Unglückliche Hand: die Linke, Castro und doppelte Standards

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Klaus Lederer ist sauer und Philipp Mißfelder schwer empört: Die Doppelspitze der Linkspartei hat Fidel Castro die „herzlichsten Glückwünsche“ zum 85. Geburtstag übermittelt. Nun könnte man sagen, was dem „politischen Establishment“ (Focus) der Hauptstadt neuerliche Gelegenheit gibt, die Linke als vorgestrig hinzustellen, ist eigentlich keiner größeren Rede wert. Anders herum stimmt aber auch: Wenn die Partei noch ein paar weitere Wochen ausschließlich mit Themen wie Mauerbau und Staatssozialismus in den Medien für Schlagzeilen sorgt, drohen nicht nur rot-rote Niederlagen, sondern womöglich die Verwandlung in eine Art historisches Polit-Kabinett.

Daran ist die Partei nicht allein schuld, aber eben auch nicht ganz unbeteiligt: Man kann, nein: man muss einen Brief an Fidel Castro bei allem Respekt vor dessen politischer Biografie anders formulieren. Das ist nicht bloß eine Frage des Sprachstils, wie es jetzt mitunter heißt. „Unverbrüchliche Freundschaft“ klingt ein bisschen sehr nach „uneingeschränkte Solidarität“, und wer schreibt, „nach Kräften dazu beitragen“ zu wollen, „dass das kubanische Volk frei und ohne Druck von außen über seine Entwicklung selbst entscheiden kann“, sollte nicht davon schweigen, dass es in Kuba auch Druck von innen gibt, den kein Sachzwang rechtfertigen kann.

Die Widersprüchlichkeit – hier die unbezweifelbaren „Errungenschaften des sozialistischen Kuba“, da der realistische Spielraum und die Abhängigkeit von der internationalen Lage, dort die Anmaßungen eines von älteren Herren kommandierten politischen Systems – hätte man in einem Brief überdies wohl auch besser darstellen können, als es die mediale Logik des getriebenen Reagierens nun gestattet: „Wir brauchen endlich Demokratie in Kuba“, wird Gregor Gysi zitiert und das hört sich dann an wie die üblichen Belehrungen eines sich immer und stets überlegen wähnenden Westens.

Übrigens: Vor fünf Jahren hatte Lothar Bisky einen Brief nach Havanna geschickt und Castro zum 80. Geburtstag für seinen „unermüdlichen Einsatz für die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft“ gratuliert. Das „politische Establishment“ war auch damals empört – so wie heute. Die allfälligen Verweise auf Berichte von Amnesty International allerdings, in denen kritisiert wird, dass auf Kuba elementare politische Rechte „nach wie vor beschnitten und zahlreiche Kritiker der Einparteienherrschaft (…) drangsaliert“ werden, zeigen den doppelten Standard an, der hier angelegt wird.

Als Angela Merkel vor ein paar Tagen dem Premierminister der Sozialistischen Republik Vietnam „herzliche“ Grüße zur Wiederwahl schickte, weiterhin „glückliche Hand“ wünschte und erklärte, die Bundesrepublik stehe einer „Politik, die dem Wohl des vietnamesischen Volks dient, weiterhin als zuverlässiger Partner zur Seite“, nahm niemand daran Anstoß. Obwohl die Kanzlerin kein Wort über die Lage von Menschenrechten etc. verlor. Bei Amnesty liest man über Vietnam: „Die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit unterlagen 2010 weiterhin erheblichen Einschränkungen. Es wurden neue Bestimmungen zur Überwachung des Internets eingeführt. Die brutale Unterdrückung von friedlichen Dissidenten und für die Menschenrechte engagierten Personen hielt an.“

auch erschienen auf www.lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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