Grundkurs: Arme-Leute-Küche (8)

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HEUTE: AUSNAHMSWEISE EIN VERFRESSENES TEURES GELAGE MIT RAKI

Perihan, Necla und ich erwarten Gäste, Apo und Ati. Wir sind zu einer türkischen Meze verabredet. Meze heißt eigentlich Vorspeise, in diesem Fall ist es der türkische Deckname für ein Gelage mit Raki.
Wie mancher schon weiß, ist Muslimen der Alkoholgenuss nicht erlaubt. Man darf ihn allerdings als Medizin zu sich nehmen, etwa, wenn er dem Magen gut tut. Leider leider: viele Türken haben es mit dem Magen. Necla: „Ich heute auch.“

Schnaps trinken ohne gutes Essen ist gar nicht gesund. Perihan („Feenkönigin“, meine zur Dominanz neigende Gattin) bedient die Knoblauchpresse, dieses Mus kommt in den fetten Joghurt, dazu etwas Olivenöl, fein geschnittener Dill und etwas Salz.
Necla („das Kind“, die jüngste meiner sieben Schwägerinnen) wälzt kleine Würfel von der Rindsleber in Mehl, brät sie nur recht kurz, würzt mit Pfeffer und Salz und platziert sie auf einem Teller neben hauchdünnen rohen Zwiebelscheiben, die sie mit Blattpetersilie vermischt hat.

Ich überwache ein zerteiltes scharfes Hähnchen, das im Backofen knuspert und frage nach dem Küchenpinsel. „Geh' raus“, spricht die Feenkönigin, „Du machst mich nervös.“ Am Huhn sei nichts mehr zu pinseln, Olivenöl genug dran, Zitronensaft braucht es nicht. Necla kichert, ich finde: blöd.

Ich schneide also woanders Tomaten, kleine Gurken, weißen Käse in Scheiben und benetze alles mit ein paar Tropfen Olivenöl, jedes für sich auf einem eigenen Teller und streue Kräuter drüber. Salz und Pfeffer stehen eh auf dem Tisch, außerdem diverse Platten mit Früchten: Trauben, Äpfel, Mandarinen, Birnen, schwarze und grüne Oliven.

Ati kommt und sagt, es riecht so gut. Eigentlich heißt er Atila (wer möchte übersetzen?), macht Necla schöne Augen und hat für alle Fälle noch eine Flasche Raki dabei. Nun Apo. (Abdullah „Diener Gottes“, auch Kurden verknappen gern Namen.) Er bringt eine späte Honigmelone mit, auch Raki für alle Fälle, das ist hier nämlich so Usus.

Ein Abend zum Wirrewerden. Alle haben zwei Gläser vor sich, eins für gekühlten Raki (1/3 Raki, verdünnt mit 2/3 Wasser), eins für Wasser. Die Feenkönigin eins für Wasser, eins für Wasser. Der Tisch ist voll mit leckerem Essen, zehn, zwölf oder fünfzehn Gerichte. Der leicht anisige Duft vom Raki wabert.

Raki schmeckt nur aus Rakigläsern, das mal nebenbei.

Egal. Wir essen, diskutieren, fressen, trinken, saufen, quatschen, lachen, am Ende gucken alle wie ne Schere. Dann essen wir Suppe mit viel Knoblauch gegen den Kater.
Längst ruht die Feenkönigin.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

weinsztein

Journalist. Lebt vorwiegend an der türkischen Ägäis. Guckt auf griechische Inseln. Kocht gern.

weinsztein

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