Der kleine Anti-Muhabbetci (Teil 2): Wie Hund und Katze

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Hunde und Katzen verstehen sich nicht, sagt man. Wedelt der Hund mit dem Schwanz, freut er sich. Tut die Katze dasselbe, heißt das: Angriff. Schnurrt die Katze, geht es ihr gut. Der Hund dagegen könnte gleich zum Angriff übergehen, wenn er knurrt.

Möglicherweise passen die Denkvoraussetzungen des orientalisch-islamisch Kulturkreises mit denen des Abendlandes ebenso wenig zusammen wie die Körpersprachen unserer beliebtesten Hausgenossen. DiesenEindruck bekommt man, wenn man Mustafas zweiteiligen Mitmach-EssayIst JesusGott?“ liest und die anschließende Diskussion mitverfolgt. Sein Denken und Argumentieren strebt in jeder Hinsicht nach Eindeutigkeit, unseres statt dessen eher nach Vollständigkeit. Mustafas Tendenz zur Eindeutigkeit geht so weit, dass er als Nur-Koran-Muslim seinen Islam von der Verbindlichkeit der Hadithe befreit, weil apokryphe Sammlungen naturgemäß zur Vollständigkeit tendieren und sich dadurch zwangsläufig diametrale Widersprüche ergeben. Sein ausgeprägter Wille zur Eindeutigkeit könnte im Dialog mit Mustafa verantwortlich sein für jeden Meinungsgegensatz und jedes Missverständnis.

Westliches Denken vollzieht sich im Gegensatz dazu im Dialog und im Widerspruch. Es hat sich angewöhnt, eine Wahrheit nur zu akzeptieren, wenn sie die Grenzen ihrer Gültigkeit erkennt, jenseits derer das Gegenteil der Fall ist. Eine Wahrheit, die absolut und uneingeschränkt gelten soll, muss deshalb paradox sein, andernfalls verkennt sie nur die eigene Relativität. In diesem Erwartungshorizont einer lediglich durch kontingente Momente begrenzbaren, aber sonst in jeder Hinsicht offenen Dialogkultur haben die Relativitätstheorie und die Unschärferelation ebenso Platz greifen können, wie früher Gottes Menschwerdung und die Trinität.

Wenn Mustafas zweiteiliger Versuch den Islam richtig wiedergibt (und ich ihn außerdem richtig verstanden habe), dann hat unser MitBlogger sowohl durch sein Koran-Referat, wie durch seine Argumentationslinie deutlich gemacht, dass schon der Islam vom Ansatz her keinen Widerspruch duldet und diesen schon gar nicht. Seine These, dass in der Trinität der Hauptunterschied zwischen Christentum und Islam liegt, scheint zuzutreffen. Das aber hat weitreichende Konsequenzen.

Die Glaubensväter der Bibel befinden sich mit Gott ebenfalls in einem Dialog, der aber mit diesem ungleich stärkeren Partner auf Augenhöhe geführt wird und neben der Ergebung auch die Rebellion gegen ihn und das Ringen mit ihm als Königsweg zu ihm enthält, sei es am Jabbok, vor den Toren Sodoms, am Horeb, im Lande Uz, in Getsemane, auf Golgatha oder vor Damaskus.

Im Koran wird diese Seite an den Glaubensvätern (wenn ich dem richtig gefolgt bin) so nicht mehr dargestellt. So wie Gott nur Einer sein kann, ist auch sein Wille klar und widerspruchsfrei und lässt als gültige Antwort nur die widerspruchslose Unterordnung zu. Kein Wunder also, dass Pierre Vogel diese Religion in 30 Sekunden erklären kann. Kein Wunder auch, wenn Muslime die Bibel mit einer auf den Islam eingestellten Wahrnehmung lesen mit der Konsequenz, dass sie das für uns gerade Interessante und Wesentliche entweder übersehen, weginterpretieren oder für eine Verfälschung der originären Überlieferung durch Juden und/oder Christen halten.

Deshalb ist die je kulturell vermittelte, ganz unterschiedliche Bedürfnislage, also der Widerspruch zwischen Eindeutigkeit und Vollständigkeit, ein letztes kaum zu überwindendes Hindernis in diesem interreligiösen Dialog. Um sich in die andere überhaupt hineinversetzen zu können, müsste jede Seite die eigene zentrale Denkvorraussetzung soweit sistieren, dass dies dem zeitweisen Abfall vom Glauben gleichkäme.

Ob da je ein Weg hinüber oder herüber führt? Wenn überhaupt, dann wohl nur durch ein Wunder des Allmächtigen. Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber bei Gott sind alle Dinge möglich (Mt 19,26).

Verfasst mit der frdl. Erlaubnis von Uwe Theel - als unbesehen autorisierte Fortstzung von Der kleine Anti-Muhabbetci (Teil 1). Belege für die hier aufgestellten Behaupungen können bei Bedarf aus dem Text der Blogs und Kommentare in der Diskussion nachgeliefert werden. Vielleicht sind sie aber auch so nachvollziehbar.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

ChristianBerlin

Theologe (Pastor) und Journalist, Berlin. Mitglied im Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) und im Pfarrverein-EKBO. Singt im Straßenchor.

ChristianBerlin

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden