Gleichstellungspolitik kontrovers bei der FES

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(Auf Wunsch von Mitforistinnen und –foristen – hier der Beitrag, der eigentlich hier schon als Kommentar steht, noch mal als eigener Blogbeitrag.)

Ich hätte selbst nicht gedacht, dass die Präsentation der Argumentationshilfen „Gleichstellung kontrovers“ library.fes.de/pdf-files/wiso/07877.pdf ein solches Echo hätte.

Gestern bei der offiziellen Präsentation war eine Menge los.

Hier ein Blick aufs noch leere Podium

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Dr. Barbara Stiegler, Leiterin des Arbeitsbereiches Frauen- und Geschlechterforschung bei der FES hielt in ihrer Eingangsrede noch einmal fest, woran es bei der Geschlechterdebatte hapert.

- Geschlechterfragen sind immer auch „Bauchfragen“. Manche Männer sagen hin und wieder: „Ach Gott, was soll mir das noch. Ich weiß ja alles über Frauen, ich habe selbst eine zu Hause"

- Geschlechterpolitik ist keine Paartherapie.

- Die wissenschaftlichen Debatten in der Genderfrage sind oftmals recht abgehoben. Es fehlt der Praxisbezug. Das hilft denen, die argumentieren und überzeugen wollen oftmals nicht weiter

- Die Medien agieren gegenwärtig mit verdecktem oder offenem Antifeminismus. Dazu kommt noch eine tendenziöse, falsche Berichterstattung.

<b>Paradebeispiel</b>ist der Fall Monika Ebeling, der Gleichstellungsbeauftragten von Goslar. Es ging nicht darum, dass sie sich auch um Männer kümmern wollte. Es ging bei ihrer Entlassung darum, dass sie bereits Teil eines solchen antifeministischen und höchst umstrittenen Männernetzwerkes war, dass sie dort auch finanzielle Mittel hin gegeben hat. Und das sprengt den Rahmen.

- Die Männerrechtler agieren vor allem im Netz mit außerordentlicher Aggressivität.

- Insgesamt ist in der Bundespolitik die Gleichstellungsarbeit unterfinanziert. Die Männerarbeit, die von Frau Schröder in den Blick genommen wurde, wird aus den Mitteln die sonst den Frauen zukamen abgezweigt. Das schafft zusätzlichen Frust und neue Auseinandersetzungen. Das Genderkompetenz-Zentrum, das bisher für das Ministerium gearbeitet hat, istschon erledigt.

- Der Hype um die Quoten in den Vorständen verdeckte die viel umfassenderen Probleme der Teilnahme von Frauen

Aber es gibt auch <b>Lichtblicke</b>

Zum Beispiel den neuen Gleichstellungsbericht, der kürzlich auch in der FES vorgestellt wurde. Er ist unabhängig erstellt, von Männern und Frauen und enthält alle Probleme und Forderungen an die Zukunft. www.fraunhofer.de/ueber-fraunhofer/geschaeftsstelle-gleichstellungsbericht/index.jsp - Hier kann sich Jede und Jeder runterladen, was wichtig scheint.

Ein absolutes Highlight war Julia Lemmle – eine äußerst umtriebige, kluge Schauspielerin, Performerin, Kulturwissenschaftlerin und – am Schluss auch noch Sängern.

Die hielt eine Rede, wie sie ein Mann zur Gleichstellungsdebatte hätte halten können und hat sich dazu der entsprechenden männlichen Verlautbarungen, die so zur Hand waren auch bedient. Sie beruhigte eine historische <b>Olympe de Gouges</b> und erklärte ihr den Unterschied zwischen dem Betreten eines Rednerpultes und eines Schafotts. Letzteres ist gestattet, wie wir wissen.

Frank Schirrmachers www.faz.net/artikel/C30351/machtfragen-maennerdaemmerung-30017353.html zwar schon etwas älteren aber zeitlos- komischen Angst-Text über die Frauen als Kommunikationsgewinnerinnen hat sie u.a. herrlich persifliert.

Julia Lemmle in Aktion

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Auch die Autoren der einzelnen Beiträge waren gekommen.

Im „Worldcafe“ diskutierten wir an den einzelnen Tischen zu den Themen.

Ich war beim Thema „Männerbenachteiligung“, das Thomas Gesterkamp betreute.

Er konstatierte u.a. eine intensive Opferstilisierung bei Männern.

Über die Frage, „Was ist Geschlecht“ debattierte eine große Runde Männer und Frauen mit Sebastian Scheele, der zum Gender-Kompetenz-Zentrum der Humboldt Uni gehört.

Danach gabs Brezeln mit Butter, Bier und Wein, begleitet von der umwerfenden Julia Lemmle (Gesang) und André Vollrath (Keyboard), die gemeinsam als "Fräulein Bernd" agierten.

Anmerkung: Es ist absolut verständlich, dass die Menschen sich gegenwärtig im Zuge von Entwertung und Prekarisierung der Arbeit und zunehmendem Globalisierungsdruck enorm verunsichert fühlen. Männer erleben teilweise nachholend, was Frauen auf dem Arbeitsmarkt schon länger kennen. Unsichere, schlecht bezahlte Jobs, wenig Chancen und wenig Aussichten auf Besserung.

Der Ausweg liegt nicht im Kampf gegen ein Gespenst, das „Feminismus“ heißt und sich in einer einzelnenGestalt manchmal sogar noch personifiziert, wie Alice Schwarzer.

Die Furcht vor Deklassierung und den Unwägbarkeiten in diesen entkoppelten, deregulierten Zeiten sollte nicht durch einen völlige sinnlosen Geschlechterkampf „beruhigt“ werden. Es gibt genügend Gründe zur Beunruhigung. Und sie betreffen alle Geschlechter.

Persönliche tragische Erfahrungen im eigenen Leben mit Partnerinnen und Partnern machen alle Menschen, Männer wie Frauen.

Aber, wie sagte Barbara Stiegler so richtig: Geschlechterpolitik ist keine Paartherapie.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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