Die Linke: Lust am Überleben!

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Auf Lafontaines Linke habe ich den Artikel 'Lust am Untergang?' gelesen. Hiermit ergänze ich die Gedanken mit den meinen aufgrund real existierender Innenansichten aus der Partei.

Als aktives Basismitglied und alternativ-emanzipatorischer Linker verspüre ich keine „Lust am Untergang“, sondern eine „Lust am Überleben“. Die Linke ist wichtig und notwendig. Fiele sie in die Bedeutungslosigkeit, so hätte das herrschende, neoliberal-neokonservative Oligopol in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien endgültig gesiegt.

Ich habe mich 2009 für Die Linke entschieden, weil sie glaubhaft gemacht hat, dass sie eine sozial-ökologische Wende anstrebt. Sie hat bei mir einen großen Bonus gehabt, der allerdings inzwischen massiv geschrumpft ist. Der Grund sind weniger die programmatischen Inhalte, sondern mehr das überbordende innerparteiliche Gegeneinander und der Habitus der autoritär-konservativen Mitglieder. Die Linke will eine plurale, offene und moderne Partei sein, wird diesen Ansprüchen aber in weiten Teilen nicht gerecht.

Aus einem anderen Aspekt heraus kann man Die Linke schon als „ideologische Bruchlinienlandschaft“ bezeichnen, in der sich rund 250 Jahre Geschichte widerspiegeln. Also nicht nur das hervorgestochene Ost versus West, WASG versus PDS, „Reformer“ versus „Radikale“, sondern das ganze „spalterische Elend“: Radikaldemokraten versus Sozialisten, Marxisten versus Anarchisten, Sozialdemokraten versus Kommunisten, Bolschewisten versus Anarchosyndikalisten, Altlinke versus Linksalternative, usw.

Ich plädiere für eine ganzheitliche und integrative Sicht, für eine „Mosaik-Linke“. Ein Mosaik kann ein schönes Kunstwerk sein, aber leider wollen etliche ihr perfektes Bild haben, und kratzen dann den Kitt aus den Zwischenräumen, sodass am Ende nur Bruchstücke übrigbleiben, die dann vom herrschenden, antilinken Mainstream zu einem Schutthaufen zusammengekehrt und entsorgt werden.

Um alles zu verstehen, müsste man quasi schon Politpsychologie studiert haben. Ich versuche mich einmal als Hobbypsychologe: Auch ich sehe positive und negative Fixierungen. Vor allem im Westen eine negative, vor allem im Osten eine positive auf die SPD, sowie vor allem im Westen eine positive auf die Mainstream-Gewerkschaften. Weiters sehe ich eine „personalkultische“ Fixierung, klassisch auf Marx und Keynes, was sich fast karikativ auf Oskar Lafontaine fortsetzt. Die regelrechten „Streithammel“-Organisationen SL (Sozialistische Linke), FDS (Forum Demokratischer Sozialismus) und AKL (Antikapitalistische Linke) fallen mir im Gegeneinander am deutlichsten auf.

Etliche linke Sozialdemokraten und Gewerkschafter haben sich nicht gelöst von der „Sozialpartnerschaft“ mit den Kapitalisten, der „Besitzstandswahrung der Arbeiterbourgeoisie“, von „Vollbeschäftigung und Wachstum“, sowie zusammen mit den Altsozialisten vom „Politiker- und Funktionärstum“, vom „Arbeitsfetisch“ und der Erwerbsarbeitsfixierung. Diese den humanistischen, demokratischen und sozialen Grundsätzen widersprechenden Dogmen werden scheints nur in einer weniger inhumanen Form als bei den Kapitalisten vertreten, also ohne Agenda 2010- und Hartz IV-Ideologie. Aber einen grundlegenden Unterschied erkenne ich nicht, zumal bei kritischen Diskursen und genauem Hinhorchen entsprechende Standpunkte zum Vorschein kommen.

Bemerkenswert ist auch die Abgrenzungshaltung der autoritär-konservativen Linken (ob Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Altsozialisten) gegen das jeweils Neue: die emanzipatorischen Linken, die Alternativen (links und „ströbele“-grün), die neuen sozialen Bewegungen, die Direktdemokraten, die Piraten u.a.

Die Linke ist weder Fisch, noch Fleisch. Ich will Frei-Fisch, kein Fleisch aus den Töpfen der Macht. Tja, liebe Genossinnen und Genossen, wir haben Euch 50 Jahre lang vor den Vogonen gewarnt. Aber wenn Ihr nicht hören wollt, dann werde ich bald sagen: "Macht's gut, und danke für den Fisch".

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Red Bavarian

Die Vergangenheit analysieren, die Gegenwart gestalten, die Zukunft erdenken.

Red Bavarian

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