kritiker Steinbrücks, die ihn mit der Agenda 2010 Politik in Verbindung bringen, konnte Steinbrück ohnehin nicht überzeugen. Insofern wäre es vom Wahlkampfmanagement klüger gewesen, Steinbrück so authentisch wie möglich zu präsentieren und ihn nicht bei jeder sich bietender Gelegenheit einzudampfen. Die von Steinbrück einforderte Beinfreiheit hatte er erst in der letzen Phase des Wahlkampfes, als er sich in dem Rededuell mit Merkel achtbar schlug. Diese Zeit reichte aber nicht.

Bei den Grünen wurden auch zentrale Fehler gemacht. Die Grünen wähnten sich auf dem Weg zur Volkspartei. Der Wahlsieg in Baden-Württemberg wurde komplett überbewertet. In einem Anfall von geistiger Umnachtung vollzog die Parteispitze unter Führung Trittins eine Abkehr von den klassischen Themen Umwelt und Energie hin zur Steuer- und Finanzpolitik. Anstatt also der CDU/CSU einen Teil des bürgerlich-wertkonservativen Lagers abzugraben, machten die Grünen der SPD in deren klassischen Themenfeldern Konkurrenz. Eine tödliche Strategie wie man jetzt sieht.

Die Linkspartei besteht im Grunde genommen aus zwei Parteien. Im Osten ist die Linke tief verankert und ähnelt in vielen Punkten einer Volkspartei. Deshalb funktionieren in den neuen Bundesländern Koalitionen auf Länderebene, weil die Linkspartei im Osten absolut regierungsfähig ist. Im Westen ist die Linke nie angekommen, auch wenn sie in der jetzigen Wahl die 5%-Hürde in den alten Bundesländern genommen hat. Ihre Akteure in den alten Bundesländern sind in ihren Handlungen nicht berechenbar. Wenn ich mich nun auf den Stuhl des SPD-Vorsitzenden setzen würde, verspürte ich wenig Lust, mit dieser Partei bundespolitisch relevante Themen zu verhandeln. Das wäre mir zu riskant, weil ich mir nie sicher sein könnte, was morgen auf mich zukommt.

Rot/Rot/Grün im Bund – keine Chance -

Die SPD-Führung hat eine rot-rot-grüne Koalition im Vorfeld der Wahlen eindeutig ausgeschlossen. Dafür gibt es personelle wie auch sachliche Gründe. Ein Dreierbündnis ist generell schwierig, vor allem dann, wenn in bestimmten Themenfeldern unvereinbare Positionen begründet sind. Darüber hinaus würde der SPD ein Wortbruch das „Genick“ brechen.

M.E muss die Linke zuerst einen innerparteilichen Klärungsprozess absolvieren und sich von Personen trennen, die in fast allen Themenfeldern Positionen einnehmen, die für die SPD und auch die Grünen nicht akzeptabel sind. Es nützt doch nichts, einen eloquenten und blitzgescheiten Gysi als Verhandlungspartner zu präsentieren, wenn im Hintergrund Personen mitmischen, die etwas völlig anderes wollen.

Die SPD braucht aber auch einen innerparteilichen Klärungsprozess. Die Agenda 2010 spaltet die Partei heute noch. Das Problem besteht darin, dass viele in der SPD heute noch glauben, dass Schröder mit seiner Politik das Land nach vorne gebracht hat. Steinbrück, vermeintlich ein Agenda 2010 Anhänger hat aber richtig erkannt, dass diese Politik das Land gespalten hat, in Verlierer und Gewinner. Das Dilemma der SPD besteht darin, dass die CDU diese Politik fortgesetzt hat und sich bei jeder Gelegenheit auf die Agenda 2010 Politik beruft. Eine Aussöhnung des rechten und linken Flügels der SPD ist aber dringend erforderlich. Das kann nur eine Person bewerkstelligen, die weder dem rechten oder linken Flügel der SPD zugeordnet werden kann. Da gibt es nur wenige Optionen. Wahrscheinlich wäre Hannelore Kraft die Richtige.

Merkel braucht einen Koalitionspartner - Nur wer?

Es ist bezeichnend für die SPD wie auch die Grünen, dass sie sich gegenseitig empfehlen, der andere möge doch eine Koalition mit der CDU/CSU eingehen. Der Biss der „Königskobra“ Merkel ist nun mal tödlich, so die einhellige Einschätzung von Rot/Grün. Merkel hat sich im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode gesiegt. Keiner will mehr mit ihr. Ob es allerdings dann klug ist, wenn der Sprecher des Seeheimer Kreises Kahrs fordert, dass die SPD in einer möglichen Koalition auf Augenhöhe agieren müsse. Das hieße dann, die Hälfte der Ministerposten für die SPD und ein Koalitionsvertrag, der eine deutliche Handschrift der SPD trägt. Genau mit solchen Bemerkungen läuft die SPD in das offene Messer der CDU/CSU. Ob die bevorstehende Mitgliederbefragung einen höheren Erkenntniswert bringt, wage ich zu bezweifeln. Wenn man diesen Weg beschreitet, gibt es kein Zurück. Und was macht die Parteispitze, wenn die Entscheidung knapp ausfällt?

Wenn die SPD eine Koalition mit der CDU/CSU eingeht, sage ich ihr ein Sterben auf Raten voraus. Opposition ist eben nicht Mist, wenn man sich zuerst einmal selbst finden muss. Der geringe Zuwachs der SPD von nur knapp 3% gegenüber der vorherigen Bundestagswahl ist im Übrigen kein Beleg dafür, eine Schwarz-Rote Koalition einzugehen. Die SPD ist mit sich selbst nicht im Reinen, das spürt der Wähler.

Die Grünen tun sich mit einer Koalitionsabsage erheblich leichter. Sie tauschen fast ihre gesamte Führungsspitze aus und ziehen dabei die Konsequenzen für einen Stimmenrückgang von fast 50%. Wer mit sich selbst beschäftigt ist, kann keine Koalition eingehen. Das klingt plausibel.

Neuwahlen – eher unwahrscheinlich -

Sollte die CDU/CSU tatsächlich keinen Koalitionspartner finden, dann sind Neuwahlen unausweichlich. Darin stecken für alle Parteien Chancen wie auch Risiken, allerdings sind die Chancen und Risiken zwischen den Parteien sehr ungleich verteilt.

Für die FDP bedeutet dies eine zweite Chance, doch noch in das Parlament einzuziehen. In dem Fall ist auch die Regierungsmehrheit für Schwarz/Gelb gesichert. Nur was bedeutet das für die FDP? Bei der FDP geht es um das politische Überleben. Wenn die FDP eine wirkliche Neuorientierung anstrebt, hat sie dafür nur eine Chance in der Opposition.

Die CDU/CSU hat die Chance auf eine Alleinregierung, aber nur dann, wenn die FDP und die AfD nicht in den Bundestag kommen. Ob Merkel mit dem Zustand so glücklich wäre, wage ich zu bezweifeln. Die CSU setzt ihr jetzt schon erheblich zu. Seehofer hat jetzt die poltischen Legitimation des bayrischen Wählers im Rücken und die wird er nutzen. Mit einem Prellbock SPD könnte sich Merkel entspannt zurücklehnen und genüsslich beobachten, wie sich die SPD und CSU in der Steuerfrage, dem Betreuungsgeld und der PKW-Maut thematisch abreiben.

Die SPD kann dann zulegen, wenn sie dem Wähler vermitteln kann, dass ihre Koalitionsabsage nicht rein machtpolitisch motiviert ist. Das wird ihr schwer fallen, weil der Wähler die große Koalition mehrheitlich will. Andererseits kann man keine Partei dazu zwingen, politischen Selbstmord zu begehen. Die SPD hat momentan die Wahl zwischen Pest und Cholera. In der Langzeitperspektive bleibt ihr keine andere Wahl als in die Opposition zu gehen. Kurzfristig betrachtet dominiert der Machtanspruch mit der Hoffnung, einer Merkel-Regierung Paroli bieten zu können.

Für die Grünen wären Neuwahlen eher hilfreich, weil sie ihre falsche Themensetzung im Wahlkampf korrigieren könnte. Ob allerdings ein weitestgehend unerfahrenes Spitzenpersonal dabei wählermobilisierend wirkt, sei dahingestellt.

Die Rolle der AfD

Die AfD ist eine typische Protestwählerpartei, deren Wählerpotenzial sich aus allen Richtungen zusammensetzt. Ihre monothematische Ausrichtung als eurokritische Partei ist typisch für eine solche Gruppierung. Ganz ohne Zweifel ist die AfD das Ergebnis einer verfehlten Europapolitik der Vorgängerregierung. Dieser falsche Kurs hat die Euroskeptiker erst auf den Plan gerufen. Die AfD ist rechtspopulistisch unterwandert. Das ist von der Führungsspitze sogar gewollt, weil ihr alle Wähler willkommen sind. Die AfD wird sich über kurz oder lang selbst demaskieren, wobei die Demaskierung bei einem Einzug ins Parlament schneller ginge. Als Koalitionspartner kommt sie so oder so nicht in Frage.

Fazit

Es wird zu einer schwarz/roten Koalition kommen, abgesegnet durch eine Mitgliederbefragung in der SPD. Die CDU/CSU wird in den Koalitionsverhandlungen Federn lassen müssen. 7 Ministerien gehen an die SPD, jedoch nicht das Finanzministerium.

An die SPD gehen folgende Ministerien: Außen, Umwelt, Wirtschaft, Justiz, Entwicklungshilfe, Verteidigung, Forschung.

Der Koalitionsvertrag trägt die deutliche Handschrift der SPD, versehen mit einem Finanzierungsvorbehalt, den der alte und neue Finanzminister Schäuble überwacht. Irgendwie kommt mir das bekannt vor.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden