Afghanistan-Protest im Bundestag: Lammert wirft Linksfraktion raus

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Bei der Debatte über die Aufstockung deutscher Truppen und die Verlängerung des Bundeswehr-Mandats für den Krieg am Hindukusch ist die Linksfraktion wegen einer Plakataktion von der Parlamentssitzung ausgeschlossen worden. Die Abgeordneten waren beinahe geschlossen von ihren Plätzen aufgestanden und hatten Dutzende “Spruchbänder” mit Namen von Opfern der tödlichen Bombenangriffe Anfang September auf zwei Tanklaster am Kundusfluss hochgehalten. Bundestagspräsident Norbert Lammert von der CDU warf „die Beteiligten“ an dem Protest unter Verweis auf die Geschäftsordnung aus dem Saal - eine Aufforderung, der schließlich die komplette Fraktion folgte. Auf der Homepage der Linkspartei war umgehend von einem “Skandal im Bundestag” die Rede – und genau der war ja wohl auch gewünscht.

Die Parlaments-Geschäftsführerin der Linken, Dagmar Enkelmann, wird mit den Worten zitiert, es sei der Fraktion bewusst gewesen, dass sie mit der Aktion gegen die Geschäftsordnung verstößt – “aber manchmal muss man auch solche Wege gehen”. Die nun entstehende Aufmerksamkeit wird noch am besten unterstreichen können, dass die Linksfraktion als einzige geschlossen gegen den Antrag der Bundesregierung stimmt. Trotz des Rauswurfs durften die linken Abgeordneten an der Abstimmung teilnehmen: Einen solchen Beschluss auf Vorschlag von Lammert selbst fasste der Bundestag mit der nötigen Zweidrittelmehrheit. Der Protest gegen die kriegsverlängernden Maßnahmen und die übergroße Koalition aus Union, FDP und großen Teilen der SPD hat aber sicher einen größeren Nachrichtenwert als der angehängte Hinweis auf ein paar Nein-Voten.

Die SPD hat umgehend unter Beweis gestellt, auf welcher Seite sie steht. Parlaments-Geschäftsführer Thomas Oppermann begrüßte Lammerts Rauswurf: „Das Parlament ist Ort der Debatte, nicht der Demonstration. Im Parlament zählt das Argument, nicht das Transparent“, wird er zitiert – ganz so, als ob die Sozialdemokraten welche für ihre mehrheitliche Zustimmung zu Truppenaufstockung und Kriegsverlängerung hätten. Der Grüne Christian Ströbele hingegen hatte Lammert gebeten, den Ausschluss der Linken noch einmal zu überdenken. Das Parlament treffe seine Entscheidung „gegen die riesengroße Mehrheit der Bevölkerung“, und ein Rauswurf von Politikern, die Schilder mit den Namen von zivilen Toten eines Krieges hochgehalten haben, „wäre ein völlig falsches Signal in die Welt, wie wir mit Opfern, für die wir verantwortlich sind, umgehen“, so Ströbele.

Der Bundestag hat unterdessen der Aufstockung der Bundeswehr-Truppen mit 429 Ja-Stimmen bei 111 Gegenstimmen und 46 Enthaltungen zugestimmt.

Zum Weiterlesen:
Lammerts Erklärung zum Ausschluss der Linksfraktion - hier
Björn Böhning kommentiert die Aktion – via Twitter
Wie unpatriotisch! Pfui, Herr Lammert – Mark Seiberts Blog
Lammert wirft Linke aus dem Bundestag – Spiegel online
Fotos von der Protestaktion – Spiegel online
Rede von Christine Buchholz für die Linke – Youtube
Statement Enkelmann und van Aken – mp3
SPD-Positionspapier zur Truppenaufstockung – hier
Aufstockung ist kein Strategiewechsel – Ärzteorganisation IPPNW
Ergebnis der namentlichen Abstimmung im Bundestag – hier

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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