Jammerton Hermann - "Alice" in der Schöngeisterbahn

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Ich dachte erst, dass das eine Schauspielerin ist, die da liest. Ich dachte noch, dass die gut beraten wäre, diese Prosa über dieErfahrungen der Protagonistinnen mit dem Tod eines Mannes, der der einen Gatte und der anderen ehemaliger Geliebter ist, nicht gar so weinerlich und von Abscheu gegenüber dem Leben vorzutragen. Nuja, so, was gibt es auch auf der Schöngeisterbahn.


Mein erstes Gefühl war Erleichterung. Darüber nämlich, dass die Vortragende ganz woanders war, im Radio nämlich, und ich auf der Couch lag und von dortbequem zuhören konnte. Anders hätte ich dieses Gefühl unglaublicher Peinlichkeit, das sich in mir breit machte,gar nicht so richtig ertragen.


Rezensenten schreiben von streng durchkomponierten Geschichten und einer herben Melodie. Die herbe Melodie, die mich bei dieser Lesung anwehte, hatte was von einer alten Jungfer, die über ein offenes Fenster klagt, durch das es so unglaublich zieht. Fast hörte ich ein herbes „Hach“ und „Huch“ mit. Ich kriegte Atemprobleme, die sich noch verstärkten im weiteren Verlauf.

Die Technik des Streng Durchkomponierens wirkt auf mich wie die Komposition eines Werbetextes über das Sterben unter den Bedingungen einer Mittelschichts-Existenz. Wie stirbt man zeitgeistaffin. Eine mir nicht so richtig wichtige Frage.

Dieses unendlich bedeutungshuberische Aufzählen und Aufzählen von Gegenden und Gegenständen, öde, öde, öde.... Und dazu auch noch dieser reale, weinerliche Jammerton. Blutleer bis zum Koma.

Mag ja vom Zeitgeist her plausibel sein, aber am Ende ist da kein Geist mehr drin, sondern nur noch die Luftblasen des Sterbenden, der "Einatmet und ausatmet und einatmet"... na, ich will nicht weiterzitieren. Es atmet sich muffig.


Am Ende erfuhr ich, dass es die Autorin war, die aus ihrem Erzählband „Alice“ gelesen hatte. Mach doch mal einer die Fenster auf...

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Geschrieben von

Magda

Immer mal wieder, aber so wenig wie möglich

Magda

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