Ethik für Fortgeschrittene

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In England klagt eine 15 Jähriger dafür, ein Medikament bezahlt zu bekommen. Dabei beruft er sich auf die Menschenrechte.

Der junge Mann leidet an Phenylketonurie (PKU), einer Stoffwechselkrankheit, die u.a. zu schwerer geistiger Behinderung führt. Patienten mit PKU können Phenylalanin nicht abbauen, so dass sich Stoffwechselprodukte im Körper ansammeln und Unsinn machen. Die Erkrankung ist mit einer Diät behandelbar, so dass betroffene Kinder symptomlos bleiben und sich weitgehend normal entwickeln. Die Diagnose wird mithilfe des Guthrie-Test gestellt. Allen Neugeborenen in Deutschland werden in den ersten Tagen nach der Geburt einige Tropfen Blut abgenommen und auf diverse, behandelbare Krankheiten hin untersucht.

Die Diät hat das Ziel möglichst wenig Phenylalanin aufzunehmen. Da Phenylalanin in eiweißhaltigen Nahrungsmitteln fast omnipräsent ist, läuft das ganze auf eine eiweißarme, vegane Diät hinaus. Um keinen Mangel an Proteinen zu erleiden wird Eiweiß in Form von synthetisch hergestellten Mischungen hinzugefügt. Das Ganze stellt eine erhebliche Belastung für die betroffenen Kinder und deren Familien dar, die Entwicklung der Kinder ist dann jedoch normal.

Es gibt Betroffene, die im Erwachsenenalter die Diät aufgeben und normal Essen. Die Folgen sind für Erwachsene weniger gravierend und brauchen länger, bis sie auftreten.

Seit April 2009 gibt es eine Medikament, welches einem Teil der Patienten (ca 50%) dazu verhelfen kann, normal zu essen. Die Nebenwirkungen halten sich (bisher) in Grenzen. Das Medikament stabilisiert ein Enzym, welches für den Abbau von Phenylalanin zuständig ist. Dadurch wird der Gehalt an Phenylalanin im Blut gesenkt. Die Patienten können ungefähr die Hälfte der Menge an Phenylalanin zu sich nehmen, wie Gesunde. Das sind 1-2 normale Mahlzeiten pro Tag. Die Behandlung kostet pro Patient und Jahr ca. 55 000 Euro.

In dem unten eingebetteten Video wird das Verhalten eines Mädchens gezeigt und welchen Einfluss Phenylalanin darauf hat. Die Erkrankung wurde erst diagnostiziert, als bereits Schäden eingetreten waren, da zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gescreened wurde. Die Aufnahmen wirken, 50 Jahre später, etwas befremdlich, das nur am Rande.






Nun gibt es also eine Erkrankung, deren schwere Folgen mit relativ(!) einfachen Mitteln verhindert werden können und es gibt ein Medikament, welches die Lebensqualität von 50% der Betroffenen erheblich steigert, jedoch hohe Kosten hat. In diesem Fall kommt noch das "hohe" Alter des Jungen hinzu. In Deutschland scheinen die Krankenkassen das Medikament für Kinder ab vier Jahren zu bezahlen. In Foren, in denen sich Eltern Betroffener austauschen, ist die Erleichterung mit den Händen zu greifen.

In den kommenden Jahren könnten wir immer wieder vor dem Problem stehen:

Es gibt eine Therapie, die gut wirkt, die Betroffenen jedoch mehr oder weniger einschränkt. dann kommt ein neues Medikament auf den "Markt", welches verspricht, die Lebensqualität zu verbessern, jedoch in einem Jahr soviel kostet wie ein PKW.

Egal wie man es löst, es kommt immer jemand zu kurz.

Update 6.4.11 22:10 Uhr

Und wie gerufen kommt ein...naja nicht ähnlicher Fall, die Vorzeichen sind andere. In den USA hat die FDA einem Unternehmen das alleinige Vermarktungsrecht für ein Medikament erteilt, welches vor Frühgeburten schützt (diese Verhindern soll, wenn sie drohen). Das Medikament ist seit Jahrzehnten bekannt gehört aber zu den "Orphan Drugs". Eine Injektion soll 1500$ kosten, eine Behandlung 30 000$. Artikel

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Geschrieben von

merdeister

Ein guter Charakter erzieht sich selbst. - Indigokind - Blogtherapeut

merdeister

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