10 Gründe, um nicht zur UN zu gehen

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Abbas und die PA planen, im September bei der UN die Anerkennung Palestinas als Staat zu beantragen. Dies sei die einzige Reaktion, die bleibe, nachdem Israel durch ständig weitere Annektion von Land in der Westbank durch Siedlungen und Vertreibung der Bevölkerung Verhandlungen gemäß dem Osloer Abkommen unmöglich mache.

Das hört sich gut an, aber mir ist aus diversen Gründen nicht wirklich wohl dabei – auch wenn ich bis vor einiger Zeit die Unabhängigkeitserklärung für unvermeidlich hielt. Das hat weder damit zu tun, dass die USA für den Fall der Anerkennung durch die UN die Hilfszahlungen stoppen wollen, noch damit, dass Israel gleich droht, jegliche Versorgung (für die gezahlt wird, das sind keine Almosen Israels) zu stoppen.

Nein, ich habe andere Zweifel, sowohl, was die PA angeht, als auch die Lebensfähigkeit eines solchen Ministaates in zwei Teilen und die Frage, was aus den Flüchtlingen wird. Nun fand ich einen Blog, in dem der Autor seine Gedanken dazu in zehn Punkte fasst und fand meine eigenen dort wieder. Auch dieser Satz passt gut zu meiner eigenen Einstellung:

Although I dream day and night about a state where I get my full rights, the state the Palestinian Authority is calling for doesn’t represent me as a Palestinian.

Freundlicherweise hat er mir das Kopieren erlaubt; in Anbetracht der Wichtigkeit der Sache übersetze ich seine 10 Punkte. Meine Übersetzung ist nicht wortperfekt, wer möchte, kann natürlich gerne das Original weiterlesen.

Was bedeutet der Antrag?

Der Antrag würde bedeuten, dass die PA Vollmitglied der Vollversammlung der Vereinten Nationen wird, und das wäre in anderen Worten einer dieser „symbolischen Akte“, die keinen Nutzen haben. Ein Weg für die PA um zu behaupten, sie habe etwas erreicht, wenn sich im Prinzip nichts ändert.

Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA)

Einer der Gründe dafür, dass ich gegen den Antrag im September bin, ist die Tatsache, dass die PA daran beteiligt ist. Die PA hat eine lange Geschichte bei den „Friedensverhandlungen“, die in den letzten 20 Jahren zu nichts geführt haben und das tägliche Leben des normalen Palästinensers schlechter als unter Israelischer Kontrolle gemacht haben. (Anm. d. Übersetzerin: die Kontrolle besteht ja weiterhin, nur mit Kollaboration der PA). Die PA sind ein Haufen Elitisten, die sich selbst als Sprecher und Repräsentanten des Palästinensischen Volks aufgedrängt haben und das ausschließliche Recht beanspruchen, zu verhandeln und alles aufzugeben, für das die Palästinenser je gekämpft haben.

Die Israelische Besatzung

Gemäß internationalem Recht ist Israel für alle in der Westbank, Gaza und Jerusalem verantwortlich (als Besatzungsmacht). Von Bildung und Gesundheitsfürsorge bis zur Beschäftigung, würde die Anerkennung im September ebenso wie das Osloer Abkommen die Israelische Regierung von ihren Pflichten gegenüber der unter Besatzung lebenden Palästinensischen Bevölkerung befreien.

Der Palästinensische Staat

Der Palästinensische Staat, der sich aus der Westbank und Gaza zusammensetzen würde, hat keinerlei Ressourcen und ware völlig von Fremdmitteln abhängig, deren Fluss gestoppt würde, wenn der Staat anerkannt wird, er hat keine Produktionsstätten und kann sich daher nicht finanziell selbst versorgen. Die Israelis kassieren auch die Steuern im Namen der PA und können sie je nach politischer Situation einbehalten, was bedeutet, dass keine gesicherte Finanzierung möglich ist.

Die Siedlungen

Die Tatsache, dass es mehr als 500 000 Siedler in der der Westbank und Jerusalem gibt, macht es unmöglich, ihre Existenz zu vernachlässigen. Die Siedler, oder die national-religiöse Gemeinschaft, die glaubt, dass es ihre Pflicht sei, in der Westbank und Jerusalem präsent zu sein, werden nicht einfach aufgeben, sie kontrollieren die israelische Regierung und haben großen Einfluss auf die israelische Politik und die Politiker. Die Regierung will mit allen nötigen Mitteln versuchen, sie zufriedenzustellen.

Die Korruption

Die PA hat eine lange Geschichte der Korruption seit ihrer Gründung, und die mit ihr verbündeten (meist Fatah-Mitglieder) machen sie unzuverlässig, um den Friedensprozess zu leiten oder das palästinensische Volk in der Internationalen Gemeinschaft zu repräsentieren (Anm. d. Übersetzerin: s. Palestine Papers). Die Tatsache, dass all die, die von der Existenz der PA profitieren, Elitisten sind und in Villen leben, mit nichts, was sie mit dem durchschnittlichen Palästinenser verbindet, der täglich sich durch Checkpoints kämpft und um Brot für seine Familie zu bekommen.

Das tägliche Leben der Palästinenser

Diese Entscheidung wird die Verbindung zwischen Familien zerschneiden, ob sie innerhalb der Grünen Linie oder in der Westbank oder in Gaza leben. Jemand, der in Nazareth lebt wird eine Grenze überqueren müssen, um nach Ramallah zu gelangen, um Verwandte zu besuchen, oder jemand aus Bethlehem wird Isreal durchqueren müssen, um Familienmitglieder in Gaza zu besuchen. (Anm. der Übersetzerin: Das ist jetzt schon ein Riesenproblem) Völlig vernachlässigt werden die Probleme der Flüchtlinge im Ausland und ihr Leiden in den Lagern.


Die Aufgabe des Rechts auf Rückkehr

Die Fortsetzung des Antrags im September wird es unmöglich für die Flüchtlinge machen, in die Häuser zurückzukehren, die sie 1948 verlassen haben, und das bedeutet den Tod der wirklichen Palästinensischen Sache, die die Flüchtlinge und ihr Rückkehrrecht ist.

Wie geht es weiter?

Bisher hat die PA die Palästinenser nicht in den Entscheidungsprozess eingebunden und handelt gemäß ihrer eigenen Bedürfnisse, und sie vergessen, dass sie nicht ein Haus verkaufen, sondern dass sie alles verkaufen, auch das, was ihnen nicht gehört. Die PA hat ihre Optionen für die Zeit nach der Anerkennung nicht offengelegt, auch nicht, was sie danach plant. Sie haben nicht einmal dem Volk erklärt, wie der Prozess vonstatten gehen soll, obwohl es die Zukunft eines ganzen Volkes ist, mit der sie spielen.

Nein zu dem Antrag im September und Nein zur PA.

Ich kann dem kaum etwas hinzufügen. Insbesondere aber die Flüchtlingsfrage ist ein Knackpunkt – sie sind völlig rechtlos, weder die internationale Gemeinschaft noch die PA haben je erwähnt, sie mit wählen zu lassen, obwohl es vor allem auch um ihre Rechte geht. Eine Staatsgründung der Art, wie die PA sie plant, würde anderen Ländern die Möglichkeit eröffnen, Palästinenser abzuschieben, egal, ob das winzige Staatsgebiet sie aufnehmen kann. Aber soweit denken Abbas & Co wohl nicht….

Erstaunlich nur, dass Israel anscheinend die Entstehung eines solchen Staates so sehr fürchtet, dass sie kaum eine Drohung auslassen. Das könnte mich ja fast dazu bringen, auf einen Versuch zu hoffen ….

Der Artikel erschien zuerst auf meinem Blog News from Palestine

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Alien59

Nächster Versuch. Statt PN: alien59(at)live.at

Alien59

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