Redundanz und Vorurteil

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Ich verstecke mich hinter meinem Schreibtisch und schreibe diese Zeilen im Schein einer einzigen flackernden Kerze. Das ist nicht ungewöhnlich, denn ich bin Agentin. Gestatten, mein Name ist Vani. Cal Vani.
Vor rund einem dreiviertel Jahr habe ich schon einmal so dagesessen, die Bloggerinnen auf der Top Blog Liste auf freitag.de gezählt und darüber einen Blogbeitrag geschrieben. Nun schlage ich den Kragen meines Trenchcoats hoch, den ich natürlich auch am Schreibtisch trage, und zücke erneut meine Strichliste, um diesmal in Sachen Autorinnen und Buchbesprechungen beim Freitag zu ermitteln. Anlass dazu gab mir Jana Hensels Vorarbeit:

Letzte Woche ist die Weihnachts-Literaturbeilage der Süddeutschen Zeitung erschienen. Da man schon länger den Verdacht hegte, dass sich das Feuilleton dieser ur-liberalen und angesehenen Zeitung in der letzten Zeit, nun ja, immer stärker glücklich-männlich gab, machte man sich die Mühe und zählte einmal nach. Und siehe da: von 18 Kritikern waren zwei Frauen; von den 23 besprochenen Büchern stammten zwei von Autorinnen. Wahnsinn, dachte man. Und postete diesen Befund auf Facebook, weil man das heute ja so macht. Da schrieb dann einer sinngemäß, man könnte doch auch eine andere Zeitung lesen, wenn einem das nicht passt.

Von 23 besprochenen Büchern sind nur 2 von Frauen?
"Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?" dachte ich beim Lesen und das Gute soll im vorliegenden Fall der Freitag sein, denn der Freitag ist doch gut, oder?
Also fällt mein Blick auf die Rubrik "Buch der Woche". Ich schaue mich misstrauisch um, ob nicht jemand meine Ermittlungen beobachtet oder gar gefährdet und klicke weiter auf "Alle Bücher der Woche".


45 Bücher werden mir insgesamt angezeigt, davon sind 4 für meine Ermittlungen ungeeignet, insbesondere weil es sich dabei um Textsammlungen mehrerer und zum Teil nicht angegebener AutorInnen handelt. Haben dagegen zwei Autoren das zu besprechende Buch geschrieben, zählt ihr Geschlecht jeweils 0,5. Ein halbes Autorengeschlecht sozusagen, schließlich gibt es ja auch halbe Hähnchen.
Meine Strichliste weist nach wenigen Minuten 8,5 Autorinnen auf, das sind rund 21% von 41 Büchern. Die Quote, die Hensel in der Literaturbeilage der Süddeutschen ermittelt hat - ich habe es nicht nachgeprüft, ich glaube ihr - liegt bei rund 9%, denn von 23 rezensierten Büchern sollen 2 von Frauen geschrieben worden sein.

Ich lehne mich tief in meinen Schreibtischstuhl zurück und hole meine Pfeife aus der Schublade. Mit meiner Tabakpfeife kann ich nämlich besser nachdenken und in einem verrauchten Raum bin ich außerdem schlechter zu finden und Tarnung ist in meinem Geschäft das A und O.
21%. Mhm. Das ist natürlich allemal besser als 9% gar keine Frage. Aber was wäre eine gute Quote, das ist jetzt die Frage. Sollte es überhaupt keine Rolle spielen, wer das Buch geschrieben hat, das als "Buch der Woche" besprochen wird? Oder sollte sich die Quote der Buchbesprechungen an der Quote der Veröffentlichungen orientieren? Oder sollte gar ein Exempel statuiert werden und völlig unabhängig von der absoluten Zahl der Autorinnen der veröffentlichten Bücher z.B. eines Jahres rigoros der Anteil der Autorinnen der zu besprechenden Bücher immer bei 50% liegen? Oder sollten zukünftig nur noch Bücher von Autorinnen rezensiert werden, um - Chaka! - es den Autoren mal so richtig zu zeigen? Ich muss husten. Nein, diese Idee verwerfe ich gleich wieder. Das wäre nicht gut.

Aber was dann?


Ich überlege, ob es nicht unfair ist, die Quote aller Bücher der Woche mit der der Literaturbeilage zu vergleichen. Vielleicht waren die letzten 23 Bücher, die in der Literaturbeilage besprochen wurden, nur ein das Ergebnis verfälschender Ausschnitt? Dann sollte ich auch nur die letzten 23 Bücher der Rubrik "Buch der Woche" zum Vergleich nehmen?

Und siehe da: Nach dem oben dargelegten Ermittlungsschema sind von den letzten 23 besprochenen Büchern exakt 2 von Frauen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Calvani

Die Wirklichkeit ist immer nur ein Teil der Wahrheit

Calvani

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