Sachsens Elend

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Sachsens Glanz ist längst dem Elend gewichen. Und dies vor allem auch in Hinblick auf die politische Debattenkultur im höchsten Verfassungsorgan des Landes, im Sächsischen Landtag. Verantwortlich dafür zeichnen in erster Linie die Führungseliten von CDU und FDP.

In Sachsen wird noch jede Landtagsdebatte um die jüngste Vergangenheit (DDR) ideologisiert und gegen die Partei Die LINKE oder auch nur linke Denkansätze und Kritik in Anschlag gebracht. Ganz gleich, ob es sich nun um den Jahresbericht des Sächsischen Beauftragten für die Stasiunterlagen handelt, wie Ende März d. J., oder im April das in der Schweiz wiederangefundene Vermögen von Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR.

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Während der Debatte um den „17. Tätigkeitsbericht 2008/2009 des Sächsischen Landesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ war sich beispielsweise der CDU-Abgeordnete Peter Schowtka nicht zu schade, Abgeordnete der Linksfraktionen in Brandenburg und Sachsen zu desavouieren und als Spitzel zu bezeichnen (s. S. 29ff.).

In der Diskussion um das Vermögen von Parteien und Massenorganisationen der ehemaligen DDR sah sich der Grünen-Abgeordnete Dr. Karl-Heinz Gerstenberg nach Beiträgen von CDU und FDP schließlich veranlaßt, sich gegen eine Instrumentalisierung des Themas in Bezug auf die Linke zu verwahren. Dem vorausgegangen war z.B. folgende an die Linken gerichtete Äußerung des Abgeordneten Schiemann (CDU): „Wissen Sie, wenn ich über diesen Antrag rede, dann müßten Sie eigentlich ein rotes Gesicht bekommen, dann müßte Ihnen die Scham kommen, was Sie zum Schluß der DDR alles noch ins Ausland geschafft haben.“

Aber das ist ja noch nicht alles – schon im Zusammenhang mit der übereilten Verabschiedung des sächsischen Versammlungsgesetzes kurz vor dem 13. Februar war ja zu beobachten gewesen, wie Vertreter der Regierungskoalition von CDU und FDP unterm Vorzeichen der im Freistaat vorherrschenden Totalitarismusdoktrin und der gängigen Extremismusdefinition gnadenlos rechts und links gleichsetzen. Wenn man Nazi- und SED-Diktatur in einem Atemzug nennt, ergibt das die Zahl 66 ...

Das Gedenkstättengesetz, das auch diesem Geist verpflichtet ist, bildet in diesem Kontext ein separat abzuhandelndes Thema. Der Zentralrat der Juden hatte sich seinerzeit aus der Stiftung Sächsische Gedenkstätten verabschiedet, weil er der Gleichsetzung der Verbrechen von NS- und SED-Diktatur, wie sie im Gedenkstättengesetz verankert ist, nicht zu folgen vermochte. Jetzt ist er mit der Erwartung in die Stiftung zurückgekehrt, daß noch in dieser Legislaturperiode ein neues Gesetz vorgelegt wird, in dem sich diese Gleichsetzung nicht wiederfindet.

Welche politischen und geistigen Eliten regieren uns in diesem Lande? Im April war es dem Chef des Dresdner Stadtverbandes der CDU, Lars Rohwer, schon zuviel, das ein Linker und ausgewiesener Gewerkschafter zum 1. Mai auf dem Schloßplatz eine Rede hält – ein Marxist mit seiner Predigt nahe der Hofkirche, unzumutbar! Infolge dieser Empörung blieb denn auch die CDA, die Arbeitnehmervertretung der CDU, diesmal der gewerkschaftlichen Maifeier fern.

Welche geistigen Eliten regieren uns? Demnächst erlassen sie vielleicht noch ein Gesetz, das erlaubt, Bannmeilen um Kirchen zu errichten. Oder sie errichten gleich einen Gottesstaat? Diese Eliten sind es, die Sachsens Elend verkörpern ...

Den jüngsten Coup lieferte diese Elite gestern: "Weder im Präsidium des Landtages noch im Ausschuss für Wissenschaft und Kunst stieß die Linke mit ihrem Vorhaben, des 65. Jahrestages der Befreiung von der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in einer würdigen Form zu gedenken, auf Zustimmung bei CDU und FDP. Nicht einmal der Weizsäcker-Formel vom 'Tag der Befreiung' wollten die Koalitionsfraktionen zustimmen" heißt es in einer Presseerklärung der Linken. Die sächsische CDU spricht hierbei von einem "zwiespältigen Jahrestag". Schwierigkeiten mag ihnen wohl die Tatsache bereiten, daß in diesem Zusammenhang auch der Anteil der UdSSR an der Befreiung zu würdigen wäre ...

Ein weiteres Zeugnis der Selbstherrlichkeit aus dem sächsischen Tollhaus, in Sachen Gedenkstättengesetz:

Trotz heftiger Kritik der "Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz" haben Staatsregierung und Stiftung Sächsische Gedenkstätten am gestrigen Sonntag den Gedenkort Forst Zinna eröffnet. Den Protest der Verfolgten der NS-Militärjustiz haben sie dabei bewusst in Kauf genommen. Dieser richtet sich zu Recht gegen die gleichzeitige Erinnerung und damit faktische Gleichsetzung der Verbrechen des deutschen Faschismus mit Unrecht aus späterer Zeit. Unter den Inhaftierten in den sowjetischen Speziallagern haben sich zudem unbestritten auch schwer belastete Nazis oder Amtsträger aus der NS-Zeit befunden.

Die ungenügende räumliche und inhaltliche Trennung der Erinnerung an das damalige Geschehen empfinden die Opfer der NS-Wehrmachtsjustiz als unerträglich und haben deswegen von Anfang an eine «massive Trennung» beider Teile der Gedenkstätte gefordert. In ihrer Ansicht werden sie auch durch namhafte Wissenschaftler im In- und Ausland unterstützt. Dieser Affront gegenüber den Verfolgten der Wehrmachtsjustiz ist inakzeptabel. Er verstößt im Übrigen gegen Vorgaben der Gedenkstättenkonzeption des Bundes, die in Torgau den "Schwerpunkt auf das Bewahren der Erinnerung an die Opfer der Wehrmachtsjustiz" legt (Bundestagsdrucksache 14/1569).


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Geschrieben von

jayne

beobachterin des (medien-) alltags

jayne

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