Schmids Stöckchen: Die Südwest-Wahlen, SPD und Linke – und die DDR

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Als die DDR an sich selbst scheiterte, war Nils Schmid 16 Jahre alt. Jetzt hat der baden-württembergische SPD-Landeschef der Linken eine Bedingung gestellt: Die Partei müsse sich von der SED-Vergangenheit distanzieren – und zwar schwarz auf weiß. „Eine solche schriftliche Erklärung gibt es nicht, und solange die Linke das nicht macht“, sagte Schmid gegenüber dem Focus, „ist sie für mich kein Ansprechpartner für Sondierungsgespräche.“

Nun existieren in Wahrheit nicht nur eine, sondern dutzende Erklärungen aus den Reihen der früheren PDS und der fusionierten Linken, die sich kritisch oder distanzierend mit der DDR-Geschichte und der Verantwortung der autoritären Staatspartei auseinandersetzen. (An der Tatsache, dass es auch andere Meinungen, politisch fragwürdige darunter, ebenfalls in der Partei gibt, würde keine Erklärung der Welt etwas ändern.) Die Forderung nach notarieller Niederlegung eines solchen Bekenntnisses ist also eine Rauchbombe. Zumal es im Falle des Falles ja nicht um geschichtspolitische Fragen geht, wie das Scheitern der rot-rot-grünen Sondierung in Thüringen 2009 zeigte, wo eine schriftliche Erklärung zur DDR-Geschichte vorlag. Oder SPD und Grünen die Distanzierung von der SED-Vergangenheit nicht gefällt, wie in Nordrhein-Westfalen, wo im vergangenen Jahr das Scheitern der Sondierung seitens SPD und Grünen unter anderem damit erklärt wurde, dass die Linke die DDR zwar eine Diktatur aber nicht einen Unrechtsstaat nennen wollte.

Nils Schmid wird sich auch fragen lassen müssen, warum er drei Monate vor der Wahl eine Diskussion anregt, die mit den politischen Realitäten im Südwesten nichts zu tun hat. Weder gibt es irgendeinen die DDR betreffenden Nachholebedarf bei den linken Landespolitikern, die vor allem aus SPD und Gewerkschaften stammen, mithin Organisationen, von denen man nie verlangen würde, sie sollten sich für die SED entschuldigen. Noch haben die zur Wahl stehenden gesellschaftlichen Probleme – von Stuttgart 21 über die Bildung bis zur öffentlichen Daseinsvorsorge – irgendetwas mit der DDR zu schaffen.

Die SPD versucht hier also entweder, der Linken eine Geschichtsdebatte überzuhelfen – in der Hoffnung, die so Angesprochenen würden sich derlei verbeten und irgendjemand würde etwas sagen, das beim Wähler in Baden-Württemberg eine negative Wirkung erzielt. Oder aber Schmid ist über ein journalistisches Stöckchen gesprungen, das noch überall der SPD hingehalten wurde: Darf man mit der Nachfolge-Nachfolgepartei überhaupt reden? Statt einmal das Naheliegendste zu antworten, dass nämlich die Probleme eines westlichen Bundeslandes und die einer etwaigen rot-rot-grünen Kooperation, von mir aus auch die der Linkspartei, überall liegen, aber am wenigsten in der Vergangenheit der DDR, hat sich der promovierte Rechtsanwalt Schmid als üblicher Sozialdemokrat erwiesen. Wenn man seinem Neujahrsvorstoß dann doch noch etwas abgewinnen will, ist es die ihm innewohnende Erkenntnis, dass es am Wahlabend im März vielleicht doch nicht für Rot-Grün allein reichen könnte. Sonst bräuchte man der Linken ja keine Bedingungen stellen.

auch erschienen auf lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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