Von Dohnanyi, Heckenspringer des Tabubruchs

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Klaus von Dohnanyi, Heckenspringer des Tabubruchs

Wie das Denken unter die Räder gerät, wenn es dezisionistische Denker und Lenker in Haft nehmen, und welche Folgen das zeitigen kann.

Stellenbeschreibung: Anwalt, selbsternannt, denkt was sein unfreiwilliger Mandant denkt

Alt-SPDler zieht unaufgefordert in den Kampf für den ebenso starrstolzen Thilo S., unseren aktuellen Sozialfall unter den wichtigsten Gelehrten und sonstigen Geisteselitikern des Landes. - So könnte man Klaus von Dohnanyis Angebot zur Hilfe und Verteidigung auf allen Ebenen, vor allem natürlich in den Print-, noch viel lieber in den Fernsehmedien, einordnen.

„Ich will für dich kämpfen.“, das ist die Botschaft des Hamburger Hochnas, der früher, als er noch Ämter bekleidete, von der absolut sicheren Asse zu künden wusste, obwohl ihn doch schon gewaltige Bauchschmerzen plagten. Ein Mensch, der sich selbst den Elitestatus einräumt und daraus ableitet, nun wieder fleißig mit selektieren zu dürfen.

In der Süddeutschen Zeitung wird Dohnanyi deutlicher und ausführlicher („Feigheit vor dem Wort“, SZ, 05.09.2010, www.sueddeutsche.de/politik/2.220/debatte-um-thilo-sarrazin-feigheit-vor-dem-wort-1.996129 ). Er erhält Zeilenplatz, den er mit Sicherheit einfach der Tatsache verdankt, dass man ihn dort namentlich kennt. Man weiß wer er ist und dann darf er eben schreiben. Seine innige Verbindung zur INSM und Bertelsmann, das Buch der Bücher stammt aus der Konzernschmiede, halfen sicherlich auch noch ein wenig. - Es ist überhaupt erschreckend, dass in einem 80 Millionen Volk bei bestimmten Reizthemen immer das gleiche Dutzend miteinander bestens vernetzter Aufmerksamkeitsjunkies (H.O.Henkel ist z.B. ein weiterer Problemfall) das uferlose Rede- und Schreibrecht erhalten.

Sicherlich hätte von Dohnanyi gerne Sarrazins Buch gleich zum Erscheinungstermin vorgestellt und verteidigt. Gerne hätte er in seinem Terminkalender die dann sofort eintrudelnden Einladungen Beckmanns, Illners und Wills, Plasbergs und Co. angenommen. So ein Pech, Necla Kelek kam ihm zuvor, sie passte besser.

Das ist die Dame, die nun auch in Duisburg-Marxloh (18.000 Einwohner) unter und hinter die Brautkleider der türkischen, kurdischen und arabischen Brautmoden-Einzelhändler schauen möchte, die derzeit einen wirtschaftlichen Boom erleben, hinter deren schier unendlicher Auswahl an Spitze, Posamenten und Textilien aller Art, sie aber das böse System des Islams verborgen sieht (Jüngst bei Frau Will im Abendprogramm für gute Deutsche). - Da fordern wir doch gleich Überwachungskameras in türkischen Einzelhandelsläden für unser liebes Ordnungsamt und die innere Sicherheit.

Unter Korsagen, steifen Röcken und farbenfrohen Feierkleidern, hinter allen bunten Rüschen und den Puffärmeln schöner Kleider, ist immer eine böse Koran-Sure und ein Hadith eingenäht, die Unterdrückung der Frau und ein menschenverachtendes System lauern schon in der Anprobekabine. Verdammt noch mal, die migrantischen Hochzeitsgesellschaften sollen doch gefälligst bei Karstadt....


Willy Brandt als geistiger Vorreiter sozialdemokratischer Rassenkunde?

Was hat Klaus von Dohnanyi uns nun mitzuteilen? - „Also bitte keine Feigheit mehr vor Worten wie Rasse, Juden, Muslime. Es gibt sie. Man darf über sie nachdenken, man darf sie benutzen. Nicht gedankenfeige sein! Aber nie rassistisch!“ - Das Willy Brandt es gut gefunden hätte, wenn Begriffe wie Rasse, Ethnie, Schicht und Volkscharakter bei uns wieder, gängig dahingesprochene Münze werden, ist völlig unglaubwürdig. Auf so etwas kann höchstens Herr Dohnanyi und vielleicht noch die Frau Seebacher kommen. - Diese postume Einvernahme Brandts ist genau so schäbig, wie die Unterstellung, in anderen Ländern ginge man mit den Begriffen längst unbefangen um.

Genau das Gegenteil ist der Fall, ob in Nigeria, in Indien oder in den USA, ob in Kanada oder in Schweden. Wer sich einmal auf dieses Geschwätz einlässt, der verfängt sich darin und beschwört offenen und gewaltsamen Konflikt.

Eine globalisierte und zivilisierte Welt erkennt wissenschaftlich den Stammbaum der ganzen Menschheit und hat seit Cavalli-Sforza, das ist nun mindestens 30 Jahre her, den Rassebegriff aufgegeben, - Die genetische und die paläologische Anthropologie betätigen gerade den genialen italienischen Wissenschaftler, dem nur Kulturzeugnisse, die Sprachen und Statistiken zur Verfügung standen, weil die Genetik noch nicht so weit war. -, predigt und lebt die Multikulturalität. Da will der alten Herr aus Hamburg zu einer Unbefangenheit und Monotonie zurück, die auch sachlich und faktisch eine Katastrophe für uns Deutsche wäre.

Was soll man Indern noch sagen können, wenn für sie die Gesellschaft nach Kasten eingeteilt ist? Was, weißen Fanatikern in den USA, wenn es wieder einmal billig ist Schwarze und Mexikaner für den Untergang der von Gott erwählten Nation verantwortlich zu machen? -Wir stünden da als Hinterwäldler, die immer noch an Blut und Boden glauben und sich bisher nur schämten, die Tabus endlich zu brechen, um in den alten Jargon der Uneigentlichkeit und des zwanghaft autoritären Charakters zurück zu fallen. - In der Sprache Wolfgang Bosbachs (CDU), ist jeder Vorfall in Neukölln der Anlass für Innenpolitik, der Anlass für ein neues Gesetz, zumindest für die TV-Rhetorik dazu.

Welcher Gott schützt Deutschland vor solchen, das elitäre nur als Prominenz durch die Gegend tragenden, Selbstdarstellern mit Missionierungsauftrag? - Der Gott der Protestanten und Katholiken, der Gott Israels, Allah sicherlich nicht allein, denn auch alle diese Religionen haben sich als sehr anfällig für Gesten der Überlegenheit und Unterlegenheit, für Verfahren der Auswahl und Einteilung der Menschheit erwiesen.

Rund um den Globus versuchen die vernünftigen Anhänger der großen Glaubensgemeinschaften mit dem ganz Anderen, in allen Religionen vorhandenen Liebes- und Friedensgebot beharrlich entgegen zu wirken.

Sarrazin, der Walser der politischen Betrachtung?

Eine zweite Einvernahme folgt auf dem Fuß. Sarrazin sei eher ein profaner schreibender, aber eben tabubrechender Martin Walser, der neue Prosaiker des politischen Feuilletons und der Volksaufklärung par excellence.

Auch diese Vereinnahmung ohne Nachfrage ist trübsinnig dumm, denn Walser wehrte sich ja gerade gegen das soziokulturelle und geistige Stigma, gegen die beständige Vorhaltung, alles was Deutsch sei, einschließlich der Kultur und Politik nach dem Kriege und die ganze Geschichte davor, müsse irgendwie immer auf dem Hintergrund einer grausamen und katastrophalen Nazi-Geschichte verstanden werden.

Das ist das genaue Gegenteil dessen, was Sarrazin und Dohnanyi uns nun im Umgang mit der Migration anempfehlen möchten, die nämlich wieder Gebotsschilder und Erlaubnisstempel zu verteilen gedenken und von Kultur-, Mentalitäts-, Charakter- und Erbanlageunterschieden faseln, obwohl sie weder wirkliche Kenntnisse, noch stichhaltige Belege vorweisen können.

Walser forderte damals einen vorurteilsfreien Blick, ab von der Vorstellung, das deutsche Wesen, die deutsche Kultur sei angenagelt ans historische Teufelskreuz mit den vier Haken und führe unweigerlich in Abgründe, wie den der Nazi-Herrschaft. Er wehrte sich gegen die Erbschuld- und die Erbsünde in den Gedanken und sprach für Verantwortung. Wenn ihm das auch damals nicht gut gelang, vergleichen lässt sich das keineswegs mit Sarrazins Auftritt und dessen Forderungen.

Dohnanyi liest Sarrazin

Dohnanyi zitiert die ihm wichtigen Kern- und Glaubenssätze Sarrazins, die er nur unterschreiben und verteidigen könne, wenn auch das Mandat des aktuellen Hauptdarstellers wohl noch nicht an den, sprichwörtlich ins Bild drängenden Anwalt aus Hamburg vergeben wurde.

>>„Mit Lenin'scher Klarheit "Was tun" heißt es dort auf Seite 326: 1. Jeder ist willkommen, der bereit ist, Deutsch zu lernen, zu arbeiten, Bildungsehrgeiz zu entfalten und sich Sitten und Gebräuchen anzupassen. 2. Man sollte mindestens für die Kinder anstreben, Deutsche zu werden. 3. Muslime, Heiden oder Christen haben dieselben Rechte und Pflichten. 4. Wer will, dass er und seine Kinder Türken oder Araber bleiben, wäre im Herkunftsland besser aufgehoben; wir wollen keine nationalen Minderheiten (andere sagen: "Parallelgesellschaften"). Wer nur am deutschen Sozialstaat interessiert ist, ist nicht willkommen. So weit Sarrazin und gängige Praxis in anderen Ländern. Hier soll das alles falsch sein? Alles "rassistisch“. <<

So schön verknappt und verkappt, erhält man den ganzen Sarrazin derzeit noch selten präsentiert.

Schon mit "Sitten und Gebräuchen" hat es es so seine besondere Bewandtnis. Denn weder kennt das Grundgesetz Bekleidungs-, noch kennt es Sitten- und Gebrauchsvorschriften. Auf das Grundgsetz bleiben wir alle verpflichtet, ebenso auf das europäische Vertragswerk und die Charten der Vereinten Nationen.

Ansonsten hat der Staat nur dann das Recht zusätzliche Forderungen zu erheben, haben die Mitbürger das Recht etwas von Minderheiten zu verlangen, wenn Gesetze gebrochen und die Würde des Menschen verletzt wird. - In 100 Jahren werden sicherlich deutsche Menschen ganz anders beten, wenn sie es überhaupt noch tun, anders gekleidet sein und in Haaren und Häuten anders aussehen als derzeit, aber das Grundgesetz wird ihnen Orientierung für ein gutes und vor allem soziales Leben bieten, wenn sie es ernst nehmen. - Die Tabuverletzung dieses Satzes Eins, die aber, ist Denken im reinsten Vorurteil und widerspricht unserer Verfassung.

Bei Dohnanyi und Sarrazin spürt man den Einbildungsergeiz, der auch bei Frau Kelek so unvorteilhaft zu Tage tritt, und alles überdeckt, was in Details auch richtig sein mag.

Zum Punkt Zwei lässt sich kurz und bündig antworten, dass der Wunsch Deutscher zu werden, so wie der US-Amerikaner zu werden, nicht hauptsächlich davon abhängt ob er existiert, sondern ob damit verbunden ist, in diesen Gesellschaften als türkischstämmiger, kurdischer oder russischer Deutscher akzeptiert zu werden.

Keiner muss dafür Sitten und Gebräuche, oder seine Herkunftssprache, aufgeben, bis auf das, was ihn womöglich dort schon einengte und zwängte, ihn zur Intoleranz gegen andere zwang, und er muss eine neue Sprachem, die Deutsche, flüssig lernen.

Im Gegenteil, unsere Gesellschaft profitiert von Kenntnissen und Kulturvertrautheiten, auch von der Beibehaltung der Mutterspachkompetenz, wenn diese als Bereicherung und positive Eigenschaften verstanden werden.

Millionen Mexikaner und andere Lateinamerikaner wurden ohne Vorbedingungen US-Amerikaner. Nach einer gewissen Zeit legalisierte man die Illegalen und wird bald wieder Millionen legalisieren, weil sie kommen. Sie müssen trotzdem nicht anfangen den Yankee doodle zu singen. Weil das so ist, können heute z.B. orthodoxe jüdische Amerikaner und schwarze Amerikaner stolz auf ihre Heimat, die USA, sein.

Punkt Drei klingt neutral und unverbindlich. Die Konsequenz aus dem richtigen Satz lautete aber auch, ein sichtbarer Islam in Deutschland, europäische Muslime, Moscheen und etwas andere Vorstellungen, wie man in der Öffentlichkeit in Erscheinung tritt, gehören selbstverständlich dazu.

Punkt Vier: Der Satz, „Wir wollen keine nationalen Minderheiten (andere sagen: Parallelgesellschaften)“, der ist sehr verfänglich.

Was wäre denn, wenn statt der derzeit gerne als abschreckende Beispiele vorgeführten Vierteln und Straßen Kölns, Duisburgs und vor allem Berlins, jüdische Schtetl der 30er Jahre, ethnische Viertel in New York oder entsprechende Quartiere in Mumbay, Bangalore oder Kalkutta gezeigt würden?

Dem Geist unserer Verfassung, diesem vorurteilsfreien, daher auch so anziehenden Versprechen der Deutschen an die Welt nach dem Kriege, entspräche eine ganz andere Botschaft. Nämlich, nationale Minderheiten, die es geben muss, -kein Weg führt in einer modernen, weltoffenen Gesellschaft daran vorbei-, dazu zu bringen, sich als respektierte und vor allem teilhabende Bestandteile der deutschen Gesellschaft zu betrachten, nicht als Verschiebemasse (Holen bei Bedarf, Abschieben bei Bedarf), nicht als Projektionsfläche für Vorurteile (weniger leistungsfähig, womöglich kulturell und genetisch-biologisch am Fortkommen gehindert), nicht als Kinderlieferanten, die dafür ihre Herkunftsidentität aufgeben müssen, damit sie hier endlich ankommen.

Fazit: Die Rattenfänger sind voran gekommen und es wird eine intellektuelle Anstrengung aller gesellschaflicher Gruppen notwendig sein, eine mit absoluter Sicherheit sozial- und gesellschaftsschädliche, ganz primitive Denkweise zurück zu drängen, die selbst den Effizenz- und Leistungsbegriff, das ethisch hohle Prunkstück vermeintlich deutscher Kultur, so pervertiert, dass Selektionisten wieder Macht und Einfluss in der Öffentlichkeit erlangen.

Christoph Leusch

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