Extraterrestrische Arseniker?- Wieso? Das geht irdisch extraordinär!

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Extraterrestrisch leben mit Arsen? Wieso? Das geht auch extraordinär auf der Erde!

GFAJ-1, das Bakterium aus Lake Mono

Im Lake Mono, einem kalifornischen Salzsee östlich des berühmten Yosemite-Nationalparks, können eigentlich nur biologische Arten überleben, die an diesen extremen, sehr bizarren Ort angepasst sind. Der Salzsee entstand, weil die Stadt Los Angeles das gesamte Zuflusswasser als Trinkwasser brauchte und daher den ursprünglichen Süßwassersee von den meisten seiner Zuflüsse trennte. Ein technisches Großprojekt erschuf so ein Extrembiotop, das auch eine hohe Arsensalzkonzentration aufweist.

Manchmal verschlägt es Fotografen, die Traum- und Alptraumbilder kreieren möchten dort hin. Man kann auch extraterrestrische Welten in dieser Umgebung simulieren, Überlebenstrainigscamps durchführen oder Science Fiction-Filme proben und abdrehen.

NASA Forscher fanden nun im bekannten Salzsee ein, sowieso schon salzliebendes, Bakterium aus der Familie der Halomonadaceen, -der Name sagt was das Lebewesen mag-, das im Mono See zwar hauptsächlich Phosphor als Grundbaustein in seine eigenen Strukturen einbaut, aber sehr wahrscheinlich auch in der Lage ist, das Element Phosphor, wenn es in seiner extrem feindlichen Lebenswelt nicht ausreichend vorhanden ist, durch Arsen zu ersetzen. Arsen tötet das Bakterium nicht.

Die Bakterienkulturen aus dem kalifornischen Salzsee, denen man zusätzlich, unter Laborbedingungen, gestuft das Phosphor im Nährmedium entzog, bauten dafür das zugegebene Arsen vermehrt ein. Die Einzeller wuchsen und vermehrten sich weiterhin, wenn auch nicht so gut, wie mit Phosphor. Jedenfalls starben sie nicht ab ( www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Leben_ohne_Phosphor__Exotisches_Bakterium_verwertet_Arsen1771015587262.html ).

Das geht, weil Arsen und Phosphor für biologische Strukturen nicht auseinander zu halten sind. Die biochemisch sich sehr ähnlich verhaltenden Stoffe, -physikalisch-chemisch liegen durchaus Welten zwischen ihnen-, werden beide in lebenswichtige Strukturen eingebaut. Während aber Phosphor für die allermeisten Lebewesen lebensnotwendig ist, u.a. steckt es als „Rückrat-Molekül“ in jeder DNA (DNS), ist das Arsen, wird es so aufgenommen und in die Erbsubstanz, in Strukturproteine und Enzyme, oder in Membranfettmoleküle eingebaut, meist tödlich oder aber, es macht akut und chronisch krank.

Ist es eine List der Natur, dass ausgerechnet das anorganische Arsen (in Salzform aufgenommen, oder als Oxid) besonders giftig ist, während es organisch gebunden und elementar Arsen weit weniger toxisch wirkt?

Gibt es also einen organischen Stoff oder eben einen Organismus, der das Arsen verstoffwechselt und in seine Strukturen einbaut, so wäre damit ein perfektes Biosystem gefunden, um das, für die meisten Lebewesen tödliche Arsen zu sammeln, es zu entsorgen oder zurück zu gewinnen.

Das Killer- und Krankmacherelement Arsen hat in unserer Umwelt in höherer Konzentration, es gibt meist ein bisschen davon in Spuren im Trinkwasser, in der Nahrungskette, im Boden und in jedem von uns, nichts verloren. Das meiste freigesetzte anorganische, also giftige, Arsen stammt aus der Erzverhüttung und aus der chemischen Industrie, die damit z.B. wenig gefährliche Halbleiter-Fotozellen mit Gallium-Arsenid herstellt, oder, das muss betont werden, relativ harmlose Farben und Aufheller für die Keramik und Glasindustrie produziert.

Arsen, ein natürliches Element für Spitzbuben (Umweltsünder) und mörderische Kaffeekränzchen

„Arsen und Spitzenhäubchen“, Joseph Kesselrings Erfolgsstück und der noch viel prominentere Film Frank Capras, „Arsenic and Old Lace“, mit Garry Grant, Peter Lorre, sowie Josephine Hull und Jean Adair, als das heiter- gelassene Giftmörderinnenduo der Filmgeschichte, erinnert uns, dass dieses Element, meist kommt es als Salzkristall oder in salziger Lösung vor, extrem giftig ist und schon kleinste, konzentrierte Mengen einen Menschen töten. Arsen und Cyanid (Blausäuresalz) sind so ziemlich die bekanntesten anorganischen Gifte und die Menschheit hat sich zu beiden eine lange, manches Mal schrecklich mörderische und dunkle, Beziehung erarbeitet.

Zudem ist Arsen in Böden, zusammen mit Schwermetallen, ein riesiges Umweltproblem. Die so verseuchte Flächen sind derzeit nur mit teuren Sanierungsmaßnahmen (Böden tief abgraben, Gebiet entwässern) zu rekultvieren und wieder zu nutzen. Weil das so teuer ist, bleibt mancher verseuchte Boden einfach liegen, muss so manches Grundwassereinzugsgebiet geperrt werden. Früher versprühten Weinbauern arsenhaltige Lösungen und handelten sich in schöner Regelmäßigkeit akute Arsenvergiftungen, vor allem aber die Langzeitfolgen der chronischen Wirkung ein. Neben Leberschäden und Leberkrebs, Hauterkrankungen, Hauttumoren, Lungenschäden und Lungenkrebs, leiden Personen mit längerem Kontakt unter vielgestaltigen und schwerwiegenden Nervenschädigungen und häufig an schweren psychischen Auffälligkeiten, bis hin zur Psychose (www.lenntech.de/pse/elemente/as.htm ).

Dem All ist es egal

Ob nun, wie die NASA-Forscher, mit der Nase Richtung Erde, forsch behaupten, der Fund des Bakteriums tatsächlich unsere Suche nach erdähnlichen, physikochemischen Verhältnissen oder eben ganz anderen Strukturen, die ein irgendwie geartetes Leben darstellen, revolutioniert, das muss doch schwer bezweifelt werden.

Denn ganz klar ist nicht, ob die Bakterien aus dem Salzsee tatsächlich Arsen an Stelle von Phosphor in ihre überlebenswichtigsten Strukturen integrieren, oder ob, ich hatte das ganz oben schon angedeutet, die Bindung an große organische Biomoleküle nichts weiter ist, als eine geschickte Entgiftung, die die Kleinlebewesen besser beherrschen als der Mensch.

Ganz schwach erinnere ich mich daran, dass bestimmte Gräser, aber auch schnell wachsende Bäume, Weiden und Pappeln, in der Lage sind, mit Arsen oder Cadmium verseuchte Böden zu dekontaminieren. Die Pflanzen können also ebenfalls erstaunliche Mengen Arsen aufnehmen und in Wurzeln und Blättern speichern, ohne ernsthaft krank zu werden.

Der Mensch kann diese Sammelfunktion nutzen, um das von ihm freigesetzte Arsen aus der Umwelt zurück zu holen. Noch besser, wenn Biologen für Extremstandorte, im Verbund mit den Möchtegern-Sternenreisenden von der NASA, z.B. für industrielle Laugen-, Salz- und Schlackeseen, Entgiftungsbakterien finden könnten. GFAJ-1 wäre dann, nach Modifikation, denn es müsste auch an weniger extremen Orten lebensfähig sein und sich vermehren, ein geeigneter Kandidat, ein Prototyp.

Die NASA kommt auf die Erde

Die NASA wächst mehr und mehr zu einem Raumfahrtunternehmen, das uns hier auf Erden großen Nutzen bringt. Das ist die eigentliche Erfolgsgeschichte. Sie ist nicht mehr nur auf die olle und alte Kamelle, rund ums Teflon angewiesen, sie muss, obwohl sie immer noch das Nationale im Namen führt, nicht mehr unbedingt Fähnchen auf Trabanten und Planeten aufstellen, um ihre wahrhaftige Daseinsberechtigung zu begründen.

Denn, ob bei der Klimabeobachtung und der Wettererkundung, bei der Überprüfung des Regenwaldschutzes, bei der Erforschung von Ressourcen und bei der Beurteilung biologischer Großökosysteme, stets leistet die erdnahe Weltraumforschung und Geoerkundung ganz Wesentliches und Spektakuläres.

Seltsam, dass das journalistisch unspektakulär abgehandelt wird, während die extraterrestrischen Spekulationen ein kleines Nachrichtengewitter auslösten. Über die erweiterte Überlebenszone, irgendwo jenseits der von uns derzeit ereichbaren Grenzen des Weltraumes, sagt GFAJ-1 wenig Spektakuläres. Bekanntlich haben wir es zum Mond geschafft und wollen zum Mars, und suchen und suchen immer noch nach dem elektromagnetischen Signal vom SETI-Yeti, aus der fast unendlichen Vergangenheit.

Christoph Leusch

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden