In Erinnerung an Juliano Mer Khamis

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Eine Tournee des FreedomTheaters asu Jenin in Deutschland kann helfen, manches Klischee über den Nah-Ost-Konflikt zu hinterfragen

Der freundliche Mann stand mitten im Leben. Er sprach davon, wie er mit seinen Theater in Jenin ein Stück Emanzipation und Freiheit in der Stadt fördern wollte. Seine Gelassenheit und sein Selbstbewusstsein machte Mut. Denn Juliano Mer Khamis war ein jüdischer Linker, der in Jenin mit jungen Palästinensern aus den Flüchtlingslagern die Vision eines anderen Palästina-Israel leben wollte. Er baute in Jenin das legendäre Freedom-Theater auf. Es ist ein Akt der Emanzipation für die jungen Leute, die daran mitwirken und es ist könnte ein Modell für ein Zusammenleben der Menschen im Nahen Osten sein. Wenn man Khamis in dem kurzen Film, der am Beginn der Aufführung des Freedom Theaters in der Berliner Schaubühne gezeigt wird, sieht, könnte ein Hauch paradoxer Hoffnung aufkommen, dass es doch gelingen möge, ein Israel-Palästina gemeinsam aufzubauen, wo alle dort lebenden Menschen ihre Rechte haben. Doch Juliano Mer Khamis lebt nicht mehr. Nur wenige Wochen nach der Entstehung des ermutigenden Kurzfilms wurde er direkt vor dem Freedom Theater erschossen. Doch ganz ist die paradoxe Hoffnung noch nicht gestorben, wie sich in der knapp einstündigen Aufführung zeigte, in der die jungen Schauspieler mit dem Stück „Sho Kman – Was noch? ihren Alltag auf die Bühne bringen. Es ist keine leicht verdauliche Theaterkost, die da geboten wird. Gleich zu Beginn setzt ein ohrenbetäubender Lärm ein. Es kracht und knallt überall, helle Blitze zucken über die Bühne. Wird hier eine der vielen Auseinandersetzungen zwischen palästinischen Jugendlichen und israelischen Militär nachgespielt? Solche Vergleiche kommen einen sehr schnell in den Sinn, wenn man eine Aufführung des Freedom-Theaters ansieht. Doch die Aufführung bedient solche Reflexe ist. Jugendliche in einer Zelle leben in ständiger Angst vor einen Folterer, der sich auch mal als Transvestit verkleidet, sich dann die Stöckelschuhe von den Gefangenen lecken lässt, um ihnen dann mit den gleichen Schuhen ins Gesicht zu schlagen. Besonders gelungen ist eine Szene, in der der Folterer einen Aufstand der Gefangenen nicht nur mit Gewalt begegnet. Er übergibt einen der Insassen einen Schlüssel, stattet ihn also mit Macht aus, die er so brutal gegen seine Mitgefangenen einsetzt, dass sie ihren früheren Peiniger geradezu wieder herbeiwünschen.

Der Folterer ist ein junger Mann, der mit einer Maske sein Gesicht bedeckt und sich zwischen den Folterszenen mit Hardcoremusik ablenkt. Bei denen Szenen kann man ebenso an die Verhältnisse in den Gefängnissen der Hamas oder anderer Palästinensergruppen denken. Das Stück lädt also zum Fragen und Nachdenken ein. Dass und die enormen schauspielerischen Leistungen der jungen Künstler machen den Theaterabend zum Gewinn.

Wider die Bescheidwisser

Dass aber ein solcher Theaterabend nicht alle zum Nachdenken und Hinterfragen einlädt, zeigte das anschließende Publikumsgespräch. Eine Frau, die gleich betonte, keine Fragen zum Theaterstück zu haben, weil sie alles verstanden hat, sah allein in dem Hinweis auf die Verantwortlichen für den Mord von Juliano Mer Khamis eine Zumutung. Der vehemente Kritiker der israelischen Politik kam als Freund und Genosse nach Jenin. Seine Mörder kamen aus dem Milieu, die einen Juden generell für abschusswürdig halten und die in der Kunst und Emanzipation, für die Mer Khamis stand, als Angriff auf den Islam und die palästinensische Nation erblickten, den sie mit der Kugel ausmerzen wollten. Jeder Theaterabend sollte daher auch ein Gedenkabend an Juliano Mer Khamis, den Mann der für seine Vision eines Nahen Ostens starb, in dem alle Menschen gemeinsam und mit unveräußerlichen Rechten leben können. ES war die Besetzung, die ihn tötete, auf diese Formel einigte sich ein Großteil des Publikums und schob somit Israel wieder die Schuld an seinen Tod zu. Damit waren die Fronten wieder klar. Nein, es waren die Kräfte der Reaktion und des Islamismus in Palästina, die mit Mer Khamis nicht nur seinen Traum von einer Welt ohne Unterdrückung töten wollten. Sein Tod sollte ein guter Anlass sein, in diesem Konflikt endlich die schnelle Beurteilung und das schon Bescheid wissen zu hinterfragen. Nur dann kann die paradoxe Hoffnung des Juliano Mer Khamis überleben. Dazu lädt das Stück ein, auch wenn dieser Einladung nicht alle Zuschauer folgen.

Peter Nowak

Das Stück Sho Kman – Was noch? ist am 26. und 27. September jeweils um 18 Uhr in der Schaubühne in Berlin zu sehen. Danach gastiert es in Hamburg, Bonn, Kiel Freiburg und Karlsruhe

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Geschrieben von

Peter Nowak

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