CIA-Affäre: Wikileaks stellt sich den Fragen des "Freitag"

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Die Betreiber der Whistleblower-Webseite Wikileaks haben schwere Vorwürfe gegen US-amerikanische und isländische Behörden erhoben. Zwei Agenten sollen dem Wikileaks-Sprecher Julian Assange nachgestellt haben. Zudem soll ein Freiwilliger der Organisation von der isländischen Polizei unter einem Vorwand 22 Stunden festgesetzt und verhört worden sein. In einer Stellungnahme äußerte Assange die Vermutung, die zuletzt "exzessive" Überwachung sei auf ein Video zurückzuführen, das Wikileaks am 5. April präsentieren will. Der Film soll einen US-Angriff mit zahlreichen zivilen Todesopfern zeigen. Am 15. März hatte Wikileaks ein Dokument der Gegenspionage-Abteilung des US-Militärs veröffentlicht, indem Strategien zur "Austrocknung" der Webseite entworfen werden. Julian Assange hat die aus seiner Sicht betroffenen Behörden angeschrieben und eine Erklärung verlangt.

Im Interview stellt sich der deutsche Wikileaks-Sprecher Daniel Schmitt den Fragen des Freitag.

Der Freitag: Von welchen US-amerikanischen und isländischen Behörden hat Wikileaks eine Erklärung verlangt?
Daniel Schmitt: Das weiß ich im Moment selbst nicht so genau. Aber das werde ich schnellstmöglich klären und mich bei Ihnen melden.

Können Sie uns Kopien der Schreiben zu Verfügung stellen?
Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen. Dafür muss ich allerdings in Island nachfragen.

Über Twitter hat Wikileaks verbreitet: „Falls uns etwas passiert, dann wisst ihr: Es ist wegen des Films, der wir am 5. April veröffentlichen. Und ihr wisst, wer verantwortlich ist.“ Was befürchten Sie denn konkret?
Es geht um zweierlei. Der Film soll ja in den USA präsentiert werden. Und nun überlegen wir, ob wir überhaupt einen unserer Vertreter von außerhalb der Vereinigten Staaten einfliegen lassen. Nicht, dass er an der Grenze bei der Ein- oder Ausreise festgesetzt wird. Das hielte ich zwar für unwahrscheinlich und dumm bei all der Öffentlichkeit, die wir jetzt haben. Aber ausgeschlossen ist es natürlich nicht.
Zum zweiten werden wir im Moment in vielen Teilen der Welt in unserer Arbeit behindert. Polizisten und Personen in Zivil versuchen uns klarzumachen, dass eine Veröffentlichung des Films Konsequenzen haben wird. Allerdings hat uns noch niemand offiziell kontaktiert. Es ist also schwierig, weil wir nicht wissen, mit wem genau wir es zu tun haben.

Einer der Hinweise, die Sie für eine Beobachtung durch Geheimdienste vorbringen, ist eine Passagierliste, die beweisen soll, dass zwei Angehörige des US State Departments Julian Assange auf einem Flug von Reykjavik nach Kopenhagen gefolgt sein sollen. Würden Sie uns diese Passagierliste zur Verfügung stellen?
Bisher ist diese Liste noch unveröffentlicht. Aus meiner Sicht spricht nichts dagegen, aber ich muss nachfragen. Manchmal ist es notwendig mit einer Veröffentlichung eines Dokuments zu warten, weil aus ihm hervorgeht, wer es weitergegeben hat.

Haben Sie materielle Hinweise - Fotos etwa oder schriftliche Berichte - die eine Überwachung von Wikileaks beweisen?
Das kann ich nicht sagen, werde aber auch das abklären. Ich habe allerdings selbst Erfahrungen gemacht. Anfang des Jahres war ich einige Wochen in Island zur Vorbereitung der Präsentation vom 5. April. Viel von der Post, die wir ins Hotel zugestellt bekommen haben, bestand nur noch aus leeren Umschlägen. Die ganze Situation ist insgesamt recht unangenehm.

Ein Wikileaks-Freiwilliger soll in Island von der Polizei festgenommen und befragt worden sein. Wie ist sein Name? Wo genau wurde er befragt? Kennt er den Namen des verantwortlichen Beamten?
Auch hier werde ich abklären, ob wir den Namen weitergeben. Die Polizeiwache werde ich in Erfahrung bringen, ebenso den Namen des Beamten, wenn der Freiwillige ihn denn kennt.

Welche Fragen wurden denn gestellt?
Ihm wurden Fotos von einem Vorbereitungstreffen für die Video-Präsentation befragt, das wir im Hinterzimmer eines Restaurants abgehalten habe. Dann wollten die Beamten wissen, was er über das Video weiß, wer an der Vorbereitung beteiligt ist, wer das Video gedreht haben könnte und welcher Art es ist. Soweit wir wissen, ist den Behörden nicht bekannt, um welches Video es sich handelt. Das ist auch wichtig, damit die Propaganda-Maschine der US-Regierung sich nicht
vorbereiten kann.

Aus welchem Grund können wir nicht persönlich mit Julian Assange sprechen?
Der einzige Grund ist, dass er im Moment mit Presseanfragen überschüttet wird, daneben geht ja auch unsere normale Arbeit weiter. Für Presseanfragen aus Deutschland bin deshalb standardmäßig ich zuständig. Aber wenn Sie wollen, werde ich ihn fragen, ob er auch direkt mit Ihnen spricht.

Tun Sie das doch bitte.
Okay.

Was antworten Sie Kritikern, die behaupten, Wikileaks würde die Vorwürfe gegen die CIA nur zu PR-Zwecken erheben, um auf Ihre Spendenaktion und die Video-Präsentation am 5. April aufmerksam zu machen?
Das ist totaler Quatsch. Es wäre dem Wikileaks-Projekt ja nicht zuträglich, wenn wir einen PR-Hype erzeugen würden, hinter dem sich nichts verbirgt. Wir leben davon, dass uns die Menschen vertrauen, das würdem wir nicht aufs Spiel setzen.

Das Gespräch führte Steffen Kraft

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