Akademische Kleinbürgerlichkeit plagiiert bürgerliches Biedermeier

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Wenn akademische Kleinbürgerlichkeit das bürgerliche Biedermeier plagiiert

Magnus Klaues Foulspiel gegen die Aufklärer akademischer Schlamperei

Schlägt der akademische Kleinbürger zu, dann bleibt die geistige Durchdringung auf der Strecke. Ein Pamphlet an Pseudovorwürfen, und gelinde gesagt, geistig sehr flach gehaltenen Argumenten, durfte nun auf der ersten Seite des Print- Freitags ("Über den Furor bei GuttenPlag und Co.", 28/2011) Platz finden.

Wiederholungstäter

In verquaster Dialektik rumpelt es gleich im Teaser, „Wer vom kleinbürgerlichen Ressentiment nicht reden will, soll vom Plagiat schweigen“. - Keine Frage, hier versucht einer aus der Indexgruppe sein Ressentiments öffentlich los zu werden, möchte es gar mit uns allen zu teilen. - Leider ist das mittlerweile bei Herrn Klaue schon eine Regel, wenn er, wie jüngst, die Reform- und Erlebnispädagogik versuchte nieder zu machen, wenn er nun hier, ganz pauschal gegen die Aufklärer der Dissertations-Plagiate im Web losholzt.

Ablenkungsmanöver und wüste Anschuldigungen

„Die Jagd nach ausgewiesenen Zitaten in den Dissertationen Prominenter hat längst die Grenzen von der Aufklärung zur Denunziation überschritten.“, postuliert er. Dann aber, folgt kein Belegbeispiel für die knallharte Behauptung, sondern es kommt ein völlig anderes Argument.

Magnus Klaue schreibt, es könne doch niemand an der betriebswirtschaftlichen Doktorarbeit Herrn Althusmanns, des niedersächsischen Kultusministers, Interesse haben, außer ein paar Wirtschaftlern. Das hat zwar mit dem erhobenen Vorwurf, die Aufdeckung von Plagiaten und fehlerhaften Dissertationen hätte die Grenze zur Denunziation überschritten, gar nichts zu tun, lenkt aber trotzdem ab.

Die bisher aufgefallenen Arbeiten bestanden aus viel hohler Luft, vielen Gedanken anderer und schlechter, ganz unwissenschaftlicher Quelleneinbindung und Zitierweise in höheren Prozenträngen, weit über die ominösen 10% hinaus. Wo steckt da der neue, eigenständige und „denkerische“ Ansatz, wie ihn sich unser Autor doch wünscht? - Die Nebelkerze wurde gezündet, weil Herr Klaue in Wahrheit nur eine Meinung hat, aber leider keine passenden Argumente kennt.

Was wollen die "Plag"-Webseiten?

Die Plagiatejäger werfen Herrn Chatzimarkakis und Herrn Althusmann keineswegs juristisch „geistigen Diebstahl“ vor, sondern sie prangern die durchgängige Nichteinhaltung der üblichen Standards in deren Dissertationen an. Trotzdem wurden die durchgewunkenen Arbeiten genutzt, mit dem verwendeten, nicht, oder nicht ausreichend gekennzeichneten Material, den Eindruck eigener geistiger Leistung und jenes höheren akademischen Geistes zu erzeugen, die alle Menschen so schätzen, obwohl sich diese Weihewelten in den Arbeiten, selbst mit den Kritierien der speziellen Fächer betrachtet und viel bescheidener im Anspruch, dort nicht finden lassen.

Die Umfänge der schlechten wissenschaftlichen Praxis sind so groß, dass die Universität Bonn Herrn Chatzimarkakis den Titel bereits entzogen hat. Er kann sich an einer deutschen Fakultät erneut mit einer „Geistesleistung“ einbringen. Die Doktorarbeit des niedersächsischen Kultusministers unterliegt derzeit der erneuten Überprüfung durch die Universität.

Mitnichten werden die Fehler, die zu einer Täuschung über die eigenständigen Inhalte und das Kreativpotential der Arbeiten, und somit sowohl über deren Zulassungswürdigkeit, als auch deren wissenschafltiche Einschätzung in Sachen eigener neuer Erkenntnis mit entschieden hatten, für die bekannten Fälle als „Ungenauigkeiten im Zitieren“ eingeschätzt. Die Kritiker mussten weit darüber hinaus gehen, weil die Promotionsarbeiten in einem ganz schlechten Sinne zusammengebastelt waren.

Ganz im Gegensatz zu Herrn Klaues Ansicht, hätten die „Plagiatejäger“, die externen Gutachter und auch die Prüfungskommissionen der Universitäten, es bei persönlichen und vertraulichen Hinweisen, allenfalls Rügen, belassen, wären es nur einfache Ungenauigkeiten und ein paar „Oxford-Fehler“, die da auftauchten, und wäre nicht die Chuzpe der Betroffenen in der Öffentlichkeit ebenso groß, wie ihre akademischen Sünden. - Nur mit leichter Ironie ist das hanebüchene Argument Herrn Klaues erträglich.

Wenn Ressentiments Leitartikel färben

Ganz ehrlich, man möchte einen solchen Relativisten, wie ihn nun Herr Klaue gibt, weder als Prüfer, noch als Texter in nächster Nähe wissen, wenn es gilt wichtige und vor allem richtige Urteile zu fällen. Denn geht es dann so zu, wie in diesem Seite 1-Artikel, dann droht die Willkür des Arguments.

Magnus Klaue versucht, die öffentliche Debatte um den Gehalt und die Form der Dissertationen, die sich, wenigstens das stimmt, von der Plagiatsdiskussion mittlerweile abgelöst hat, abzuwerten. Als Argument folgt Nebelkerze Nummer Zwei: Die Diskussion sei zu >>einer Grundsatzdebatte über den Mangel „wissenschaftlicher Redlichkeit“ an den Universitäten aufgebläht. Jeder Pausenaufsatz, so wird insinuiert, tauge zur Erlangung eines akademischen Grades,....<<, gegen Karrieristen hätten ehrliche Geistesarbeiter keine Chance.

Zweifellos gibt es solche platten Ansichten, in einigen Kommentaren, beim TV-Talk oder in den Boulevard-Medien. Dort, wo die Fragen ernsthaft diskutiert werden, an Universitäten und auf den Seiten der Qualitätszeitungen des Landes, zu denen man das eigene Lieblingsblatt, den "Freitag“ gerne zählt, zielt doch die Frage nach der Qualität und Bedeutung der Dissertation in eine völlig andere Richtung.

Was zeigen die vielen öffentlich bekannt werdenden Plagiatsfälle an?

Da reicht das Spektrum, - mit jeweils guten Argumenten -, von ihrer Abschaffung, über ein Modell, angelehnt an die angelsächsischen, vor allem die US- Traditionen, bis hin zur Forderung, Dissertationen nur noch da als hilfreich anzusehen und zu vergeben, wo sie ernsthaft als Einstieg und Aufarbeitung eines eigenen Forschungsfeldes, im Rahmen einer Wissenschaftslaufbahn dienen können.

Diese Diskussionen sind sehr fruchtbar, weil sie den Reformbedarf an den deutschen Hochschulen in den Blick nehmen, die sich, das wird deutlich, mit der Zahl der Arbeiten und der korrekter Prüfung, aber auch mit Einschätzungen zur Originalität und Kreativität, die nicht unerheblich für die weitere Berufslaufbahn ist, überfordert zeigen. In manchen Fällen, das sind dann die „schwarzen Schafe“ in jeder Fakultät, werden lange schon ganz andere, sach- und fachfremde Kriterien zur Bewertung bevorzugt.

Herr Klaue hält jedoch die Diskussion für kleinbürgerlich, besonders in ihrem >>Pochen auf „Redlichkeit“<<. - Lauert hinter solchen platten Einschätzungen und Werturteilen nicht doch viel eher der arumentierende Kleinbürger, als bei den von ihm angeriffenen Dissertationsprüfern? Die Fortsetzung des Artikels legt eine solche Interpretation sehr nahe.

Hat man bis hierher gelesen, dann drängt sich auf, er verteidige die unredliche Vorgehensweise der Plagiatoren, weil sie, im Gegensatz zu ihren Kritikern, zumindest „gedacht“ hätten. - Gerade das aber, ist der durchgängige Mangel der inkriminierten Arbeiten. Dort wurde nämlich zu wenig selbst gedacht. Ja, der Mangel an eigenem Denken sticht neben dem Umfang und der Gestaltung der Plagiate, der Vielzahl der Zitiermängel, geradezu hervor!

Mustergültig übrigens, sozusagen als Role Model, zeigt sich dies an den Dissertationen derjenigen, die sich lange und mit Aplomb öffentlich verteidigten und ihre Fleißarbeiten in Kollagetechnik weiterhin als Beitrag zur Wissenschaft ansehen mochten. Das war bisher in allen Fällen der Politiker so, die bereits von den „Plags“ überprüft werden konnten.

Nun meint Herr Klaue tatsächlich, die „Plagiatejäger“, ihm sind sie längst zu Denunziatoren geworden, machten sich nicht viel aus der „Freiheit des Gedankens“. - Belege bleibt er hier ebenso schuldig, wie faktisch genau das Gegenteil zutrifft!

Wer sich wissenschaftlich der Gedanken anderer bedient, ohne sie kenntlich zu machen, der hat, so fleißig und geschickt er auch vorgegangen sein mag, eben nicht die Freiheit seiner Gedanken, sondern die Kreativität anderer genutzt, bis hin zur rechtlich verfolgbaren Urheberrechtsverletzung, um die es aber im akademischen Zusammenhang gar nicht vordringlich geht.

Noch schlimmer wird der Fall, zumindest akademisch, wenn die ganze Mühe, der ganze Schweiß des Abschreibens und Einfügens, am Ende nur ein Titelresultat, aber sonst nichts, erbringt. Noch eine Stufe schlimmer, wenn solcher „Ehrenschweiß“ dann mit „Summa“ bewertet wird und der Doktor und sein Vater zukünftig mit Meriten hausieren gehen, die ihnen eigentlich nicht zustehen.

Die nächste Volte unseres Autors folgt jedoch sogleich. Ihm reicht der Pauschalvorwurf, es sei kein Wunder, >>dass der bevorzugte Ort für die Anprangerung „geistigen Diebstahls“ ausgerechnet das Internet ist, dessen intellektuelle Avantgarde dem Begriff des geistigen Eigentums sonst eher kritisch gegenüber steht. <<

Auch das ist eine Behauptung, die ohne treffende Beispiele daher kommt und zudem übersieht, dass die Plagiatsfälle, die bisher entlarvt wurden, vor allem auch gedruckt vorlagen!

Die Wahrheit ist, Internet und Druckmedien schenken sich, in Bezug auf die mögliche „Fälle“ an Plagiarismus, absolut nichts. Plagiate sind medienblind. Frau Hegemann wollte gedruckt und gelesen werden, und Herr von und zu Guttenberg wollte gedruckt, anerkannt und zitiert werden, was ihn schließlich entlarvte, bzw. das genaue Nachschauen erst anregte, usw., usw.

An der Universität geht es aber um den wissenschaftlichen Standard, damit Vergleiche möglich sind und auf Ergebnisse ausreichend Verlass ist, mit denen andere Wissenschafler weiter arbeiten können.

Wir sehen, Herr Klaue versteht sich im Scheinargument und dazu im Selbstapplaus, denn er glaubt felsenfest an seine geistige Durchdringungskraft in dieser Sache, während die anderen nicht einmal „Geist“ haben können und ganz kleinbürgerlich bleiben.

Da möchte ich nicht mitklatschen, und, es ist sonst gar nicht meine Art, auch einmal anfragen, wie ein solch´ schludriges Gedankengebäude auf die erste Seite des „der Freitag“ gelangen konnte? Gerade auf der Frontseite müssten doch Texte stehen, die ein höheres Argumentationsniveau und eine tiefere geistige Durchdringung erreichen, dafür aber weniger von Dünkeln, Vorurteilen und einer gewissen Biedermännlichkeit durchdrungen sind.

Anonymität als recht einseitiger Vorwurf

Es geht weiter. Nun wird den Internet-Plagiatejägern vorgeworfen, - es ist mittlerweile eine verbreitete Stilfigur des undifferenzierten Krittelns in Medien- , sie blieben anonym!

Das stimmt zudem nur zum Teil, denn mittlerweile kennt man einige der Mitarbeiter (m/w) die das logistische, theoretische und wissenschaftliche Rüstzeug mitbringen, um den „Plag“-Seiten, die selbstverständlich auf die Mithilfe beim Einlesen und auf Hinweise aus dem Unibetrieb oder anderen Quellen angewiesen sind, bei einer sauberen Überprüfung zu helfen.

Wären manche Mitarbeiter nicht anonym, dann würde es ihnen sicher schwer fallen, die Meute an Rechtsanwälten und sonstigen Helfershelfern abzuwehren, die im Auftrag und ganz diskret für die nicht gerade unbekannten und nicht gerade hilflosen, nicht gerade ohnmächtigen, ertappten Sünder und deren Freundeskreise (weitere Fälle sind nicht ausgeschlossen), zum Zwecke der Obstruktion der weiteren Arbeit, in Marsch gesetzt würden.

Die meisten Plagiatejäger dürften zumindest über akademische Erfahrung oder Graduierungen verfügen. Einige stammen aus dem, in Deutschland so genannten, akademischen Mittelbau, einige aus dem Kreis der Professoren. - Schade, dass Herr Klaue nur Vorurteile pflegt.

Die „Plag“-Ergebnisse werden in allen Fällen von Fachkundigen gegengeprüft. Bisher gab es, deswegen und wegen der großen Skupelhaftigkeit der dort tätigen Anonymen, nur eine erstaunlich geringe Fehlerquote! Sie liegt auf jeden Fall weit unter der gerade noch tolerierten Marge, die bei der korrekten Anfertigung einer wissenschaftlichen Arbeit normalerweise akzeptiert wird, und weit unter der Schwelle juristisch belangbarer Falschangaben oder Falschaussagen.

Klassischer Fall, die digitalen Dreyfusards als Verräter und Spießer hin zu stellen - "Wer denkt ist nicht redlich."

Letzter Vorwurf: Die Plagiatejäger glichen in ihrer „Beliebigkeit“, in ihrer Suche auf „gut Glück“, mit der sie die Promotionen durchstöberten, den Plagiatoren. - Das ist gleich eine doppelte Unverschämtheit.

Erstens, weil man systematisch zunächst diejenigen Promotionen überprüft, deren Träger aus der Promotion Vorteile in den politischen oder medialen Öffentlichkeiten ziehen, auch bereitwillig Vorzugsrechte eingeräumt erhalten, die also als Vorbilder, Ratgeber und wissenschaftlich Höchstgebildete auftreten, wie jüngst noch der Kultusminister Niedersachsens, oder Frau Merin, bzw. ihr Kollege, Herr Chatzimarkakis im Forschungsausschuss (sic!) des EU-Parlaments.

Der zweite, implizite Vorwurf wiegt jedoch noch schwerer, weil er unterstellt, die Plag-Seiten-Betreiber handelten unehrenhaft und ohne Moral, bzw., deren Moral bewege sich auf der Ebene von „Denunziation“ und „Willkür, die Wahrheit ersetzt“.

Hier hat einer die Übermoral für sich gepachtet und ertrinkt geradezu in spießiger und kleinbürgerlicher Selbstgerechtigkeit, die er aber anderen fleißig und ohne Beweise unterstellt. Daher auch das Raunen vom „Symptom einer ganzen (meine Einf.) Welt“.

Selten habe ich einen so denkfaulen und zugleich wenig fleißigen Artikel lesen müssen, der für sich selbst aber beansprucht, in der höchsten Wahrheit zu existieren.

Christoph Leusch

PS: Mittlerweile ist der Artikel, mit Aktualisierung, auch Online erschienen.

www.freitag.de/kultur/1128-wer-vom-kleinb-rgerlichen-ressentiment-nicht-reden-will-soll-vom-plagiat-schweigen

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