Günter Gaus, der politisch- kulturelle Mediator im Anstand, wird 80

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Günter Gaus, der politisch- kulturelle Mediator im Anstand, wird heute achtzig .

Günter Gaus (1929- 2004) war in vieler Hinsicht Grenzgänger. Einmal im Üben des Hüben & Drüben als deutsche, als europäische Einheit. Als Ständiger Vertreter des Grenzgängerwesens zwischen Publizistik, Medien, Politik und Diplomatie in Ostberlin, darüber hinaus auch noch an der „Wasserkante“ von staatlichem Gewaltmonopol und privat wie fremd staatlich organisiertem Terrorismus heimischer wie befremdender Art.

In Erwartung des großen deutsch- deutschen Tam Tam samt Wahrheitskommissionen war Günter Gaus als politisch medialer Mediator nicht nur argumentativ gut sortiert und aufgestellt, sondern als Ständiger Vertreter einer offenen Gesellschaft inständig anständig unterwegs, dass ihm der einstige Sonntag in der DDR mit partnerschaftlich assoziierter Volkszeitung in der BRD zum ost- westlichen Fluchtort „der Freitag“ wurde.
Wobei es Günter Gaus stets darauf ankam, nicht angeberisch sondern herausgeberisch in ganzer Erscheinung, betreten, unterwegs zu sein.

Da das Große Deutsch- Deutsche Tam Tam samt angeschlossener Wahrheitskommission mit durch den Deutschen Bundestag berufener Message und Mission ausblieb, war Günter Gaus als vordergründig abgrundtief heillos links liegen gelassener Politik- und Geschichts- Mediator über den Tag hinaus, auch nicht ganz frei von persönlich belesener Koketterie hanseatischem Understatement Gekränktheit als verkannter wie unerkannter "Herrenreiter" im stormanschen Sachsenwald derer von und zu Bismarcks, mangels seines nicht abgefragten vielfältig wie reichhaltig marxistisch sortierten Wissens über alle Grenzen, Stände, Anstände und Klassen hinaus.


Der zweite Teil seiner politischen Biografie „Widersprüche. Erinnerungen eines linken Konservativen, Propyläen, Berlin 2004. ISBN 3-549-07181-7 „ harrt nachwievor der heiß erwartet posthumen Veröffentlichung.

Legende sind seine historischen Interviews mit brachialem Aufmacher eines heimlichen Tribunals „zu Protokoll“ im bundesdeutschen Fernsehen, denen Günter Gaus erst im Wege der Deutschen Einheit 1989/90 im historischen Nachgang und Gegenwart den Rang „zur Person“ einräumte.
Besonders in Erinnerung ist mir Günter Gaus Interview mit Rudi Dutschke 1967 „zu Protokoll“, als der Zug der europäischen wie deutschen Teilung durch das militärische Abenteuer des Vietnam- Kriegs der USA und deren Koalition der zwanghaft Willigen bis Willy Brandt als bundesdeutscher Außenminister der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD seit dem September 1966, so abgefahren schien, wie dies 1990 Rudolf Augstein, Vater von Jakob Augstein, in einer Talk- Show mit Günter Grass im Umkehrschluss, ohne Zwang noch Not , aus freien Stücken unerbittlich hoch im Ton von der Deutschen Einheit behauptete.

Damals, im Herbst 1967, erwies sich Günter Gaus auf dem Wege zum berufenen Chefredakteur des Wochenmagazins Der Spiegel außerstande, in diesem Interview mit Rudi Dutschke seine Profession und Kompetenz als politisch- kultureller Mediator zur vollen Wirkung zu entfalten und Rudi Dutschke den Zuschauern/innen, links wie rechts und in der Mitten als das „zur Person", statt zu Protokoll“ nahe zu bringen, was Rudi Dutschke war, nämlich ein talentiert engagierter Sport- Reporter, der sich, angesichts der Teilung unserer Einen Welt, Europas, Deutschlands, auf das Feld der rasanten Politik- Reportage im sprachlich sportativem Duktus von Langsatz- Stakkati als Zeichen des „Langen Atems auf dem Langen Marsch durch die Institutionen“ in der Geschichte der Menschwerdung verlegt.
Dem Wochenmagazin Der Spiegel hat Günter Gaus nicht nur mit diesem Interview von Rudi Dutschke die Studenten/innen als Leser/innen, Abonnenten zu getrieben, sondern insbesondere durch sein Unterfüttern der studentischen Bestrebungen mit fundierter Theorie als Chefredakteur des Wochenmagazins Der Spiegel von Karl Marx bis Friedrich Engels Zungen im Suhrkamp Reich mit Wilhelm Reich von Gnaden Siegfried Unseld als Verleger per Du, war bei diesem profitablen Treiben überaus nützlich.
In diesem Interview mit Rudi Dutschke von 1967 mag Günter Gaus
die Profession eines politisch- kulturellen Mediators noch entglitten sein, was ihn später als Diplomat, Publizist so nachhaltig erfolgreich als Meister seiner Zunft auszeichnete, nämlich Personen, Ereignisse in einen größeren Zusammenhang zustellen, der frei von klassenkämpferisch ausweglosem Gerangel war, auch wenn Günter Gaus das marxistisch- leninistische Debattieren über den Punkt einer Tagesordnung hinaus sehr entgegen kam.

Auch, wenn Günter Gaus, selber von seiner Krankheit gezeichnet und geschwächt, das Interview mit Christian Klar „zur Person“ in der Justizvollzuganstalt Landshut, 2002, öffentlich von vielen Seiten angefochten, der reinste Graus gewesen sein muss, den er sichtbar vom hinfälligen Zustand des lebenslang verurteilten RAF- Mitglieds Christian Klar. erschüttert , tapfer in Zusammenhänge zu stellen und durch zu stehen wusste.

Dass Günter Gaus im Jahre 2004 im Alter von nicht einmal 75 Jahren so früh verstarb, hat mich zutiefst erschrocken, kalt erwischt, als ob ich ihn für unsterblich hielt.
Warum hat mich Günter Gaus Tod kalt erwischt?, weil Günter Gaus mir als den Menschen zugewandter Mensch und Debattierer mit dem langen Atem nicht nur im Medium der Freitag fehlt.
JP

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Geschrieben von

Joachim Petrick

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