Lob des Mittagschlafes

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Andere Gesellschaft – fortlaufende Randnotizen der anderen Art (4)

Hand auf's Herz: Wann saßen Sie mit ArbeitskollegInnen zur Mittagspause locker plauschend in der Kneipe, ließen es sich gut gehen, z.B. bei einem 3-Gang-Menü mit passendem Wein und vergaßen die Zeit? Die Sonne blinzelte Ihnen zu und keiner mahnte nach einer Stunde (oder war so doch schon länger?) zum Aufbruch – marsch zurück in die Bürohallen! Alle ignorierten die Uhr und genossen den Augenblick. Am Morgen wurde hocheffizient gearbeitet, es reichte. Gegen 15 Uhr gingen Sie nach Hause, legten sich für eine Stunde ins Bett und genossen den süßen Schlummer eines leicht verspäteten Mittagsschlafes. Siesta pur!
Erinnern Sie sich an solche bedeutenden Augenblicke?

Oder sind Sie besser vertraut mit „Coffee to go“, Sandwich auf die Hand und wichtig-wichtiges Handygespräch mit einem Kunden so nebenbei; alles in der Mittagspause von sagen wir 28 Minuten? Das Zeiterfassungssystem bescheinigt Ihnen dann 37 Minuten Abwesenheit vom Arbeitsplatz, selbstverständlich der besondere kostenfreie Service der Unternehmensleitung, direkt auf Ihren ganz „persönlichen“ Computer. Versteht sich von selbst: alles gelebte zeiterfasste Unternehmenskultur, im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geregelt, flexibel, dynamisch, diskurs-orientiert.

Oder gehören Sie schon zu den neuen Sensiblen und Kreativen der ganz anderen Dienstleistungsgesellschaft? Gibt es bei Ihnen im Büro geschmackvoll eingerichtete kontemplative Räume? Komfortliegen? Die Anerkennung des Mittagsschlafes als Nutzen für ALLE? Gezielte Entschleunigung für verbesserte Konzentration!
Sind Sie schon ein Meisters des Nickerchens – Krawatte auf, Gürtel locker, Füße auf dem Schreibtisch und einfach mal 30 Minuten gedöst oder Ausflüge ins Zwischenreich der Meditation? Schließt sich Ihr Vorgesetzter ganz bewusst dieser neuen Mittagsschlaf-Bewegung an? Lassen Sie uns in der Feritags-Community teilhaben an Ihrer neuen Arbeitswelt... an Ihrem neuen Lebensstil.

Die Andere Gesellschaft jedenfalls braucht ausgeschlafene Frauen, Männer und Kinder. Der Mittagsschlaf ist in der Anderen Gesellschaft anerkanntes Recht – zweitrangig ob im Büro, in der Schule oder in der Fabrik.

Apropos Schlaf: Der gesunde Nacht-Schlaf (zwischen 7 und 9 Stunden) sollte nicht verwechselt werden mit einem weit verbreiteten „Depri-Schlaf“ als ständige Flucht ins Bett, Augen zu vor der Totalerschöpfung; Augen zu vor der eigenen Angst, vor der notwendigen Reise nach Innen. Die gehetzte Gesellschaft verfällt zunehmend in die kollektive Depression. Der Einzelne schlägt sich dann mit „seiner“ pathologischen Struktur herum – das benennt man dann als „individuelles Versagen“!

PS: Auch Politiker sollten wenigstens sonntags konsequent schlafen, dann passieren einfach werktags weniger Fehler und weniger unproduktive „Gipfeltreffen“ und „Klausurtagungen“. Zur Einstimmung wird John Lennons „I'm only Sleeping“ von 1966 empfohlen. Der Schlaufuchs Carl Zuckmayer meinte treffend:„Der eigentlich hervorbringende, fruchtbare Teil unseres Daseins ist der Schlaf.“ So ist es! Ausgeschlafende Politiker braucht das Land!

(für Verena)

Randnotiz Nr. 3: www.freitag.de/community/blogs/bildungswirt/die-musse-ist-die-zwillingsschwester-der-freiheit--/?searchterm=Die+Muß;;e+ist+die+Zwillingsschwester

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Bildungswirt

Bildungsexperte, Wissenschaftscoach, Publizist, Müßiggänger, Musiker

Bildungswirt

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden