STAATLICH GEWOLLTE FAMILIENZERSTÖRUNG: Geschichte des Gerson Liebl

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Dr. Friedrich Karl Georg Liebl, bayrischer Kolonialarzt, war von 1908 bis 1911 als Regierungsarzt in der damaligen deutschen Kolonie Togo beschäftigt. Dort heiratete er nach togoischem Stammesbrauch die togoische Staatsangehörige Kokoé Edith Avajon.

Dieser Ehe, die nach togoischem Recht wirksam war, entstammt der Vater Gerson Liebls. Dr. Liebl verließ 1911 Togo und ging nach Deutschland zurück. Dort heiratete er dann eine deutsche Frau, verschwieg aber seine Ehe in Togo.

Enkel Gerson Liebl, der aufgrund seiner deutschen Abstammung der Meinung war, auch er sei Deutscher, reiste im Jahr 1991 nach Deutschland und lebte dann längere Zeit in Pirmasens.

Bedingt durch seinen unsicheren Rechtsstatus stellt er im Mai 1992 einen Asylantrag um sein Aufenthaltsrecht zu sichern. Im selben Jahr beantragte er einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis, dies mit der Begründung, sein Vater sei ein eheliches Kind des Deutschen Dr. Friedrich Liebl. Dieser Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, er habe das Bestehen der Ehe zwischen seiner Großmutter Kokoé Edith Avajon und Dr. Liebl nicht glaubhaft gemacht.

Ein Rechtsgutachen von Prof. Dr. iur. Filippi Ranieri vom Lehrstuhl für Europäisches Zivilrecht der Universität Saarbrücken kommt zum Ergebnis, dass im sog. Schutzgebiet Togo für die Gültigkeit einer Eheschliessung zw. einem Reichsangehörigen und einer Stammesangehörigen das Stammesrecht Gültigkeit besitze.

Prof. Dr. Ranieri führt in seinem Gutachten aus, dass die damaligen Rechtsauffassungen zur Gültigkeit einer solchen Eheschließung bereits zu dieser Zeit heftig umstritten waren. Aber erst im Jahr 1912 entschied der Gouvernementsrat, daßß die Eingehung von Mischehen im Schutzgebiet "unter allen Umständen unmöglich gemacht werden".

In seinem Gutachten kommt Prof. Ranieri zu dem Ergebnis, daß die Rechtslage unter der heute der Fall Gerson Liebls betrachtet wird, eine unbestreitbare Folge eines historischen staatlichen Unrechts sei.

Der Historiker Dr. habil Peter Sebald, der die deutsche Kolonialgeschichte in Togo über viele Jahre untersuchte erwähnt, daß die rassistische deutsche Kolonialadministration in Togo Mischehen nicht gestattete.

Auf Betreiben der Gemeinde Straubing in Bayern wurde Gerson Liebl im Februar 2009 nach 18! Jahren Aufenthalt in Deutschland nach Togo abgeschoben. Seine Frau Ginette und der in Deutschland geborene Sohn Gergi Liebl leben nach wie vor in Berlin und führen dort eine geduldete "Kümmerexistenz", derweil der Mann und Vater in Lomé versucht durchs Leben zu kommen.

Gerson Liebl versucht über Kontakte zur deutschen Botschaft in Lomé seine Rückkehr nach Deutschland zu erreichen. Die Folge: Die Botschaft verlangt von Gerson Liebl die "Rückzahlung" der Abschiebungskosten in Höhe von 29.000 Euro.

Dies wohl im Auftrag der die Abschiebung durchgesetzten Gemeinde Straubing.

Gerson Liebl, der ebenso wie seine Frau und der in Deutschland geborene Sohn den Wunsch hat, daß die Familie wieder zusammen kommt, ist natürlich nicht in der Lage, diesen Betrag aufzubringen.

Erschreckend an diesem Vorgang ist, dass die heutige Bundesrepublik Deutschland sich nicht scheut, die rassistische Rechtssprechung aus Kaisers Zeiten heranzuziehen, um die Abschiebung zu rechtfertigen.

M.E. sollte sich die Bundesregierung bei Gerson Liebl und seiner Familie entschuldigen, ihm die Rückkehr zu seiner Familie gestatten und die Kosten dafür zu übernehmen. Als gelernter Goldschmied ist Gerson Liebl in der Lage, sich und seine Familie zu ernähren.

Kenner des Falles Gerson Liebl sind sich einig, daß der Umgang der hiesigen Behörden mit dieser Angelegenheit nichts anderes als praktizierter Rassismus mittels Paragraphenreiterei ist.

Im Sinne humanitärer Rechtsauffassung schäme ich mich für diesen Staat, der vorgibt, demokratisch verfaßt zu sein.

Was helfen könnte, wäre m.E. eine juristische Hilfe durch einen kundigen Rechtshistoriker, der die Grundlagen des damaligen rassistischen Rechts daraufhin untersucht, inwieweit das Zurückgreifen der heutigen BRD auf dieses Unrecht als Grundlage für heutige Rechtsprechung überhaupt zulässig ist. Mein Fazit ist, im Fall des Gerson Liebl wurde frei nach Filbingerart gehandelt: "Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein".

Das aber ist die eigentliche Schande.

Quellen:

Korrepondenz mit Familie Liebl

Dr. Eckart Dietzfelbinger

Dr. Peter Sebald

taz

ZEIT-onlinehttp://www.zeit.de/2009/18/Martenstein-18

community.zeit.de/user/volker-steinkuhle/beitrag/2010/05/02/gerson-liebl-ein-deutscher-patriot

eigene Recherchen

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Geschrieben von

Vaustein

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