Nie war er so wertvoll wie heute

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„Die Krise des Euro ist eine Staatsschuldenkrise“ Als Wulff vor einigen Wochen diesen Satz Ackermanns brav nachplapperte (welcher ihn einige Tage zuvor öffentlich soufflierte angesichts der drohenden Eigenkapitalerhöhung der Banken auf 9%), hatte Wulff wohl endgültig die Lizenz als sakrosankter Bundespräsident erworben.

Merkel, die derzeitige & unbestrittene Kaiserin von Europa, braucht nämlich einen funktionierenden Apparatschik in diesem Amt. Ein Bundespräsident etwa, dessen Gewissen in Aufruhr geriete angesichts des von Merkozy ins Werk zu setzenden Neoliberalismus 2.0, einer also, der mithin Skrupel hätte, entsprechende EU-weit wirkende Bankenermächtigungsgesetze zu unterzeichnen, wäre ein unglaublicher Störfaktor bei dieser finalen postdemokratischen Transaktion staatlicher Souveränität – die Staaten haben gefälligst Schulden zu bedienen. „...Bildung, nachhaltige Energiepolitik, Sozialpolitik? Das kannst du haben, wenn noch was übrig bleibt. Wenn, wohlgemerkt! Jetzt wird erst mal Kasse gemacht. Also halt's Maul, bezahl' deine Schulden oder du fliegst...“

Der real existierende Kapitalismus ist alles andere als „am Ende“. Vielmehr ist es wohl das Ende einer Phase freiheitlich-demokratischer Kaschur der Verhältnisse. Markante Sonntagsreden fähiger Präsidenten sind somit mindestens obsolet. Der „Ruck“ von dem einer dieser seinerzeit schwadronierte, vollzieht sich just.

Mit Wulff soll endgültig ein neuer politischer Standard installiert und etabliert werden. Der Standard evidenter Lüge als Wahrheit. Was mit Köhler, Guttenberg, der FDP u.a. vorerst scheiterte, soll nun endgültig durchgesetzt werden. „Der Bundespräsident bleibt im Amt“, so CDU-Fraktionschef Kauder heute. Sicherlich, S21 wird gebaut. Und ein gewissenloser Strolch bleibt im höchsten politischen Amt. (u.v.a.m.) Basta. Wulffgart 21 für alle.

Jakob Augstein merkte heute im DLF an, dass das die Republik nicht „aus den Socken hauen“ würde. Hoffentlich ist das mal kein Irrtum. - Wenn sich seinerzeit der Rauch zwischen den Trümmern verzogen hatte, war es schon immer wohlfeil, sich zu wundern und zu greinen, wie „das alles nur so weit kommen konnte“.

Wulff ist nicht nur ein Bundespräsident ohne Würde. Er ist vor allem ein gewissenloser Polit-Funktionär. Das macht ihn heute so wertvoll, geradezu notwendig für die derzeitigen politischen Akteure. Wulff ist qua Amt der ideale Steigbügelhalter für den Neoliberalismus 2.0.

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  • Stuttgarter Erklärung (openpetiton.de; eine Stellungnahme Stuttgarter Bürgerinnen und Bürger, die weiter Widerstand gegen das Projekt S21 leisten wollen und um Unterstützung bitten)
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